Geringes Trinkgeld führ nicht zur Minderung des Arbeitslosengeld II-Anspruchs. © Adobe Stock - Von contrastwerkstatt
Geringes Trinkgeld führ nicht zur Minderung des Arbeitslosengeld II-Anspruchs. © Adobe Stock - Von contrastwerkstatt

Neben ihrem Erwerbseinkommen als Servicekraft in der Gastronomie erhielt die Klägerin Trinkgeld in Höhe von 25 Euro monatlich. Das beklagte Jobcenter berücksichtigte dieses Trinkgeld als Erwerbseinkommen i.S. des Sozialgesetzbuch (SGB) II. 

Mit der Anrechnung des Trinkgelds, was zu einer Reduzierung des Regelbedarfs führte, erklärte sich die Klägerin nicht einverstanden. Sie erhob Widerspruch und beantragte, das Trinkgeld bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II nicht zu berücksichtigen. Dem Widerspruch war kein Erfolg beschieden.

Zur Frage: Anrechenbarkeit von Trinkgeldern? Tatsacheninstanzen bestätigen Rechtsauffassung des Jobcenters

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Servierkraft Klage beim Sozialgericht (SG) Landshut, die mit Urteil vom 27. September 2017 abgewiesen wurde (https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/195631?modul=esgb&id=195631).

Auf die Berufung der Klägerin wurde das Urteil des SG Landshut durch das Bayerische Landessozialgericht (LSG) abgeändert und das Jobcenter verurteilt, der Klägerin für Dezember 2014 SGB II-Leistungen von insgesamt 552,84 € und für Januar 2015 von 525,44 € zu bewilligen. Im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen. 

Das Begehren der Klägerin, das Trinkgeld bei der Arbeitslosengeld II - Berechnung  „außen vor zu lassen“, fand auch in der Berufungsinstanz keine Berücksichtigung.

LSG lässt Revision zum Bundessozialgericht nicht zu

Gründe für die Zulassung der Revision vermochten die Berufungsrichter*innen nicht zu erkennen. Insbesondere, so das Gericht, habe die Angelegenheit keine grundsätzliche Bedeutung. Auch habe die Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/169491

Klägerin legt Nichtzulassungsbeschwerde ein

Gegen die Entscheidung des LSG, die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) nicht zuzulassen, legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) beim BSG ein. 

BSG lässt Revision zu

Mit der vom 7. Senat des BSG zugelassenen Revision machte sie weiterhin geltend, dass es sich bei dem Trinkgeld um nicht zu berücksichtigendes Einkommen i.S. von § 11a Abs. 5 SGB II handelt. 

BSG bestätigt grundsätzlich Rechtsauffassung der Klägerin

Die Revision der Klägerin war zum Teil erfolgreich. Anders als vom beklagten Jobcenter und dem LSG angenommen, so das BSG, handele es sich bei dem Trinkgeld nicht um Erwerbseinkommen. Das Trinkgeld sei vielmehr eine Zuwendung, die Dritte erbringen, ohne dass hierfür eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung bestehe. Hieraus folge, dass es erst dann als Einkommen bei der Berechnung der Leistung zu berücksichtigen sei, wenn es die Lage der Leistungsberechtigten so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wäre. Dies aber sei vorliegend nicht der Fall. 

Hier geht es zum Terminbericht des BSG:

Rechtliche Grundlagen

§ 11a Abs. 5 SGB II- Nicht zu berücksichtigendes Einkommen

§ 11a Abs. 5 SGB II- Nicht zu berücksichtigendes Einkommen

(5) Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit

1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder

2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.