Arbeitslosengeld II erhält, wer bedürftig ist und auch nur insoweit sie/er bedürftig ist. Das 2. Sozialgesetzbuch (SGB II) bestimmt, in welcher Höhe ein Bedarf besteht. In der Regel setzt er sich aus dem „Regelbedarf“ nach § 20 SGB II und den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zusammen. Mit dem Bedarf ist aber noch nicht berechnet, welche Leistung dem Empfänger tatsächlich zusteht.

 

Sinn der Grundsicherung ist, dass jedem die Differenz zwischen dem eigenen Einkommen und dem errechneten Bedarf zusteht, wenn dieser höher ist als dass Einkommen. Deshalb wird geschaut, inwieweit der grundsätzlich Berechtigte dazu in der Lage ist, aus eigenen Mitteln ein Einkommen zu generieren, dass seinen Grundbedarf deckt. Das kann auch eigenes Vermögen sein oder ein „unangemessen“ großes Hausgrundstück, dass er verwerten kann.

Wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens kann ein Anspruch auf Entschädigung bestehen

§ 11 SGB II bestimmt, dass als Einkommen Einnahmen in Geld zu berücksichtigen sind. Nicht berücksichtig werden Einnahmen, die das Gesetz in § 11a ausschließt, wie etwa die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Sodann muss das Jobcenter noch nach § 11b SGB II diverse Beträge abziehen wie Steuern und Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und einen gewissen Teil des Einkommens, zumeist 100 Euro.

 

Das Bundessozialgericht musste jetzt entscheiden, ob eine Entschädigungszahlung nach dem Gerichtsverfassungsgesetz als Einkommen bei der Berechnung von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) zu berücksichtigen ist.

 

Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird gemäß § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)angemessen entschädigt. Diese Entschädigung wird in § 11a SGB II nicht als Einnahme genannt, das das Jobcenter nicht als Einkommen bei der Berechnung von ALG II werten darf.

Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften werden nur  insoweit berücksichtigt, als die Leistungen nach dem SGB II demselben Zweck dienen

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 11. November 2021 gleichwohl entschieden, dass eine Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens aufgrund überlangen Gerichtsverfahrens - anders als vom beklagten Jobcenter und dem Landessozialgericht angenommen - nicht als Einkommen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berücksichtigen ist. 

 

Das Gericht weist zurecht auf § 11a, Absatz 3 Satz 1 SGB II hin. Danach werden Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur insoweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen.

 

Die Zahlung der Entschädigung diene nach dem Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich dem Zweck, die Folgen eines überlangen Verfahrens wieder gutzumachen, so das BSG. Auch sei keine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II gegeben. Das SGB II sehe für immaterielle Schäden vielmehr überhaupt keine Leistungen vor.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts zum  Urteil vom 11.November 2021 - B 14 AS 15/20 R (PDF)

Rechtliche Grundlagen

§ 11a Sozialgesetzbuch II (SGB II) - § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)

§ 11a Sozialgesetzbuch II (SGB II)
Nicht zu berücksichtigendes Einkommen

(1) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind
1. Leistungen nach diesem Buch,
2. die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
3. die Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz,
4. Aufwandsentschädigungen nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs kalenderjährlich bis zu dem in § 3 Nummer 26 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes genannten Betrag.
(2) Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
(3) Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen. Abweichend von Satz 1 sind als Einkommen zu berücksichtigen
1. die Leistungen nach § 39 des Achten Buches, die für den erzieherischen Einsatz erbracht werden,
a) für das dritte Pflegekind zu 75 Prozent,
b) für das vierte und jedes weitere Pflegekind vollständig,
2. die Leistungen nach § 23 des Achten Buches,
3. die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie vergleichbare Leistungen der Begabtenförderungswerke; § 14b Absatz 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bleibt unberührt,
4. die Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Buch mit Ausnahme der Bedarfe nach § 64 Absatz 3 Satz 1 des Dritten Buches sowie
5. Reisekosten zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 127 Absatz 1 Satz 1 des Dritten Buches in Verbindung mit § 73 des Neunten Buches.
(4) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie die Lage der Empfängerinnen und Empfänger nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
(5) Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit
1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder
2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
(6) Überbrückungsgeld nach § 51 des Strafvollzugsgesetzes oder vergleichbare Leistungen nach landesrechtlichen Regelungen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

§ 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.