Beim Jobcenter geht’s rein und raus – der Blick für Einzelne muss aber bleiben. © Adobe Stock: leonidkos
Beim Jobcenter geht’s rein und raus – der Blick für Einzelne muss aber bleiben. © Adobe Stock: leonidkos

Sabine aus Magdeburg kann ein Lied davon singen. Ordner voller Bescheide des Jobcenters, gefüllt mit Rechnungen, mit Verdienstbescheinigungen und der Kommunikation mit ihren Prozessbevollmächtigten des DGB Rechtsschutzbüros Magdeburg. Nachvollziehen kann sie die Bescheide des Jobcenters inzwischen nicht mehr. Mal kommt es zu Erhöhungen und dann wegen ihres Einkommens wieder zu Rückforderungen und das alles zeitlich versetzt, wenn die Situation längst wieder völlig anders ist.

 

Sabine erhebt Widerspruch und zieht anschließend vor Gericht. Die Jurist*innen aus Magdeburg weisen auf diverse Aufhebung- sowie Erstattungsbescheide Ihrer Mandantin hin, die diese erst im Anschluss an eine längst bestandskräftig gewordene Leistungsfestsetzung erhielt.

 

Wer soll das verstehen?

 

Mal wollte das Jobcenter knapp 700 € zurück erhalten, mal waren es nur 190 €. In anderen Monaten hatte das Jobcenter 490 € berechnet und später wieder nur 200 €, die Sabine zurückzahlen sollte. Details zur Berechnung offenbarten die Bescheide nicht.

 

Mit ihrem Widerspruch und der späteren Klage wies Sabine daraufhin, sie habe einen Anspruch darauf, dass das Jobcenter ihr erläutere, wie sich die errechneten Erstattungsbeträge zusammensetzen. Sie habe mehrmals ihre Bedenken hinsichtlich der richtigen Berechnung vorgetragen und das Jobcenter darum gebeten, ihr eine nachvollziehbare Begründung zu liefern. Das sei nicht geschehen.

 

Das Sozialgericht stellt klar: die Bescheide sind rechtswidrig.

 

Die Bescheide seien für Sabine nicht nachvollziehbar, sagt das Gericht dazu. Sabine könne nicht erkennen, wie sich die Höhe der Erstattungsforderung insgesamt zusammensetze. Darauf habe sie jedoch ein Recht.

 

Dieses Recht ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch. Dort heißt es, ein Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Wenn es um Ermessensentscheidungen geht, muss die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen war.

 

Diese Vorschriften sind bindend

 

Das Jobcenter habe sich trotz mehrfacher Aufforderung durch das Sozialgericht zur Klage von Sabine nicht einmal geäußert, schreibt das Gericht im Urteil. Völlig unerheblich sei, ob das Jobcenter die festgesetzten Rückzahlungsbeträge richtig berechnet habe. Sabine hätte Einwendungen hiergegen vorgebracht und damit ausreichend Zweifel an der Höhe der erhobenen Erstattungsforderungen geltend gemacht. Dies verpflichte das Jobcenter, Sabine die Berechnung der Forderungen detailliert offenzulegen.

 

Das Jobcenter muss nun in einem neuen Verfahren die Begründung für seine Bescheide liefern. Ein bisschen Arbeit wird sich die Behörde jetzt doch noch machen müssen.

Hier geht es zum Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg

 

Das sagen wir dazu:

Arbeitslosengeld II wird regelmäßig im Rahmen einer Massenverwaltung berechnet und bewilligt. Sachbearbeiter*innen geben Daten in elektronische Erfassungssysteme ein, diese berechnen dann die Zahlung- bzw. Rückzahlungsbeträge.

 

Auch in der Massenverwaltung bleibt der Mensch ein Mensch

 

Selbst wenn die richtige Dateneingabe zu zutreffenden Berechnungen führt, müssen Anspruchsberechtigte in der Lage sein, Bescheide zu verstehen. Über dem reinen Akt der technischen Eingabe und Berechnung im Rahmen der Datenverarbeitung muss da schon etwas Mühe sein.

 

Leistungsbezieher*innen lassen sich nicht einfach technisch und rechnerisch abwickeln. Trotz Massenverwaltung: ein bisschen Mensch muss sein.

Rechtliche Grundlagen

§ 35 SGB X

Begründung des Verwaltungsaktes

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
1. soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2. soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3. wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
4. wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5. wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.