In diesem Rechtsstreit geht es um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aus dem Zeitraum September 2017 bis Januar 2018. Man sieht, so ein sozialgerichtliches Verfahren kann sich hinziehen. Und das, obwohl es hier nicht einmal zu einer mündlichen Verhandlung kam. Das Sozialgericht entschied durch Gerichtsbescheid. Diese Möglichkeit besteht, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Jobcenter rechnet Einmalzahlungen als Einkommen an
Das Jobcenter hatte bei den Leistungen des Klägers Einkommen in Höhe von 400,- € monatlich angerechnet. Dessen Einwand, es handele sich bei den Einmalzahlungen, die in den Monaten in unterschiedlicher Höhe auf seinem Konto eingegangen waren, um Darlehen, die er zurückzahlen müsse, ließ man nicht gelten.
So kam es zur Klage beim Sozialgericht durch den DGB Rechtsschutz Bremen.
Soweit es die Monate Oktober 2017 bis Januar 2018 angeht, sprach das Sozialgericht dem Kläger höhere Leistungen zu. Dabei ging es allerdings nicht davon aus, es habe sich bei den Einmalzahlungen um Darlehen gehandelt.
Die entscheidende Vorschrift ist § 11 Absatz 1 SGB II. Danach sind Einnahmen in Geld - abzüglich
abzusetzender Beträge - als Einkommen zu berücksichtigen, wenn kein Ausnahmefall vorliegt. Einnahmen sind grundsätzlich für den Monat zu berücksichtigen; in dem sie zufließen.
Nur tatsächlich zufließendes Einkommen mindert den Anspruch
Das Gericht berief sich auf eine Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach bedarfsmindernd nur tatsächlich zufließendes Einkommen Berücksichtigung findet. Denn nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme sei als "bereites Mittel" geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat
zu decken. Die Anrechnung einer fiktiven Einnahme zur Bedarfsminderung sei nach dem
System des SGB II dagegen ausgeschlossen.
Daran gemessen habe das Jobcenter im Zeitraum Oktober 2017 bis Januar 2018 nicht auf die Anrechnung tatsächlich zufließender Mittel, sondern auf fiktive Einnahmen, abgestellt.
Zu dem Ergebnis kam das Gericht, da das Jobcenter bewusst bis zum Ende des Bewilligungszeitraums einen Einkommenszufluss von 400 € monatlich unterstellt hatte. Dabei waren die Zahlungen in teilweise völlig anderer Höhe bekannt. Nachdem zunächst eine vorläufige Entscheidung getroffen wurde, kam es zu einer endgültigen Bewilligung, in der das Jobcenter dies auch nicht korrigierte.
Liegt ein wirksamer Darlehensvertrag vor?
Weniger erfreulich ging der Rechtsstreit für den Kläger aus, soweit es die Leistungen aus September 2017 betrifft. Hier habe das Jobcenter ein tatsächlich zugeflossenes Einkommen berücksichtigt und diese Einmalzahlung sei auch als Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 SGB II zu berücksichtigen. Es sei nicht nachgewiesen, dass es sich bei dieser Zahlung um ein Darlehen handele.
Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt als vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar. Allerdings wird ein zivilrechtlich wirksamer Darlehensvertrag vorausgesetzt. Nach der Rechtsprechung sind auch bei Darlehen unter Freunden oder innerhalb der Familie strenge Anforderungen zu stellen, wenn der Abschluss und die Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages nachgewiesen wird. Die Gewährung eines Darlehens muss sich auch von der Durchführung her eindeutig von einer Schenkung oder einer Gewährung von Unterhalt abgrenzen lassen.
Dabei muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Vereinbarung eines Darlehens unter Freunden nicht in jedem Punkt dem entsprechen, wie es zwischen Fremden üblich ist
(Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2010, - B 14 AS 46/09 R).
Einmalzahlung aus September wird nicht als Darlehen anerkannt
Werden die im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten gewahrt, kann das ein Indiz dafür sein, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen wurde. Wenn aber der Inhalt der Abrede, insbesondere Darlehenshöhe und Rückzahlungsmodalitäten, wie auch der Zeitpunkt, zu dem der Vertrag geschlossen wurde, nicht konkret genannt werden können, entstehen bei den Gerichten Zweifel an der Glaubhaftigkeit. Die Gerichte schauen auch darauf, ob ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages genannt werden kann.
Gemessen an diesen Maßstäben lasse sich laut des Sozialgerichts hier nicht feststellen, dass im Hinblick auf die im September 2017 eingezahlten 400,- € ein Darlehensvertrag vorliege.
Der Kläger hatte mitgeteilt, er habe das Geld bereits wieder überwiesen, war dabei aber nicht näher auf die Herkunft der Mittel eingegangen. Einem vorgelegten Schreiben fehle der Bezug zu einer Zahlung im September 2017. Es könne deshalb nicht von einem Darlehensvertrag ausgegangen werden.
Sozialgericht Bremen, Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2023 – S 18 AS 1650/18