Jobcenter dürfen Daten automatisiert abgleichen
Jobcenter dürfen Daten automatisiert abgleichen

§ 52 des zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) regelt einen automatisierten Datenabgleich. Danach können die Bundesagentur und die Jobcenter zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober Personen überprüfen, die Leistungen nach diesem Buch beziehen, also vor allem Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, sogenanntes Arbeitslosengeld II. 
Im Wege des automatisierten Datenabgleichs kann überprüft werden, ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume Leistungen der Träger der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung bezogen wurden, ob und in welchem Umfang Zeiten des Leistungsbezuges mit Zeiten einer Versicherungspflicht oder Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung zusammentreffen und ob und welche Daten nach den §§ 45d und 45e des Einkommensteuergesetzes an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt worden sind.

Im Klartext kann das Jobcenter abgleichen, ob der Leistungsempfänger gleichzeitig eine Rente oder Einkommen aus einer Beschäftigung bezogen hat und welche Kapitalerträge versteuert wurden, also sonstiges Einkommen oder Vermögen besteht.

Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung gerechtfertigt


Eine Klage gegen diesen Datenabgleich war in den ersten beiden Instanzen erfolglos. Der Arbeitslosengeld II beziehende Kläger unterlag nun auch vor dem Bundessozialgericht (BSG), das die Revision zurückwies.

Zwar stelle die Vorschrift des § 52 SGB II einen Eingriff in die informelle Selbstbestimmung dar. Die Vorschrift sei aber eine gesetzliche Grundlage im Sinne der datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Sozialrecht, die den Eingriff rechtfertige. Sie genüge dem Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Datenabgleiche dienten der Vermeidung von Leistungsmissbrauch und damit einem Gemeinwohlbelang, dem eine erhebliche Bedeutung zukomme. Die persönliche Sphäre des Leistungsempfängers sei demgegenüber nur gering betroffen, da nur einzelne Daten abgeglichen werden. Der SGB II-Bezieher müsse deshalb den Datenabgleich des Jobcenters hinnehmen, so das BSG.

Anmerkung der Redaktion zum automatisierten Datenabgleich

Zum Zweck der Missbrauchskontrolle wurde die Bundesagentur für Arbeit befugt, Daten über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Empfänger von Arbeitslosengeld II durch Auskunftsersuchen gegenüber bestimmten anderen Leistungsträgern und bestimmten anderen Stellen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Missbrauchskontrolle umfasst dabei den unberechtigten Doppelbezug, das unbewusste oder bewusste Verschweigen vorhandenen Vermögens oder erzielter Einnahmen aus Erwerbstätigkeit oder Rentenbezug.
Dies ist soweit sicher richtig und wichtig. Allerdings sollte sich die Kontrolle doch auf Fälle beziehen, in denen sich überhaupt ein Grund für eine Überprüfung ergibt. Die regelmäßige Überprüfung im Wege des automatisierten Datenabgleichs überzieht unserer Ansicht nach das Maß des Notwendigen.

Die Neuregelung der Leistungen für Arbeitssuchende zu Januar 2005 stand unter dem (inoffiziellen) Motto: Kampf dem Leistungsmissbrauch. Dies führte nach unseren Erfahrungen und Berichten Betroffener dazu, dass vom Grundsatz her erst mal alle Leistungsempfänger als potentielle Betrüger eingestuft werden. Diese Tendenz des Generalverdachts ist mehr als bedauerlich. Umso bedauerlicher, dass das BSG dies untermauert, indem es die Persönlichkeitsrechte der Leistungsbezieher weitaus geringer schätzt als den Gemeinwohlbelang der Vermeidung von Leistungsmissbrauch.

Die Pressemitteilung des BSG zum Urteil vom 24.04.2015 kann hier eingesehen werden