Kostenlose Betriebsverpflegung ist pauschal auf Einkommen anzurechnen. Copyright by Adobe Stock/Africa Studio
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Der Kläger, der aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezog, erhielt von seinem Arbeitgeber unentgeltliche Verpflegung. Das Jobcenter (JC) berücksichtigte dies mit täglich 1% des Regelsatzes als Einkommen.


Da der Kläger die unentgeltliche Verpflegung nicht in Anspruch nahm, widersprach er der Entscheidung des JC. Nachdem sein Widerspruch erfolglos blieb, erhob er Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart.

 

 

Kein rechtswidriger Eingriff in Selbstbestimmungsrecht

Das SG wies die Klage ab. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 5 ALG II-VO, so die Stuttgarter Sozialrichter*innen, komme es nur darauf an, ob unentgeltliche Verpflegung vom Arbeitgeber "bereitgestellt" werde.


Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verbunden habe. Denn der Gesetzgeber habe durch die Pauschalierung vermeiden wollen, dass das JC jeweils ermitteln müsse, ob und gegebenenfalls wie oft ein Leistungsempfänger die unentgeltliche Verpflegung tatsächlich in Anspruch genommen hat.


Auch greife die Vorschrift nicht in rechtswidriger Weise in das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsberechtigten ein: Wenn ein Leistungsempfänger sich durch die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Verpflegung in seiner Entscheidung für eine bestimmte Ernährungsweise beeinträchtigt fühle, obliege es ihm, seinen entsprechenden Anspruch arbeitsvertraglich abzubedingen oder gegenüber dem Arbeitgeber darauf zu verzichten.
 
Hier geht es zur Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. März 2019, Az: S 12 AS 4117/18

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des Stuttgarter Sozialgerichts gibt wieder einmal zu erkennen, dass manche Gerichte zu sehr an den Buchstaben von Gesetzen und Verordnungen kleben. Unstreitig ist es, dass der Kläger die vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestellte Verpflegung nicht in Anspruch nahm.

Wenn dies auch von dem Arbeitgeber bestätigt wird, kann man unschwer zu dem Ergebnis kommen, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien Einigkeit darüber bestand, dass der Kläger auf die kostenlose Zurverfügungstellung der vom Arbeitgeber gestellten Verpflegung verzichtet hat. Eine solche, stillschweigende Vereinbarung – die arbeitsrechtlich unproblematisch möglich ist - , wollte das SG jedoch nicht annehmen.

Um bei der Berechnung des Einkommens für Grundsicherung die unentgeltlich vom Arbeitgeber bereitgestellte Verpflegung unberücksichtigt zu lassen, hätte der Kläger, so das Gericht, seinen entsprechenden Anspruch arbeitsvertraglich abbedingen oder gegenüber dem Arbeitgeber darauf verzichten können. Das aber ist reine Förmelei!

Rechtliche Grundlagen

§ 2 Abs. 5 ALG II-VO

Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V)
§ 2 Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit
(1) Bei der Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) ist von den Bruttoeinnahmen auszugehen.
(2) (weggefallen)
(3) (weggefallen)
(4) (weggefallen)

f:(5) Bei der Berechnung des Einkommens ist der Wert der vom Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung mit täglich 1 Prozent des nach § 20 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch maßgebenden monatlichen Regelbedarfs anzusetzen. Wird Teilverpflegung bereitgestellt, entfallen auf das Frühstück ein Anteil von 20 Prozent und auf das Mittag- und Abendessen Anteile von je 40 Prozent des sich nach Satz 1 ergebenden Betrages. :f

(6) Sonstige Einnahmen in Geldeswert sind mit ihrem Verkehrswert als Einkommen anzusetzen.
(7) Das Einkommen kann nach Anhörung geschätzt werden, wenn
1.
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einmalig oder für kurze Zeit zu erbringen sind oder Einkommen nur für kurze Zeit zu berücksichtigen ist oder
2.
die Entscheidung über die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Einzelfall keinen Aufschub duldet.