Keine fiktive Bemessung des Arbeitslo
Keine fiktive Bemessung des Arbeitslo

Nach dem Ende ihrer Schulzeit trat die 1988 geborene Klägerin im August 2007 beim Deutschen Roten Kreuz ein freiwillige Soziale Jahr (FSJ) an. Sie bekam für das ganze Jahr eine Vergütung in Höhe von 2460 €. Zusätzlich stellte die Einrichtung ihr Unterkunft und Verpflegung.

Das freiwillige Soziale Jahr (FSJ) endete am 26. 08. 2008. Die Klägerin war danach arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das die Bundesagentur für Arbeit ihr in Höhe von 3,19 € pro Tag bewilligte.

Am 01.10.2008 nahm die Klägerin ein Studium auf.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht Magdeburg wollte die Klägerin erreichen, dass sie für die Zeit vom 08.09.2008 bis zum 30.09.2008 ein höheres Arbeitslosengeld bekommt.

Entscheidung des Sozialgerichts

Das Sozialgericht Magdeburg änderte den Bewilligungsbescheid ab. Statt 3,19 € pro Tag sei der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 7,51 € pro Tag zu bezahlen. Der Grund dafür sei, dass die Bundesagentur für Arbeit neben der Vergütung in Höhe von 2460 € auch Sachbezüge wie Verpflegung und Unterkunft berücksichtigen müsse.

Entscheidung des Landessozialgerichts

Das Landessozialgericht Halle wies die Berufung der Klägerin zurück, ließ aber die Revision zum Bundessozialgericht zu.

Revision der Klägerin

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Berechnung der Höhe ihres Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei. Schließlich seien weder das ihr gewährte Taschengeld in Höhe von 2460 € noch die Sachleistungen für Verpflegung und Unterkunft Arbeitsentgelt im Sinne der Vorschriften über die Bemessung von Arbeitslosengeld. Sie sei also einer zuzuordnen, die der Qualifikation entspricht, die für ihre tatsächliche Tätigkeit erforderlich ist. Die für diese Qualifikationsgruppe übliche Vergütung sei für die Bemessung ihres Arbeitslosengeldes zugrunde zu legen.

Entscheidung des Bundessozialgerichts

Ebenso wie die Vorinstanzen ist das Bundessozialgericht der Meinung, dass Sachleistungen wie Unterkunft und Verpflegung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen sind.

Die Voraussetzungen dafür, der Bemessung ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, hält das Bundessozialgericht aber nicht für gegeben. Die Klägerin habe Regel-Arbeitsentgelt erhalten, weil sie verpflichtet war, die Weisungen der Einsatzstelle zu befolgen und die ihr übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Wenn die Klägerin aber Regel-Arbeitsentgelt erhalten hat, ist für ein fiktives Arbeitsentgelt kein Raum.
Damit blieb es für die Klägerin bei einem Arbeitslosengeld in Höhe von 7,52 € pro Tag.

Terminbericht des Bundessozialgerichts vom 23.2.2013 in der Sache B 11 AL 1/16 R :

Die Revision der Klägerin war unbegründet. Das Landessozialgericht hat zutreffend das Urteil des Sozialgericht bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, denn die Klägerin hat für die Zeit vom 8.9. bis 30.9.2008 keinen höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld.

 

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.  Insbesondere erfüllt sie die Anwartschaftszeit, denn sie stand während ihrer Tätigkeit im "freiwilligen sozialen Jahr" in einem Versicherungspflichtverhältnis.

 

Der Gesetzgeber hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine Tätigkeit nach Maßgabe des Gesetzes über ein freiwilliges soziales Jahr vom Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung umfasst sehen will. Er hat die Tätigkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt. Aus den Regelungen über Entsendung und des europäischen Koordinierungsrechts ergibt sich nichts anderes.

 

Auf die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin findet deutsches Arbeitslosenversicherungsrecht Anwendung, weil sie nach § 4 Abs 1 SGB IV zeitlich begrenzt ins Ausland entsandt war. Der Anwendbarkeit deutschen Sozialrechts stehen auch keine Bestimmungen des Unionsrechts entgegen.

 

Zutreffend hat das Landessozialgericht auch entschieden, dass die Klägerin für die Zeit vom 8.9.2008 bis zum 30.9.2008 Anspruch auf Alg in Höhe von 7,51 Euro/täglich hat.

 

Das Ziel der Klägerin, der Bemessung des Alg ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, findet im Gesetz keine Grundlage. Denn im Bemessungszeitraum hat sie beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Form von Taschengeld in Höhe von 2460,00 Euro sowie Sachleistungen erhalten. Der Wert des Mittagessens ist mit monatlich 80 Euro zu berücksichtigen. Der Wert der gestellten Unterkunft ist mit monatlich 198 Euro anzusetzen.

 

Die Regelung über die fiktive Bemessung setzt voraus, dass kein Arbeitsentgelt erzielt wurde - anders als hier -.

 

Sozialgericht Magdeburg - S 20 AL 5/09

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 2 AL 72/13

Bundessozialgericht - B 11 AL 1/16 R -

Rechtliche Grundlagen

§ 152 Sozialgesetzbuch III

§ 152 Sozialgesetzbuch III - Fiktive Bemessung
(1) Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. In den Fällen des § 142 Absatz 2 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass ein Bemessungszeitraum von mindestens 90 Tagen nicht festgestellt werden kann.
(2) Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist die oder der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für die Arbeitslose oder den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die
1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,
2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer
vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,
3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße,
4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.