Schon ein kleiner Fehler bei der Antragstellung kann einen das Arbeitslosengeld kosten. © Adobe Stock: Yuliia
Schon ein kleiner Fehler bei der Antragstellung kann einen das Arbeitslosengeld kosten. © Adobe Stock: Yuliia

Nach dreieinhalb Jahren Zeitrente zahlte die Rentenversicherung nicht mehr weiter. Der Versicherte sei wieder in der Lage, mehr als 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu arbeiten, hieß es in deren Ablehnungsbescheid. Der Mann aus Trier sah sich jedoch nicht in der Lage, wieder zu arbeiten und stritt um die Weitergewährung seiner Zeitrente.

 

Doch wovon sollte er nun leben?

 

Er beantragte Arbeitslosengeld. So ganz ohne weiteres wollte die Agentur für Arbeit jedoch nicht zahlen und fragte genau nach.

 

Die Nahtlosigkeitsregelung

 

Es handele sich um einen Verdachtsfall des § 145 SGB III, heißt es in den Verwaltungsakten der Agentur für Arbeit.

 

Danach hat auch eine Person Anspruch auf Arbeitslosengeld, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den allgemein üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausüben kann (sog. Nahtlosigkeitsregelung). Der Rentenversicherungsträger ist dabei zuständig für die Feststellung, ob eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt.

 

Eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit

 

Der Mann hatte sich am 1.10.2020 arbeitslos gemeldet. Bis Ende Oktober 2020 war vom behandelnden Arzt Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Auf Nachfrage der Agentur für Arbeit bestätigte der Arzt eine Belastbarkeit seines Patienten von maximal 2 Stunden pro Tag. Die von der Agentur für Arbeit eingeholte gutachterliche Stellungnahme ergab demgegenüber eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Betroffenen und bestätigte damit die Feststellungen der Rentenversicherung.

 

Mitte November 2020 fragte der Kläger bei einem Mitarbeiter der Agentur für Arbeit telefonisch nach, warum diese nun ein Vermittlungsgespräch vorsehe, wo er doch weiter arbeitsunfähig sei. Dem Mann wurden daraufhin telefonisch das Ergebnis des eingeholten Gutachtens und die Voraussetzungen der Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 145 SGB III im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung erläutert.

 

Dem dazu festgehaltenen Gesprächsvermerk lässt sich entnehmen, dass der Mann sich der Ansicht des ärztlichen Dienstes nicht anschließen konnte und sich dabei auf die Aussage seines Hausarztes bezogen haben soll.

 

Nachdem die Agentur für Arbeit weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Folgezeitraum erreichten kam es zur Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Arbeitslosengeld.

 

Die Überlegungen des Sozialgerichts

 

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Anspruch auf Arbeitslosengeld haben nur, wer arbeitslos sei, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt habe, so das Sozialgericht im Urteil. Der Kläger habe sich zwar persönlich arbeitslos gemeldet. Er erfülle auch die erforderliche Anwartschaftszeit. Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld seien demgegenüber nicht gegeben.

 

Der Kläger sei beschäftigungslos, es mangele jedoch an der erforderlichen Verfügbarkeit.

 

Das Gesetz unterscheide zwischen objektiven und subjektiven Bedingungen der Verfügbarkeit. Objektive Bedingungen seien unabhängig vom Willen des*der Beschäftigungslosen zu beurteilen. Subjektive Bedingungen zielten demgegenüber auf die Bereitschaft ab, eine Beschäftigung aufzunehmen bzw. an einer Maßnahme teilzunehmen.

 

Objektive und subjektive Verfügbarkeit

 

Objektiv verfügbar sei, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende, zumutbare Beschäftigung unter den Bedingungen des für ihn*sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben könne und dürfe. Weiter müsse es möglich sein, den Vorschlägen der Agentur zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten.

 

In subjektiver Hinsicht sei die Bereitschaft gefordert, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende, zumutbare Beschäftigung auszuüben bzw. an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

 

Beim Kläger bestehe grundsätzliche Leistungsfähigkeit. Das habe die Einschätzung des Rentenversicherungsträgers ergeben und die gutachterliche Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit bestätigt.

 

Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall

 

Dieser grundsätzlichen objektiven Verfügbarkeit des Klägers stehe jedoch dessen fortdauernde Arbeitsunfähigkeit entgegen. Einen Anspruch auf Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall durch die Agentur für Arbeit habe der Kläger nicht.

 

Nach dem Gesetz verliere derjenige, der während des Bezuges von Arbeitslosengeld infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig werde, nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit für eine Dauer von bis zu sechs Wochen (Leistungsfortzahlung). Dabei müsse das Hindernis der Verfügbarkeit, die „Krankheit" während des Bezugs von Arbeitslosengeld eintreten.

 

Das sei nur der Fall, wenn für die Zeit vor dem Eintritt des Verfügbarkeitshindernisses ein realisierbarer Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld entstanden sei. Genau dies sei im Fall des Klägers nicht gegeben.

 

Die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

 

Neben der konkreten objektiven Verfügbarkeit fehle es auch an der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers. Mit Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe der Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht, keine Beschäftigungen von wenigstens 15 Stunden wöchentlich ausüben zu wollen. Im Telefonat anlässlich des vorgesehenen Vermittlungsgespräches habe der Kläger ausdrücklich auf die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hingewiesen.

 

Die Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III greife nicht. Nach Kenntnis des ablehnenden Bescheides des Rentenversicherungsträgers sei die Agentur für Arbeit nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen, die Leistungsfähigkeit des Klägers und damit dessen objektive Verfügbarkeit zu ermitteln.

 

Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger demnach objektiv verfügbar gewesen sein dürfte, stehe der Zahlung des Arbeitslosengeldes die fehlende subjektive Verfügbarkeit des Klägers entgegen.

 

Das Gesetz enthalte eine Ausnahme zu den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld nur insoweit, als die betreffende Person eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausüben könne, weil sie dazu gesundheitlich nicht in der Lage sei, und zwar für die voraussichtliche Dauer von mehr als sechs Monaten. Die übrigen Voraussetzungen der subjektiven Verfügbarkeit müssten dem gegenüber auch im Rahmen der Ratlosigkeitsregelung erfüllt sein.

 

Nach Auffassung des Gerichts war das beim Kläger gerade eben nicht der Fall. Seine grundsätzliche Leistungsfähigkeit hatten Rentenversicherungsträger und Gutachter der Agentur für Arbeit festgestellt.

 

Notwendige Rechtsberatung

 

Was bleibt, sind Arbeitslosengeld II oder Grundsicherungsleistungen. Der Fall zeigt, dass die Hürden für die Gewährung von Arbeitslosengeld bei gleichzeitigem Rechtsstreit über eine Erwerbsminderungsrente hoch sind.

 

Wer kennt sich da schon aus?

 

Wir empfehlen, in einer solchen Situation vor Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit dringend, Rechtsrat einzuholen. Den bietet die DGB Rechtsschutz GmbH bundesweit und kostenfrei allen Mitgliedern von Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund.

 

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Trier.

Rechtliche Grundlagen

§ 145 SGB III

§ 145 Minderung der Leistungsfähigkeit
(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Feststellung, ob eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Kann sich die leistungsgeminderte Person wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich arbeitslos melden, so kann die Meldung durch eine Vertreterin oder einen Vertreter erfolgen. Die leistungsgeminderte Person hat sich unverzüglich persönlich bei der Agentur für Arbeit zu melden, sobald der Grund für die Verhinderung entfallen ist.
(2) …