Das Jobcenter machte auch vor eingezogenem Einkommen der in Privatinsolvenz lebenden Rentnerin nicht halt. © Adobe Stock: Robert Kneschke
Das Jobcenter machte auch vor eingezogenem Einkommen der in Privatinsolvenz lebenden Rentnerin nicht halt. © Adobe Stock: Robert Kneschke

Der Berliner Kläger lebte in einer Bedarfsgemeinschaft mit einer Rentnerin. Neben Arbeitslosengeld für einen Zwischenzeitraum erzielte er ein Einkommen von 1.500 € und bezog auch Kindergeld.

 

Die Rentnerin erhielt eine Altersrente. Neben der Altersrente wurde ihr auch eine Betriebsrente gewährt. Wegen einer Privatinsolvenz behielt der Insolvenzverwalter jedoch einen großen Teil der Betriebsrente ein. Vom restlichen Betrag gingen verschiedene Versicherungen sowie der Gewerkschaftsbeitrag ab.

 

Das Jobcenter wollte nicht zahlen

 

Der Kläger beantragte beim Jobcenter für sich und sein Kind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Das Jobcenter lehnte ab. Die Bedarfsgemeinschaft erziele hinreichend bedarfsdeckendes Einkommen. Auf den eingelegten Widerspruch stellte der Beklagte klar, der Kläger sei nicht hilfebedürftig. Das anzurechnende Einkommen reiche zur Bedarfsdeckung der gesamten Bedarfsgemeinschaft aus. Zu dem Einkommen zählte der Beklagte die Rente der Lebensgefährtin des Klägers in voller Höhe. Da in der Bedarfsgemeinschaft auch ein Kind lebte, wurde das Kindergelt ebenfalls berücksichtigt.

 

Die Jurist:innen aus dem DGB Rechtsschutzbüro Berlin hielten dem entgegen, der Rentenbezug dürfe nur in der Höhe berücksichtigt werden, wie er tatsächlich als bereites Mittel zur Verfügung gestanden habe. Der Beklagte müsse außerdem weitere Freibeträge berücksichtigen.

 

Das Sozialgericht hielt die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig

 

Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig, entschied das Gericht. Nach § 9 Abs. 1 SGB II sei das der Fall bei einer Person, die ihren Lebensunterhalt, ihre Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden, weiteren Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte.

 

Das Gericht rechnete den Bedarf des Klägers genau aus und stellte dem ein zu berücksichtigendes, eigenes Einkommen von rund 1.100 € gegenüber. Dieser Betrag war nicht durch anzurechnenden Einkommen gedeckt, stellt es anschließend fest. Nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Davon abzuziehen sind nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahme.

 

Zu den abzuziehenden Einnahmen nach § 11b SGB II zählen beispielsweise Steuern, Versicherungsbeiträge, geförderte Altersvorsorgebeiträge, Aufwendungen für Unterhaltsverpflichtungen oder auch BAföG. Nicht berücksichtigt werden dürfen nach § 11a SGB II z.B. SGB-II-Leistungen, Grundrenten, Aufwandspauschalen und -entschädigungen Mutterschaftsgeld oder auch Erbschaften.

 

Nur der tatsächliche Rentenbezug zählt

 

Nach dem Sozialgesetzbuch II habe der Beklagte grundsätzlich das Recht, auch das Einkommen der Rentnerin, die mit dem Kläger in einer Bedarfsgemeinschaft lebe, anzurechnen – so das Sozialgericht. Als Einkommen zu berücksichtigen sei jedoch nur der Rentenbezug abzüglich der wegen der Privatinsolvenz einbehaltenen Anteile. Trete während der Wohlverhaltensphase eines Insolvenzverfahrens der Schuldner dem Treuhänder Forderungen ab, lägen keine bereiten Mittel im Sinne des Sozialrechts vor. So hatten die Jurist:innen aus Berlin auch argumentiert. Das Jobcenter dürfe lediglich die tatsächlich an die Rentnerin ausgezahlten Beträge berücksichtigen.

 

Hinzu komme, dass bei der Anrechnung von Rentenleistungen als Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II grundsätzlich die für die Sozialhilfe geltenden Maßstäbe des Sozialgesetzbuches XII (SGB XII) heranzuziehen seien. Es müsse dabei sichergestellt werden, dass die Rentnerin ihr nach dem Sozialhilferecht definiertes, eigenes Existenzminimum erhalte. Insofern gelte ein Günstigkeitsprinzip.

 

Das Günstigkeitsprinzip gibt den Ausschlag

 

Im Fall des Klägers sei eine Berechnung nach den Kriterien des SGB XII (Sozialhilferecht) günstiger als diejenige nach dem Recht zur Sicherung des Lebensunterhaltes aus dem SGB II. Nach dem SGB XII würden nämlich die Betriebsrente und die Sterbegeldversicherung der Rentnerin zur allgemein geltenden Versicherungspauschale als Freibeträge hinzukommen.

 

Der Kläger bekam daher in beiden Streitpunkten Recht. Nur den tatsächlichen Rentenbetrag der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Rentnerin durfte das Jobcenter anrechnen und darüber hinaus war ein höherer Freibetrag zu berücksichtigen. Bleibt noch anzumerken, dass der Betroffene inzwischen wieder ein eigenes Einkommen erzielt, das zum Lebensunterhalt ausreicht.

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 11a SGB I; § 11b SGB II

§ 11a Nicht zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind
1. Leistungen nach diesem Buch,
2. die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
3. die Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz,
4. Aufwandspauschalen nach § 1878 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kalenderjährlich bis zu dem in § 3 Nummer 26 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes genannten Betrag,
5. Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die nach § 3 Nummer 12, Nummer 26 oder Nummer 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese Einnahmen einen Betrag in Höhe von 3 000 Euro im Kalenderjahr nicht überschreiten,
6. Mutterschaftsgeld nach § 19 des Mutterschutzgesetzes
7. Erbschaften.
(2) Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
(3) Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen. Abweichend von Satz 1 sind als Einkommen zu berücksichtigen
1. die Leistungen nach § 39 des Achten Buches, die für den erzieherischen Einsatz erbracht werden,
a) für das dritte Pflegekind zu 75 Prozent,
b) für das vierte und jedes weitere Pflegekind vollständig,
2. die Leistungen nach § 23 des Achten Buches,
3. die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie vergleichbare Leistungen der Begabtenförderungswerke; § 14b Absatz 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bleibt unberührt,
4. die Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Buch mit Ausnahme der Bedarfe nach § 64 Absatz 3 Satz 1 des Dritten Buches sowie
5. Reisekosten zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 127 Absatz 1 Satz 1 des Dritten Buches in Verbindung mit § 73 des Neunten Buches.
(4) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie die Lage der Empfängerinnen und Empfänger nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
(5) Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit
1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder
2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
(6) Überbrückungsgeld nach § 51 des Strafvollzugsgesetzes oder vergleichbare Leistungen nach landesrechtlichen Regelungen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
(7) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden. Satz 1 gilt nicht für eine Ausbildungsvergütung, auf die eine Schülerin oder ein Schüler einen Anspruch hat.

§ 11b Absetzbeträge
(1) Vom Einkommen abzusetzen sind
1. auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge
a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind,
b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden,
4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Absatz 3,
7. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,
8. bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.
Bei der Verteilung einer einmaligen Einnahme nach § 11 Absatz 3 Satz 4 sind die auf die einmalige Einnahme im Zuflussmonat entfallenden Beträge nach den Nummern 1, 2, 5 und 6 vorweg abzusetzen.