Wer bei einer langen Kündigungsfrist aufs Gas drücken will, sollte gut informiert sein. © Adobe Stock - Von freshidea
Wer bei einer langen Kündigungsfrist aufs Gas drücken will, sollte gut informiert sein. © Adobe Stock - Von freshidea

Neumann ist Betriebsratsmitglied und mit seinem Arbeitgeber total zerstritten. Sein Chef will ihn fristlos kündigen. Das kann er nur, wenn er erstens einen wichtigen Grund hat und zweitens, es ihm gelingt, vom Betriebsrat hierzu die Zustimmung zu erlangen. Falls der Betriebsrat die Zustimmung verweigert, besteht die Möglichkeit Klage beim Arbeitsgericht auf Ersetzung dieser Zustimmung einzureichen.

 

Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht

Das hat Neumanns Chef durchlaufen und man sitzt sich dann beim Arbeitsgericht gegenüber. Neumann ist zermürbt. Er merkt schon gesundheitliche Auswirkungen durch den andauernden Streit und will nur noch raus.

 

Der Arbeitgeber bietet drei Monate Kündigungsfrist ab dem Gerichtstermin und eine Abfindung von 40.000 € brutto an. Obwohl die Kündigung dann zu Ende 2020 wirkt und seine Kündigungsfrist fünf Monate beträgt, nimmt Neumann noch im Gerichtstermin das Angebot an. Die gewählte Kündigungsfrist ist damit zwei Monate zu kurz.

 

Agentur für Arbeit prüft Sperrzeit

Dass damit der Ärger nicht ausgestanden ist, hat Neumann nicht bedacht. Die Agentur für Arbeit prüft eine Sperrzeit. Was hätte diese für Neumann für Folgen? Neumann ist Ende 50 und hätte damit einen Anspruch auf 720 Tage, also zwei Jahre Arbeitslosengeld. Bei einer Sperrzeit -  das kennt man - bekommen Arbeitslose drei Monate kein Arbeitslosengeld. Weniger bekannt ist, dass der Gesamtanspruch sich um ein Viertel verkürzt. Bei einem Arbeitslosengeldanspruch von einem Jahr wirkt sich das nicht weiter aus, drei Monate Sperrzeit sind ein Viertel des Anspruchs, aber bei Neumanns längeren Anspruch betrüge die Kürzung insgesamt sechs Monate.

 

Zum Glück hatte er seinen Hausarzt als Unterstützung, der ihm schon vorher geraten hatte, das für ihn ungesunde Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Agentur für Arbeit verzichtete sodann auf die Verhängung einer Sperrzeit

 

Arbeitslosengeldanspruch ruht

Durch das Ruhen des Anspruchs auf das Arbeitslosengeld wird der Anspruch für eine bestimmte Zeit hinausgeschoben. Fast sieben Monate will die Agentur für Arbeit kein Arbeitslosengeld zahlen. Neumann hat sich ja quasi die Kündigungsfrist abkaufen lassen, und das hat Folgen. Für einen bestimmten Zeitraum muss er dann von der Abfindung leben.

Das berechnet sich gem. § 158 SGB III wie folgt:

Durch Alter und Betriebszugehörigkeit wird ein Prozentsatz ermittelt. Je jünger und je kürzer beschäftigt desto höher der Prozentsatz der Abfindung, der verbraucht werden muss. Zwischen 25 und 60 % der Abfindung müssen verbraucht werden. Bei Neumann sind es 40 % von 40.000 = 16.000 €. Er verdient 2.400 brutto dividiert durch 30 Tage pro Monat = 80 € täglicher Verdienst. Abfindung 16.000 € dividiert durch den täglichen Verdienst von 80 € = 200 Tage, also fast sieben Monate.

 

Das Ruhen ist damit länger als die ordentliche Kündigungsfrist.

 

 

Unkündbarkeit verlängert Zeitraum

 

Die Agentur für Arbeit wertet die Betriebsratstätigkeit so, als hieße dies Neumann sei unkündbar und kommt so zu einer fast siebenmonatigen Ruhenszeit. Anders als bei der Sperrzeit verkürzt sich der Anspruch nicht, aber sieben Monate erst mal kein laufendes Geld, das will er nicht hinnehmen.

Da Neumann hofft, demnächst wieder einen Job zu bekommen, hilft ihm die Verschiebung nach hinten nicht.

 

Ein zeitlich unbegrenzter Kündigungsausschluss ist nur dann gegeben, wenn das Recht des Arbeitgebers zu einer ordentlichen Kündigung dauerhaft ausgeschlossen ist. Bei einem Wahlamt mit einer gewissen Laufzeit und einem begrenzten nachwirkenden Kündigungsschutz ist das nicht der Fall.

Neumann ist deshalb im Verfahren gegen die Arbeitsagentur erfolgreich. Das Ruhen dauerte nur so lange wie die Kündigungsfrist lief, also hier statt fast sieben Monate nur zwei. Ab dem ersten März 2021 erhielt Neumann dann Arbeitslosengeld.

Krankenkasse will Versicherungsbeiträge für die Zeit des Ruhens

Neumann bekommt von der Kasse einen Beitragsbescheid, er soll sich für die zwei Monate freiwillig versichern und Beiträge zahlen.

Das sieht er nicht ein, seine Ehefrau ist Arbeitnehmerin und als solche pflichtversichert. Da muss es doch möglich sein, dass er sich beitragsfrei hierüber versichert. Er hat ja keine laufenden Einnahmen, so dass die Verdienstgrenze von monatlich 470 €, die hierfür ausschlaggebend ist, gar nicht erreicht wird.

 

Abfindung ist Einkommen

Die Familienversicherung ist geregelt in § 25 SGB XI. Seit 2019 werden auch Abfindungen quasi als Einkommen gerechnet, ebenso wie beim Ruhen nur ohne Freibetrag. Das heißt bei Neumann bei 80 € Verdienst pro Kalendertag, könnte er 40.000 : 80 = 500 Tage nicht in die Familienversicherung.

Dadurch, dass er ab März wieder durch den Bezug des Arbeitslosengeldes versichert ist, reduziert sich der Streit auf die zwei Monate.

 

Beflügelt durch seinen Erfolg bei der Agentur für Arbeit legt er Widerspruch ein und wartet erst einmal ab.

 

Krankenkasse lässt Kassenleistungen ruhen

Da er trotz Mahnungen in Verzug ist, teilt die Krankenkasse ihm mit, er könne jetzt keine Leistung mehr bekommen.

Das Angreifen von Beitragsbescheiden hat keine aufschiebende Wirkung, so dass die Kasse weitere Maßnahmen ergreifen kann. Da hilft nur schnelles Zahlen, damit er wieder normaler Kassenpatient ist. Und der Widerspruch ist aufgrund der seit 2019 geltenden Rechtslage am besten auch zurückzunehmen.

Das sagen wir dazu:

Eine schnelle Regelung vor den Arbeitsgerichten ist oft gut. Gerade, wenn emotional gestritten wird, und dies der Gesundheit schadet.

Dennoch kann die verlockende Abfindung gravierende sozialrechtliche Nachteile nach sich ziehen. Das kann sich immer noch lohnen, man muss aber die Nachteile kennen.

Rechtliche Grundlagen

§ 158 Sozialgesetzbuch Drittes Buch, § 25 Sozialgesetzbuch Elftes Buch

§ 158 Ruhen des Anspruchs bei Entlassungsentschädigung
(1) Hat die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei
1.
zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,
2.
zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.
Kann der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Hat die oder der Arbeitslose auch eine Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2) erhalten oder zu beanspruchen, verlängert sich der Ruhenszeitraum nach Satz 1 um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Leistungen, die der Arbeitgeber für eine arbeitslose Person, deren Arbeitsverhältnis frühestens mit Vollendung des 50. Lebensjahres beendet wird, unmittelbar für deren Rentenversicherung nach § 187a Absatz 1 des Sechsten Buches aufwendet, bleiben unberücksichtigt. Satz 6 gilt entsprechend für Beiträge des Arbeitgebers zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.
(2) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus,
1.
bis zu dem die oder der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte,
2.
an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte, oder
3.
an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.
Der nach Satz 2 Nummer 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 Prozent; er beträgt nicht weniger als 25 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate; § 150 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und Absatz 3 gilt entsprechend. Arbeitsentgeltkürzungen infolge von Krankheit, Kurzarbeit, Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht.
(3) Hat die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten oder zu beanspruchen, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(4) Soweit die oder der Arbeitslose die Entlassungsentschädigung (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Hat der Verpflichtete die Entlassungsentschädigung trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an die Arbeitslose, den Arbeitslosen oder an eine dritte Person gezahlt, hat die Bezieherin oder der Bezieher des Arbeitslosengeldes dieses insoweit zu erstatten.

§ 25 Familienversicherung
(1) Versichert sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn diese Familienangehörigen
1.
ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,
2.
nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 oder 11 oder nach § 20 Abs. 3 versicherungspflichtig sind,
3.
nicht nach § 22 von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 23 in der privaten Pflegeversicherung pflichtversichert sind,
4.
nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und
5.
kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches, überschreitet; bei Abfindungen, Entschädigungen oder ähnlichen Leistungen (Entlassungsentschädigungen), die wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Form nicht monatlich wiederkehrender Leistungen gezahlt werden, wird das zuletzt erzielte monatliche Arbeitsentgelt für die der Auszahlung der Entlassungsentschädigung folgenden Monate bis zu dem Monat berücksichtigt, in dem im Fall der Fortzahlung des Arbeitsentgelts die Höhe der gezahlten Entlassungsentschädigung erreicht worden wäre; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt.
§ 7 Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte sowie § 10 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches gelten entsprechend.
(2) Kinder sind versichert:
1.
bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres,
2.
bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind,
3.
bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes leisten; wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das 25. Lebensjahr hinaus; dies gilt auch bei einer Unterbrechung durch den freiwilligen Wehrdienst nach § 58b des Soldatengesetzes, einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einen vergleichbaren anerkannten Freiwilligendienst oder durch eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für die Dauer von höchstens zwölf Monaten; wird als Berufsausbildung ein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule abgeschlossen, besteht die Versicherung bis zum Ablauf des Semesters fort, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres; § 186 Absatz 7 Satz 2 und 3 des Fünften Buches gilt entsprechend,
4.
ohne Altersgrenze, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung (§ 2 Abs. 1 des Neunten Buches) außerstande sind, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, daß die Behinderung (§ 2 Abs. 1 des Neunten Buches) zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind innerhalb der Altersgrenzen nach den Nummern 1, 2 oder 3 familienversichert war oder die Familienversicherung nur wegen einer Vorrangversicherung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ausgeschlossen war.
§ 10 Abs. 4 und 5 des Fünften Buches gilt entsprechend.
(3) Kinder sind nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mitglieds nach § 22 von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 23 in der privaten Pflegeversicherung pflichtversichert ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach dem Fünften Buch übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist; bei Renten wird der Zahlbetrag berücksichtigt.
(4) Die Versicherung nach Absatz 2 Nr. 1, 2 und 3 bleibt bei Personen, die auf Grund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst oder Zivildienst oder die Dienstleistungen oder Übungen nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes leisten, für die Dauer des Dienstes bestehen. Dies gilt auch für Personen in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes.