Wann verfällt Urlaub? Copyright by AS Photo Project/Adobe Stock
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Die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes zur Frage des Verfalls von Urlaub hat viele Einzelprobleme offen gelassen. Mit einem dieser Probleme hatte sich das Arbeitsgericht Berlin zu befassen.
 

Abgeltung eines Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2016

Eine Verwaltungskraft war in der Zeit vom 23. Mai 2016 bis zum Ende Ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2018 arbeitsunfähig krank. Sie verlangte von ihrem Arbeitgeber, den Urlaub aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 abzugelten.
Der Arbeitgeber zahlte ihr den Urlaub für die Jahre 2017 und 2018 aus. Aber er weigerte sich, die 18 verbliebenen Urlaubstage aus dem Jahr 2016 abzugelten.
Einen Hinweis des Arbeitgebers darauf, wann ein Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2016 verfällt, gab es nicht.
 
Die Mitarbeiterin klagte beim Arbeitsgericht.

Argumentation des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber stützte seine Argumentation auf zwei Gesichtspunkte.

  • Zum einen vertrat er die Auffassung, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfalle ein Urlaubsanspruch bei andauernder Krankheit 15 Monate nach Ende des Jahres, in dem der Urlaub entstanden sei. Dies sei bei der Klägerin mit Ablauf des 31. März 2018 der Fall gewesen.

Richtig sei zwar, dass der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes verpflichtet sei, Arbeitnehmerinnen rechtzeitig klar darüber zu informieren, wann ihr Urlaubsanspruch verfalle. Das könne aber nur gelten, wenn sie ihren Urlaub tatsächlich auch nehmen können. Liege dagegen eine dauerhafte Erkrankung vor, sei ein entsprechender Hinweis nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar schädlich. Denn er dränge Arbeitnehmerinnen dazu, bei bestehender Arbeitsunfähigkeit Urlaub zu nehmen.
 

  • Zum anderen sei der Abgeltungsanspruch der Klägerin verfallen, weil sie die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen versäumt habe.

 

Verfall des Urlaubs trotz Missachtung der Hinweispflicht?

Das Arbeitsgericht Berlin schließt sich der Argumentation des Arbeitgebers nicht an. Es weist vielmehr darauf hin, dass für den Arbeitgeber im Jahr 2016 nicht absehbar gewesen sei, wie lange die Krankheit der Klägerin noch dauern werde. Denn er habe nichts vorgetragen, aus dem sich ergeben könne, dass bereits zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass eine mehrere Jahre dauernde Erkrankung vorliege. Auch wenn sich im Nachhinein eine ununterbrochene mehrjährige Arbeitsunfähigkeit herausgestellt habe, ändere sich daran nichts.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin reiche es auch nicht aus, mit dem Hinweis auf den Verfall von Urlaub bis zum ersten Tag nach Ende der Arbeitsunfähigkeit zu warten. Denn der Zweck der Hinweispflicht besteht darin, Arbeitnehmer*innen die Folgen nicht genommenen Urlaubs klarzumachen. Und ein solcher Hinweis könne ohne weiteres innerhalb einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit erfolgen.
 

Verfall des Urlaubs wegen der Ausschlussfristen?

Auch hier hat das Arbeitsgericht Berlin zugunsten der Klägerin entschieden. Die Klägerin habe zwar die im Vertrag vereinbarte zweistufige Ausschlussfrist nicht eingehalten. Dies sei aber unschädlich. Denn eine vertragliche Ausschlussfrist werde von der Verfallsregelung des Bundesurlaubsgesetzes in der Gestaltung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes verdrängt.
 

Ergebnis

Der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2016 ist nicht verfallen, weil der Arbeitgeber seine Hinweispflicht verletzt hat. Deshalb muss der Arbeitgeber die verbliebenen 18 Urlaubstage abgelten. Die Klägerin kann sich also über 1352,54 € freuen.

ArbG Berlin, Urteil vom 13.6.2019 – 42 Ca 3229/19