Ohne Hinweis des Arbeitgebers erlischt der Urlaubsanspruch nicht. Oder vielleicht doch? Copyright by Adobe Stock/Antonioguillem
Ohne Hinweis des Arbeitgebers erlischt der Urlaubsanspruch nicht. Oder vielleicht doch? Copyright by Adobe Stock/Antonioguillem

In den Fällen, die das BAG dem EuGH vorgelegt hat, kam die Rechtsprechung des EuGH zum Tragen, wonach der Urlaubsanspruch von Langzeiterkrankten nach 15 Monaten verfällt. Zu klären ist, ob die Rechtsprechung zur Mitwirkungsobliegenheit daran etwas ändert.
 

Urlaubsverfall bei Erwerbsminderungsrente

Im Fall des Landesarbeitsgerichts Hessen hatte ein Frachtfahrer auf Urlaub geklagt, der seitDezember 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht. Für das Jahr 2014 stünden ihm noch 34 Urlaubstage zu, da der Arbeitgeber ihn nicht auf den möglichen Verfall hingewiesen habe.
 
Sein Arbeitgeber beruft sich dagegen auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach der Verfall zum März des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres eintritt. Damit sei der Urlaub mit dem 31. März 2016 verfallen.
 
Da der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen außerstande gewesen ist, seinen Urlaub anzutreten, trete der Verfall 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres ein und zwar unabhängig davon, ob er als Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt habe.
 

Urlaubsverfall bei Dauerkrankheit

Im zweiten Fall, den zuvor das Landesarbeitsgericht Hamm beschäftigt hatte, war die Klägerin ab dem Jahr 2017 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der Anspruch für dieses Jahr würde also grundsätzlich zum 31. März 2019 verfallen.
 
Die Arbeitgeberin hatte sie während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit weder aufgefordert, ihre 14 Urlaubstage zu nehmen, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann.
 
Die Klägerin berief sich auf die Rechtsprechung zur Hinweispflicht und klagte auf die restlichen Urlaubstage aus dem Jahr 2017. Denn die Arbeitgeberin habe es unterlassen, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen.
 

Bundesarbeitsgericht legt die Rechtsfrage dem EuGH vor

In beiden Fällen entschieden die Gerichte gegen die Beschäftigten, der Urlaub sei jeweils nach Ablauf der 15 Monate erloschen. Eine Obliegenheit des Arbeitgebers, auf diesen Verfall hinzuweisen, habe nicht bestanden.
 
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes bedarf es nunmehr einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Denn sowohl die Entscheidung, dass Urlaub von Langzeiterkrankten erst nach 15 Monaten verfällt, als auch die neuere Rechtsprechung, wonach Arbeitgeber auf den Urlaubsverfall hinweisen müssen, basieren auf Entscheidungen des EuGH.
 
Entsprechend sei es auch Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union zu klären, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubsanspruchs nach Ablauf der 15-Monatsfrist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können.
 
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Pressemitteilungen des Bundesarbeitsgerichts
 
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Das sagen wir dazu:

Das Urlaubsrecht ist wie wenige andere Bereiche des Arbeitsrechts von EU-Recht geprägt. In wenigen anderen Bereichen hat die Rechtsprechung des EuGH die deutsche Rechtslage in ähnlicher Art und Weise verändert. Im Fall des Urlaubsrechts war dies für die Beschäftigten ein Segen.

Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen zum Urlaubsverfall. Nach deutscher Gesetzeslage tritt der Verfall zum Jahresende ein, schon die Übertragung bis zum 31. März des Folgejahres ist an weitere Bedingungen geknüpft.

Der EuGH hat zum einen entschieden, dass ein solcher Verfall jedenfalls dann nicht eintritt, wenn Beschäftigte langfristig erkrankt sind und ihren Urlaub deshalb nicht im Kalenderjahr nehmen können (Urteil vom 22. November 2011 C-214/10). Hier hat er eine Grenze von 15 Monaten gezogen, sodass der Verfall erst zum 31. März des Jahres erfolgt, das auf das Urlaubsjahr folgt.

15-Monats-Frist und Mitwirkungsobliegenheit

Zum anderen hat der EuGH in einer wegweisenden Entscheidung die sogenannte Mitwirkungsobliegenheit für Arbeitgeber geschaffen (Urteil vom 6. November 2018 – C-684/16). Der Arbeitgeber muss also von sich aus tätig werden, damit ein Verfall überhaupt eintreten kann. Er muss die Beschäftigten rechtzeitig und transparent darauf hinweisen, dass der Urlaub verfallen kann. Bleibt er untätig, bleiben die Urlaubsansprüche der Beschäftigten bestehen.

Arbeitgeber tuen sich also selbst einen Gefallen, wenn sie auf den Verfall hinweisen. Denn sonst können sie sich nicht auf diesen berufen. Besonders diese Entscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beschäftigten im Arbeitsverhältnis in der strukturell unterlegenen Position sind.

In der Fallkonstellation, wie sie das Bundesarbeitsgericht nun vorliegen hatte, treffen diese beiden Entscheidungen erstmals aufeinander. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage daher richtigerweise an die zuständige Stelle, nämlich den EuGH, weitergereicht. Dieser kann nun das Verhältnis der beiden Entscheidungen zueinander klären.

Rechtsprechung des EuGH zielt auf effektiven Urlaubsschutz

Die Vorinstanzen haben den Anspruch auf Urlaub jeweils verneint. Überzeugend ist dies nur bedingt. Hier wird man mehrere Konstellationen unterscheiden müssen: wenn eine Arbeitsunfähigkeit im laufenden Jahr eintritt und die Arbeitsfähigkeit nicht bis zum Ende des Jahres wiederhergestellt werden kann, so wäre es dem Arbeitgeber möglich gewesen, vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit auf einen möglichen Verfall hinzuweisen.

Er kann sich nicht auf die Arbeitsunfähigkeit berufen, da er ja zum Zeitpunkt des Hinweises nicht wissen konnte, ob nicht doch im Lauf des Jahres wieder Arbeitsfähigkeit eintritt. Denn der Urlaub verfällt ja erst zum Jahresende, dann wäre es für einen entsprechenden Hinweis ohnehin zu spät gewesen.

Besteht die Arbeitsunfähigkeit am Anfang des Jahres, so kann der Arbeitgeber selbst entscheiden, ob er zu diesem Zeitpunkt auf einen möglichen Verfall hinweist. Wenn die Arbeitsfähigkeit im Laufe des Jahres nicht wiederhergestellt wird, ist ein solcher Hinweis überflüssig, da der Beschäftigte den Urlaub ja ohnehin nicht nehmen kann. Spätestens jedoch, wenn im Laufe des Jahres die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt ist, muss der Arbeitgeber wieder auf den Verfall hinweisen.

Eine solche Betrachtung entspräche der Intention des EuGH, Arbeitnehmer möglichst umfassend in den Genuss des Jahresurlaubs kommen zu lassen. Denn nur, wenn die Mitwirkungsobliegenheit auch im Zusammenhang mit Langzeiterkrankten gilt, hat der Arbeitgeber hinreichend Veranlassung, rechtzeitig, möglichst schon zum Ende des Vorjahres, darauf hinzuwirken, dass die Beschäftigten ihren Urlaub nehmen.

Rechtliche Grundlagen

§ 7 Abs. 3 BUrlG

Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.