Das gefällt dem Mann nicht: Erst Kurzarbeit und dann auch noch der Urlaub gekürzt.  © Adobe Stock - bank215
Das gefällt dem Mann nicht: Erst Kurzarbeit und dann auch noch der Urlaub gekürzt. © Adobe Stock - bank215

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. November 2021 ging durch die Presse. Auch wir haben darüber berichtet.

 

Die Kurzarbeit kürzt den Urlaub 

 

In der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es:

 

"Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertige eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen."

 

Die Formulierung ist wichtig

 

Das Augenmerk ist dabei insbesondere auf die Formulierungen des Bundesarbeitsgerichts zu legen, wonach die die Kürzung nur bei ausgefallenen Arbeitszeiten aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit gelten. Wer also selbst der Kurzarbeit zugestimmt und diese mit dem Arbeitgeber einzelvertraglich vereinbart hat, muss die Konsequenzen der Kürzung des Jahresurlaubes tragen.

 

Aber wie ist es, wenn es keine ausdrückliche Zustimmung für die Kurzarbeit gibt? So lag der Fall beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.

 

Der vom DGB Rechtsschutzbüro Berlin vertretene Kläger arbeitet als Maschinenschlosser im Schichtsystem. Im Jahr 2013 hatte er einen Arbeitsvertrag unterschrieben, in dem es wörtlich heißt:

 

„Die Firma ist berechtigt, Kurzarbeit einseitig einzuführen, soweit dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist. Für die Dauer der Kurzarbeit mindert sich die Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit."

 

Der Arbeitgeber legte einseitig Kurzarbeit fest

 

Von April bis Mai 2020 ordnete der Arbeitgeber Kurzarbeit NULL an. Anschließend kürzte er den Jahresurlaub anteilig. Der Kläger war nicht einverstanden. Kurzarbeit und Teilzeitarbeit seien nicht miteinander vergleichbar, meinte er. Die Beklagte hielt die Kürzung für zulässig. Sie setzt die Kurzarbeit mit einem unbezahlten Sonderurlaub gleich.

 

Die Beklagte habe den Urlaubsanspruch zu Unrecht im Zusammenhang mit der Kurzarbeit NULL  gekürzt, entschied das Landesarbeitsgericht. Der gesetzliche Erholungsurlaub setze keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Eine Kürzung des gesetzlichen Jahresurlaubes könne der Arbeitgeber nur bei einer „willentlich“ herbeigeführten Aufhebung der Arbeitspflicht vornehmen. 

 

Das setzt eine übereinstimmende Erklärung oder Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in voraus.

 

Es gibt keine übereinstimmende Erklärung

 

Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, wonach die Firma berechtigt ist, Kurzarbeit einseitig einzuführen, soweit das aus betrieblichen Gründen erforderlich ist, stellt nach Überzeugung des Landesarbeitsgerichts keine Vereinbarung dar, die eine Kürzung des Jahresurlaubes zulässt.

 

Laut Vertrag sei nämlich keine Mitwirkungshandlung des Klägers notwendig gewesen, um Kurzarbeit einzuführen. Eine „willentlich" herbeigeführte Aufhebung der Arbeitspflicht durch ein aktives Zutun des Klägers habe es darüber hinaus auch tatsächlich nicht gegeben.

 

Die Beklagte habe die Kurzarbeit laut Arbeitsvertrag einseitig anordnen dürfen. Dass der Kläger der Kurzarbeit nicht widersprochen habe, bedeute nicht, dass er damit einverstanden gewesen wäre. 

 

Zustimmung nicht durch bloßes Schweigen

 

Auch ein passives Unterlassen sei keine „willentlich“ herbeigeführte Aufhebung der Arbeitspflicht. Grundsätzlich ziehe das Schweigen einer Vertragspartei keinerlei Rechtswirkungen nach sich. Davon gebe es zwar Ausnahmen. 

 

Dafür müsse das Schweigen ausnahmsweise darauf schließen lassen, dass ein rechtlich bindender Wille vorliegt. Das könnte der Fall sein, wenn die Parteien zuvor vereinbart hätten, dass das Schweigen auf ein Angebot als Annahme genüge oder sich aus laufenden Geschäftsverbindungen eine entsprechende Gepflogenheit ergebe.

 

Ein ausdrückliches Einverständnis des Klägers gebe es hier aber nicht. Der Arbeitsvertrag lasse vielmehr eine "einseitige" Anordnung des Arbeitgebers zu. 

 

Der Arbeitsvertrag enthält keine weiteren Rechtsfolgen

 

Selbst wenn der Kläger bei einer „Kurzarbeit Null“  mitgewirkt haben sollte und die Kurzarbeit auch seinem Willen entsprochen hätte, habe die Beklagte den Urlaubsanspruch nicht kürzen dürfen. Im Arbeitsvertrag heißt es nämlich, 

 

"für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die Vergütung im Verhältnis zur ausgefallenen Arbeitszeit." 

 

Weitere Regelungen hätten die Parteien nicht getroffen. Insofern sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, einseitig weitergehende Rechtsfolgen an die Kurzarbeit zu knüpfen.

 

Die Entscheidung wird voraussichtlich nicht rechtskräftig werden, sagt Curd Dunse vom Rechtsschutzbüro Berlin. Der Arbeitgeber kündigte an, Revision beim Bundesarbeitsgericht einzulegen. Das Gewerkschaftliche Centrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH wird den Kläger dort vertreten.

 

Hier geht es zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg