Ein gekündigter Arbeitnehmer unterliegt den gleichen Urlaubsabgeltungsregeln wie ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer. Die Verfallfristen des Bundesurlaubsgesetzes sind nicht anwendbar.

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?

 


Der Kläger war beim Beklagten seit dem 04.01.2008 als Operating-Manager beschäftigt. Im Kündigungsrechtsstreit der Parteien stellte das Arbeitsgericht im November 2008 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.07.2008 endete. Dem Kläger standen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls 16 Tage Urlaub zu. Mit einem Schreiben verlangte der Kläger im Januar 2009 vom Beklagten, diesen Urlaub abzugelten. Der Beklagte weigerte sich. Eine dagegen gerichtete Klage hat das zuständige ArbG abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

 

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

 


Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des BAG Erfolg. Der Abgeltungsanspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht am 31.12.2008 untergegangen. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt als reiner Geldanspruch unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes.


Der Kläger musste deshalb die Abgeltung seines Urlaubs nicht im Urlaubsjahr 2008 verlangen. Sachliche Gründe dafür, warum für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere Regeln für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten sollen als für einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, bestehen nicht. Der Senat hält daher auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, an der Surrogatstheorie nicht fest.

Die Befristung des § 7 Abs. 3 BUrlG galt nach bisheriger Senatsrechtsprechung grundsätzlich auch für den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs, weil der Abgeltungsanspruch als Ersatz (Surrogat) für den wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisierbaren Urlaubsanspruchs verstanden wurde. Dieser Anspruch ist aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben nach der neueren Rechtsprechung des Senats allerdings dann nicht ebenso wie der Urlaubsanspruch befristet, wenn der Arbeitnehmer über den Übertragungszeitraum hinaus arbeitsunfähig ist.

 

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

 

Die Entscheidung des BAG reiht sich in eine Vielzahl von Urteilen zur Frage nicht genommen Urlaubs ein.
Das Gericht war angesichts der Rechtsprechung des EuGH gehalten, seine Rechtsauffassung zu überdenken.
Nach dem BUrlbG ist der Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Eine Übertragung ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Heißt: Verfall der Urlaubsansprüche nach dem 31.03. des Folgejahres. Es sei denn, so die neue Rechtsprechung, der Arbeitnehmer war krank.
Vorliegend geht es nicht um die tatsächliche Urlaubsgewährung, sondern um die Abgeltung des Urlaubs. Der Arbeitnehmer konnte wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Urlaub nicht nehmen. Es geht also um Geld.
Das Gericht ist von der Surrogtastheorie abgerückt. Es wird damit nicht mehr daran festgehalten, dass der Abgeltungsanspruch Ersatz für den nichtgenommenen Urlaub wegen des Endes des Arbeitsverhältnisses ist. Damit fällt der Abgeltungsanspruch nicht unter die Frist des Urlaubsgesetzes.
Zu beachten ist aber, dass im entschiedenen Fall wohl keine arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen zum Tragen kamen. Das BAG hatte im Verfahren 9 AZR 352/10 am 9.08.2011 entschieden, dass für die Abgeltung sehr wohl die Ausschlussfristen zur Anwendung kommen.
Jedem Arbeitnehmer kann daher nur geraten werden, seine Ansprüche so schnell als möglich geltend zu machen.

 

 

Margit Körlings

DGB Rechtsschutz GmbH



Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 19.06.2012, Az: 9 AZR 652/10