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Neumann hat Anspruch darauf, einen Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung in Textform ausgehändigt zu bekommen. Dazu ist der Arbeitgeber nach dem Einkommensteuergesetz verpflichtet (§ 41b Abs. 1 S. 3 EStG).

 

Dem ist der Arbeitgeber nachgekommen. In der Schlussabrechnung fehlt jedoch die Urlaubsabgeltung.

 

Schnelle Korrektur ohne negative Folgen

Noch bevor Neumann sich zu seiner Gewerkschaft aufmacht, erhält er einen Anruf der Firma und die Info, es gäbe eine Korrektur. Die Korrektur erreicht ihn in den nächsten Tagen und auch das Restgeld sowie die geänderte Lohnsteuerbescheinigung und der Nachweis für die Sozialversicherung.

 

Glück gehabt, denn nur durch die schnelle Korrektur konnte die Firma das noch auf das Vorjahr buchen.

 

Höhere Steuer durch Nachzahlung erst im Folgejahr

Im Steuerrecht gilt das Zuflussprinzip. Nur bis etwa drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres können die Vorgänge noch auf das alte Jahr gebucht werden.

 

Neumann hatte wegen Arbeitsaufnahme in einer anderen Firma gekündigt. Das hat zur Folge, dass er in dem Monat, in dem noch der alte Arbeitgeber zahlt, quasi zwei Arbeitgeber hat, und somit die alte Firma über die ungünstige Steuerklasse VI abrechnet. Puh, da bleibt ja gar nichts über, denkt er.

 

Zu viel einbehaltene Einkommensteuer ist nicht weg

Anders als bei einbehaltener Sozialversicherung, ist die zu viel einbehaltene Einkommensteuer nicht weg. Die Steuereinbehalte während des Kalenderjahres sind Vorauszahlungen. Die Abrechnung kommt mit der Jahreserklärung. Bei der nächsten Steuererklärung wird vom Finanzamt ermittelt, wie viel Steuer Neumann tatsächlich für das Kalenderjahr zahlen muss. Hat er zu viel bezahlt, bekommt er eine Erstattung, muss er nachzahlen, ist diese Nachzahlung durch die zusätzlich einbehaltene Steuer reduziert.

 

Besser keine Klage gegen falsche Lohnsteuerbescheinigung

Neumann reicht es jetzt, es wurde hin- und her korrigiert und die letzte Dezemberabrechnung stimmt nicht mehr mit der Bescheinigung für das Finanzamt überein. Jetzt wird geklagt.

 

Neumann glaubt, da es um seine Arbeitspapiere geht, ist das Arbeitsgericht zuständig. Das stimmt aber nur für die Erteilung der Papiere, bei der gewünschten Korrektur wird es haarig. Die Arbeitsgerichte verweisen regelmäßig an die Finanzgerichte. Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 7.5.2013 – 10 AZB 8 /13) hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet, weil der Streit öffentlich-rechtlicher Natur sei. Umgekehrt meint der Bundesfinanzhof (das oberste Finanzgericht), wenn es im Kern um arbeitsrechtliche Fragen ginge, sei das Arbeitsgericht zuständig.

 

Neumann kommt sich vor wie beim Tischtennis - hin und her und was jetzt? Bei den Finanzgerichten hat Neumann auch noch ein Kostenrisiko und es ist fraglich, ob die einmal übermittelten Zahlen vom Arbeitgeber überhaupt noch korrigiert werden können.

 

Dem Finanzamt Beweismittel vorlegen

Der bessere Weg scheint über die Steuererklärung zu gehen. Neumann macht seine Einkommensteuererklärung. Er kann durch seine monatlichen Lohnabrechnungen beweisen, dass die Zahlen auf der letzten Abrechnung nicht denen auf der Lohnsteuerbescheinigung entsprechen. Vielleicht lässt sich sogar ein Tipp- oder Erfassungsfehler erkennen. Wenn alles nichts hilft, muss Neumann Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen.

 

Sozialversicherungsmeldung falsch

Neumann hat einen Anspruch darauf, dass er eine Kopie der Meldebescheinigung für das Vorjahr in Textform erhält (§ 28 a Abs. 5 SGB IV). Diese Meldebescheinigung ist auch wichtig. Darin wird der Bruttoverdienst im Kalenderjahr und der Zeitraum der Beschäftigung bestätigt. Die Daten liegen der späteren Rentenberechnung zugrunde.

 

Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt, sich bei Fehlern in der Meldebescheinigung an den Arbeitgeber zu wenden. Die Bereitschaft des Arbeitgebers zur Korrektur wurde durch das Gesetz etwas gefördert, denn der Arbeitgeber haftet gem. § 28a 1a SGB IV der Sozialversicherung gegenüber.

 

Sozialgerichte sind zuständig

Verweisen Gerichte Rechtsstreite an ein Gericht eines anderen Rechtszugs, weil sie glauben sachlich nicht zuständig zu sein, so besteht eine Bindungswirkung (§ 17a GVG). Das soll eine Verweisung nur in eine Richtung möglich machen und keine Zurückverweisung. Nur in einem dreisten Fall des Verschiebens, hat das Bundesarbeitsgericht (Az. 9 AS 2/18) diese Bindungswirkung durchbrochen.

Hier hatte der Kläger kurze Zeit als Arbeitnehmer gearbeitet, war aber vom Betrieb nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden. Er erhob Klage vor dem Sozialgericht Regensburg. Ohne wirkliche Begründung hat das Gericht den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen. Das Arbeitsgericht Regensburg hat mit seiner Entscheidung dem Vorgehen eine Absage erteilt. Es gehe klar um eine öffentlich-rechtliche Pflicht der Anmeldung gem. § 28a SGB IV und Zahlung, also sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zwingend. Dies bestätigte fix das BAG und das SG Regensburg hatte den Fall wieder zurück.

 

Ein weiteres Beispiel:

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Az. L 5 KR 81/18 B) hatte sich mit einem Streit um eine Anmeldung zur Sozialversicherung zu befassen und bejahte auch die Zuständigkeit der Sozialgerichte.

 

Arbeitsbescheinigung für die Agentur für Arbeit

Die Agentur für Arbeit benötigt bestimmte Angaben des Arbeitgebers um das Arbeitslosengeld berechnen zu können. Regelungen finden sich in § 312 SGB III. Neumann kann eine Klage auf Erteilung vor dem Arbeitsgericht erheben. Hier scheint durch die Rechtsprechung wenigstens geklärt, wer zuständig ist: für die Erteilung das Arbeitsgericht, für eine Berichtigung dann wieder das Sozialgericht.

 

Neumann sollte nicht klagen. Er sollte nachweisbar den Arbeitgeber auffordern, die Bescheinigung bis zu einem bestimmten Datum zu erstellen und ihm zukommen zu lassen.

Diese Schreiben legt er dann der Agentur für Arbeit vor. Er muss sich nicht auf den Klageweg verweisen lassen. Der Arbeitgeber ist zur Erteilung verpflichtet. Er begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 404 Abs. 2 Nr. 19 SGB III), wenn er vorsätzlich oder fahrlässig eine Arbeitsbescheinigung nicht ausstellt. Das Gleiche gilt für den Fall, dass eine Bescheinigung zwar ausgestellt wurde, der Inhalt aber fehlerhaft ist.

Spricht Neumann an, dass die Agentur doch Bußgelder verhängen kann, wird die Agentur nach unserer Erfahrung tätig. Auch kann Neumann, wenn er z.B. mit seinen Lohnabrechnungen einen Anspruch nachweisen kann, einen Vorschuss verlangen oder eine vorläufige Entscheidung.

 

Arbeitszeugnis

Ganz klar, hier hat Neumann das Recht wegen längerer Beschäftigung ein qualifiziertes Zeugnis zu verlangen. Der Zeugnisanspruch ergibt sich aus § 109 GewO. Aber Vorsicht, der Arbeitgeber muss es nicht von alleine erteilen, Neumann muss es verlangen. Wird es nicht erteilt, ist das Arbeitsgericht für eine Klage zuständig.

 

Das Arbeitsgericht bleibt auch zuständig, wenn das Zeugnis erteilt ist und Neumann Änderungen verlangt.

Das sagen wir dazu:

In unserer Praxis drängt sich der Eindruck auf, dass sich wie von selbst ein Sanktionsapparat in Gang setzt, wenn Arbeitnehmer*innen irgendwelche Fehler machen. Bei Arbeitgebern wird von Behördenseite erstmal Redlichkeit unterstellt, und, egal ob Krankenkasse oder Agentur für Arbeit, es wird von der Richtigkeit von Angaben des Arbeitgebers ausgegangen.

 

Dennoch müssen sich Arbeitnehmer*innen nicht in Prozesse drängen lassen. Der Praktiker kennt oft Wege, wie es schneller geht. Also wie immer, am besten erst fachgerecht beraten lassen.