Teilzeitkräfte dürfen beim Wechsel von Vollzeit in Teilzeit nicht benachteiligt werden. Copyright by Fokussiert/Adobe Stock
Teilzeitkräfte dürfen beim Wechsel von Vollzeit in Teilzeit nicht benachteiligt werden. Copyright by Fokussiert/Adobe Stock


Beispiel 1:
Neumann arbeitet im Jahr 2018 Vollzeit in einer fünf-Tage-Woche. Ab 2019 arbeitete er in Teilzeit und zwar an drei Tagen die Woche. Sein Urlaubsanspruch beträgt bei Vollzeit 30 Tage. Das sind sechs Wochen.
Sein Arbeitgeber rechnet nach der Änderung der wöchentlichen Arbeitszeit: 30 Tage : 5 Tage (Vollzeit) × 3 Tage (Teilzeit). So ermittelt er für 2019 einen Urlaubsanspruch von 18 Tagen. Eine Gegenprobe ergibt, dass Neumann noch immer sechs Wochen jährlichen Urlaub hat. Das ist also korrekt.

Umrechnung Alturlaub auf Teilzeit ist unwirksam

Aber Neumann hat auch noch einen Resturlaubsanspruch von zehn Tagen aus 2018, den der Chef ebenso quotelt. Er errechnet so aus dem alten Urlaub sechs Tage (10 Tage : 5 × 3).

Das ist nicht korrekt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit der Entscheidung vom 10.2.2015 (9 AzR 53/14 F) seine bisherige Rechtsprechung geändert und sich auf Europarecht berufen. Danach liegt eine unwirksame Benachteiligung von Teilzeitkräften vor, wenn Arbeitgeber in Vollzeit erworbenen Urlaubsansprüche auf Teilzeit umrechnen. Im Ergebnis wird der Urlaub nämlich dann gekürzt. Eine Kürzung ist eine Benachteiligung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer*innen und deshalb unwirksam.

Neumann hat daher Anspruch darauf, dass er seine zehn Tage aus 2018 im Jahr 2019 ungekürzt bekommt. Das sind zehn Tage aus 2018 und 18 Tage für 2019, insgesamt also 28 Tage.

Reduzierung auf halbe Tage

Beispiel 2:
Neumann reduziert die Arbeitszeit auf die Hälfte, geht aber auch weiterhin fünf Tage die Woche arbeiten, arbeitet also täglich nur die Hälfte der Stunden. Sein Resturlaub von zehn Tagen bleibt bestehen. Mit den 30 Tagen aus 2019 hat er dann 40 Tage Urlaub. Soweit ist das unproblematisch.

Was ist aber mit der Bezahlung der Urlaubstage? Neumann hat pro Arbeitstag in Vollzeit 150 € verdient. Jetzt mit der halben Arbeitszeit erhält er auch nur die Hälfte der Vergütung, also 75 €. Wenn jetzt der in Vollzeit erworbene Urlaub genauso wie der neue Urlaub mit dem 75 € pro Tag vergütet wird, ist das eine finanzielle Entwertung des Urlaubs.

Alturlaub ist noch wie Vollzeit zu bezahlen

Nach § 11 des Bundesurlaubsgesetzes bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Es ist also eine Durchschnittsberechnung vorzunehmen. Diese Form der Berechnung führt aber zu der finanziellen Entwertung des Urlaubs.
Auch das ist eine Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten. Das BAG hat am 20.3.2018 (9 AzR 486/17) entschieden, dass die europarechtlichen Vorgaben hier eindeutig sind.

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 20.3.2018, 9 AZR 486/17

Entstanden war der alte Urlaub noch in der Vollzeittätigkeit mit dem täglichen Verdienst von 150 €. Und, wenn der Urlaubsanspruch zu diesem Zeitpunkt entstanden ist, entsteht gleichzeitig auch der Entgeltanspruch.

Für Neumann heißt das, der Urlaub aus 2019 ist mit 75 € pro Tag zu bezahlen, die zehn Tage aus 2018 jedoch mit 150 € pro Tag.

Wechsel von Teilzeit (fünf-Tage-Woche) in Vollzeit

Beispiel 3:
Neumann arbeitet bei der Bundesagentur für Arbeit. Er ist zunächst in Teilzeit beschäftigt, kann aber innerhalb des Jahres auf Vollzeit aufstocken. Er nimmt nach der Aufstockung Urlaub, auch solchen, der während der Beschäftigung in Teilzeit entstanden ist.
Im Ergebnis will die Bundesagentur die Urlaubstage aus der Teilzeitbeschäftigung niedriger vergüten. Sie hat sie zuerst voll vergütet und verlangt dann Teile zurück.

Urlaub ist mit Vollzeitvergütung zu bezahlen

Das BAG hat mit seiner Entscheidung vom 20.11.2018 (9 AzR 349/18) die bei der Bundesagentur geltende tarifliche Regelung ausgelegt. Sie gehe wie das Bundesurlaubsgesetz vom Entgeltausfallprinzip aus. Dieses Prinzip besagt, dass auch Neumann weder schlechter noch besser gestellt werden soll, als er stehen würde, wenn er gearbeitet hätte.

Der Arbeitgeber hat danach das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zusteht. Diesem Prinzip kann nur gerecht werden, wenn der während der Vollzeittätigkeit genommene Urlaub auch mit Vollzeitvergütung bezahlt wird.

Wechsel von Teilzeit (z.B. drei-Tage-Woche) auf Vollzeit

Hier hat wiederum der Europäische Gerichtshof Klärung gebracht. Mit Urteil vom 11.11.2015 (C-219/14) wurde der Grundsatz aufgestellt, dass der in Teilzeit angesammelte Resturlaub nicht entsprechend der erhöhten Arbeitszeit neu berechnet werden muss.

Dazu Beispiel 4:
Neumann hat als Teilzeitbeschäftigter im Umfang von drei Tagen einen Urlaubsanspruch von 18 Urlaubstagen. Er nimmt fünf Resttage mit in die Vollzeitbeschäftigung, ohne dass sie umgerechnet werden. Das hat zur Folge, dass er vorher mit diesen fünf Tagen fast zwei Wochen Urlaub hatte und jetzt gerade mal eine. Da die Vergütung aber letztlich gleichbleibt, hat das Gericht hier keine Ungleichbehandlung gesehen.

LINKS:

Lesen Sie unseren Beitrag zum erwähnten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2018

Das sagen wir dazu:

Durch die genannten Entscheidungen sind viele Fälle rechtlich geklärt. Ob diese Grundsätze sich auch auf den Lohn– und Gehaltsabrechnungen wiederfinden, darf bezweifelt werden.

Wie so oft gilt auch hier: genau hinschauen und gegebenenfalls für den persönlichen Fall Rechtsrat einholen. Das kann eine Menge Urlaubstage oder zusätzliche Vergütung bringen.

Rechtliche Grundlagen

§ 4 TzBfG Verbot der Diskriminierung

Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG)
§ 4 Verbot der Diskriminierung
(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
(2) (…)