Thomas Schlingmann, Büro Bremen. Erfolgreich durch die Instanzen.
Thomas Schlingmann, Büro Bremen. Erfolgreich durch die Instanzen.

Eine Arbeitnehmerin war mit dem Beschluss des LSB- Präsidiums nicht einverstanden.  Sie klagte mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH die tarifliche Entgelterhöhung für 12 Monate gerichtlich ein.
Die Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, wurde im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven von Thomas Schlingmann, Rechtsschutzsekretär im Bremer Büro der DGB Rechtsschutz GmbH, vertreten. Erstinstanzlich legte er mehrere mit „Haustarif“ überschriebene Mitteilungen des Arbeitgebers vor. Diese betrafen den Zeitraum 1986 bis 1994. Erstellt wurde sie vom Präsidium des LSB. Sie enthielten u.a. folgende Regelung:
 „Die Gehälter werden zum gleichen Prozentsatz und zum selben Zeitpunkt erhöht, wie dies im Öffentlichen Dienst geschieht“.

Das Arbeitsgericht bewertete diese Dokumente als Gesamtzusage und gab der klagenden Arbeitnehmerin Recht. Der LSB war damit nicht einverstanden und legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein.

Wirksamkeit einer Gesamtzusage des Arbeitgebers

Eine Gesamtzusage, so das Arbeitsgericht, ist die an alle Arbeitnehmer*innen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen ohne Gegenleistung der Beschäftigten erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Angebots werde dabei nicht erwartet. Die Zusage des Arbeitgebers werde ergänzender Bestandteil des Arbeitsvertrags. Auch sei es unerheblich, ob jeder einzelne Arbeitnehmer die Erklärung des Arbeitgebers tatsächlich zur Kenntnis nehme. Typischerweise beschränke sich eine Gesamtzusage auch nicht auf die im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Erklärung beschäftigten Arbeitnehmer*innen. Da sie regelmäßig auch gegenüber nachträglich in den Betrieb der Beklagten eintretenden Mitarbeiter*innen abgegeben und bekannt gemacht wurde, könne sich die Beklagte nur durch Änderungsvertrag oder Änderungskündigung von ihrer Zusage lösen.
 

DGB Rechtsschutz auch in der zweiten Instanz erfolgreich

Die Bekanntgabe der in Rede stehenden Mitteilungen über das im Betrieb geltende Entgeltschema wurde vom Arbeitgeber bestritten. Dadurch sah sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Bremen veranlasst, eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen: Ehemalige Mitarbeiter des LSB  - Geschäftsführer, Personalleiter und Betriebsratsvorsitzender  - wurden als Zeugen geladen, um zu klären, ob der „Haustarif“ mit der Regelung zur Weitergabe der Tariferhöhungen den Beschäftigten tatsächlich bekannt gegeben wurde. Allesamt waren die geladenen Zeugen zwischenzeitlich in Rente und hatten aufgrund des Zeitablaufs  - es ging um Vorgänge, die bereits drei Jahrzehnte zurücklagen  - verständlicherweise erhebliche Erinnerungslücken. Nach der Beweisaufnahme blieb fraglich, ob hinsichtlich der Weitergabe von Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst tatsächlich von einer Gesamtzusage des Arbeitgebers auszugehen ist.

Rechtsschutzsekretär Thomas Schlingmann verfolgte das Ziel, dass der Arbeitgeber zur Zahlung der Tariferhöhung verurteilt wird, deshalb mit einer vom erstinstanzlichen Urteil abweichenden Begründung weiter. In diesem Fall gebe es deutliche Anhaltspunkte in dem Verhalten des Arbeitgebers, dass dieser die Tariflohnerhöhungen  - auch ohne das Bestehen einer tarif- oder arbeitsvertraglichen Verpflichtung  - auf Dauer an die Beschäftigten weitergeben wollte. Der Jurist verwies auf die betriebliche Übung:
„Aufgrund der Aussagen aller Zeugen ist sehr deutlich geworden, dass beim LSB eine betriebliche Übung entstanden ist, die zum Inhalt hat, die vertragliche Vergütung jeweils an der Tarifentwicklung im  öffentlichen Dienst auszurichten. Die Zeugen haben bestätigt, dass seit den 1980er Jahre die Gehälter aller Beschäftigten des LSB sich jeweils zusammen mit den Tariferhöhungen des BAT  - nach dessen Ablösung zusammen mit den Tariferhöhungen des TV-L  - zeitgleich und in voller Höhe entsprechend dem Ergebnis der Tarifabschlüsse erhöht haben, und zwar unabhängig davon, ob im Einzelfall eine arbeitsvertragliche Bezugnahme vereinbart wurde oder nicht.“
 

Landesarbeitsgericht Bremen: Anspruch wegen betrieblicher Übung

Das LAG Bremen folgte der Argumentation des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Auf die Frage, ob die als „Haustarif“ betitelten Regelungswerke bei dem Arbeitgeber betriebsüblich bekannt gemacht worden seien, komme es nicht an. Es bestehe ein Anspruch aus betrieblicher Übung. Wenn der Arbeitgeber freiwillig  - also ohne rechtliche Verpflichtung aufgrund von Tarifgebundenheit  - die Entgelte der Beschäftigten entsprechend der Tarifentwicklung in einen bestimmten Tarifgebiet anhebe, müssen für das Entstehen einer betrieblichen Übung auf weitere Gehaltserhöhungen in der Folgezeit deutliche Anhaltspunkte in dem Verhalten des Arbeitgebers dafür sprechen, dieser wolle die Erhöhungen  - auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung  - auf Dauer übernehmen.
 
Die Übertragung der jeweiligen Tariferhöhungen auf alle Beschäftigten sei  - so das LAG Bremen  - in diesem Fall unabhängig davon erfolgt, ob der Arbeitgeber arbeitsvertraglich zur Weitergabe der Tarifsteigerung verpflichtet war oder nicht. Bei dem Arbeitgeber habe es ungeachtet der Unterschiedlichkeit der arbeitsvertraglichen Regelungen die jahrelange und wiederholte Übung gegeben, sämtliche Tarifsteigerungen einschränkungslos zu übertragen. Der Arbeitgeber habe zu keiner Zeit Vorbehalte deutlich gemacht, dass er die Teilnahme an der Tarifentwicklung nicht will. Die wiederholte Weitergabe von Tarifsteigerungen an alle Beschäftigten konnte auf Seiten der Leistungsempfänger nur so zu verstehen sein, dass der Arbeitgeber allen Arbeitnehmer*innen unter Berücksichtigung künftiger Tarifsteigerungen in Anlehnung an den jeweiligen prozentualen Abschluss im Öffentlichen Dienst vergüten will.
 
Hier geht es zum Urteil

Rechtliche Grundlagen

§§145 und 151 BGB

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 145 Bindung an den Antrag
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 151 Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.