Einen Tag je Woche frei, das mag nicht jeder Arbeitgeber © Adobe Stock: Torbz
Einen Tag je Woche frei, das mag nicht jeder Arbeitgeber © Adobe Stock: Torbz

Die Beklagte wird verurteilt, der Verringerung der Arbeitszeit des Klägers für einen Zeitraum vom 01.01.2023 bis 31.01.2026 auf 30 Stunden pro Woche zuzustimmen, mit der arbeitstäglichen Verteilung: Je 7,5 Stunden Arbeitszeit von montags bis donnerstags – so entschied es das Arbeitsgericht Hamburg im Fall eines kaufmännischen Angestellten.

 

Der Wareneingang erfordert einen reibungslosen Ablauf

 

Der Kläger arbeitet zusammen mit neun weiteren Kollegen 37,5 h pro Woche im Wareneingang seines Arbeitgebers, verteilt auf 5 Wochentage. Jeden 3. Freitag hat er frei. Er übernimmt dabei kaufmännische Tätigkeiten im Wareneingang, die eine tägliche Bearbeitung erfordern.

 

Das Volumen im Wareneingang der Beklagten liegt bei täglich 2.000 bis 2.500 Paletten. Dies entspricht durchschnittlich 50 bis 60 LKW-Ladungen pro Tag. Der Lagerdienstleiter befördert die Paletten in ein automatisiertes Hochregallager. Der Wareneingang ist hinsichtlich seiner Kapazitäten bzw. Platzverhältnisse darauf ausgelegt, dass die Einlagerung ohne große Verzögerungen erfolgt. Aus diesem Grund ist die Beklagte darauf angewiesen, dass es nicht zu nennenswerten Störungen bzw. Fehlern beim Wareneingang kommt.

 

Die Mitarbeiter in der Wareneingangsbearbeitung sind für die Sicherstellung der reibungslosen und umgehenden Einlagerung der Waren zuständig. Geschieht das nicht oder nur verzögert, ist das Risiko von sensiblen Störungen des Arbeitsablaufs hoch. Weitere Aufgaben des Klägers im Bereich der Statistik bzw. bzgl. Langzeitlieferanten kann er demgegenüber flexibler gestalten. Der Kläger und seine Kolleg:innen vertreten sich in Abwesenheitszeiten untereinander.

 

Einer Arbeitszeitreduzierung stimmte der Arbeitgeber zu

 

Mitte 2022 beantragte der Kläger die Verkürzung seiner Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden bei einer Verteilung auf vier Arbeitstage je Woche ab Januar 2023. Die Beklagte lehnte ab, „da dies nicht umsetzbar ist mit dem Tagesgeschäft“. Sie stimmte allerdings der begehrten Arbeitszeitreduzierung mit einer Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Tage zu. Eine Ausschreibung der Tätigkeiten des Klägers zu 20 % blieb intern und extern ohne Erfolg.

 

Die Beklagte meinte im anschließend eingeleiteten Prozess, ihr Organisationskonzept stehe dem Teilzeitwunsch des Klägers entgegen. Die tägliche Bearbeitung des Wareneingangs müsse an fünf Tagen in der Woche erfolgen. Weiter sehe das Organisationskonzept der Beklagten unterschiedliche personelle Zuständigkeiten vor. Durch die Aufgabenteilung könne die Beklagte aufkommenden Aufgaben und zwingend zu erledigenden Tätigkeiten „aus einer Hand" erledigen lassen. Das verhindere etwaigen Know-how-Verlust und stelle ein möglichst effizientes Arbeiten im Wareneingang sicher.

 

Die Umverteilung der Arbeit hielt der Chef nicht für möglich

 

Der Beklagten sei eine Umverteilung der Arbeit auf andere Arbeitnehmer:innen nicht möglich. Es könnten nicht alle Tätigkeiten so auf andere Arbeitnehmer:innen verteilt werden, dass diese Tätigkeiten bei Ausfall einer Person vollständig von den anderen Beschäftigten „abgedeckt" würden. Dies würde unverhältnismäßig hohe Personalkosten erzeugen und durch zu viele Beteiligte auch ein höheres Fehlerrisiko bedeuten.

 

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zwinge den Arbeitgeber, einer Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, sagte das Arbeitsgericht dazu. Die von der Beklagten vorgebrachten betrieblichen Gründe, mit welchen sie den Teilzeitwunsch des Klägers hätte ablehnen dürfen, seien nicht ersichtlich.

 

Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liege gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursache. Insoweit genüge es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe habe, der Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen.

 

Das betriebliche Organisationskonzept muss wesentlich beeinträchtigt werden

 

Die Prüfung, ob betriebliche Gründe entgegenstehen, sei regelmäßig in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst müsse das Gericht feststellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liege und - wenn das der Fall sei - um welches Konzept es sich handele. In der zweiten Stufe sei zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegenstehe. Schließlich habe das Gericht in der dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. Dabei müsse die

Frage geklärt werden, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werde.

 

Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass vor dem Hintergrund des von ihr behaupteten Organisationskonzepts die erstrebte Teilzeitbeschäftigung des Klägers die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigten oder unverhältnismäßige Kosten verursachten.

 

Die Argumente der Beklagten sind nachvollziehbar

 

Der Wunsch nach effektiver Erledigung der Aufgaben durch Arbeitsteilung und die Verteilung der Tätigkeiten auf unterschiedliche personelle Zuständigkeiten sei nachvollziehbar. Der Beklagten gehe es vorrangig darum, die anfallenden Tätigkeiten bei den verschiedenen Mitarbeiter:innen zu belassen, ohne dass diese auch noch zeitweise Tätigkeiten von anderen Beschäftigten mit unterschiedlichen Zuständigkeiten ausübten. Auch dies erscheine zweckmäßig.

 

Die Beklagte behaupte weiter, dass ihrem Konzept das Teilzeitverlangen des Klägers entgegenstehe, weil hierdurch Aufgaben des Klägers von anderen Beschäftigten, die für andere Tätigkeiten zuständig seien, miterledigt werden müssten, was ihnen aufgrund ihrer vollen Auslastung nicht möglich sei. Außerdem fielen die Tätigkeiten des Klägers von Montag bis Freitag an und müssten an diesen Tagen auch vom Kläger erledigt werden.

 

Das Gericht sieht keine Beeinträchtigung

 

Die von der Beklagten angeführten betrieblichen Gründe ließen nicht erkennen, dass sie das behauptete Organisationskonzept wesentlich beeinträchtigten. Der Vortrag der Beklagten sei nicht in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Beklagte habe dem

Kläger auf seinen Antrag hin immerhin eine Teilzeittätigkeit im gewünschten Umfang von 30 Stunde je Woche mit einer Verteilung auf fünf Arbeitstage vorgeschlagen. Dies widerspreche dem Vortrag der Beklagten, dass die Kolleg:innen des Klägers vollständig ausgelastet seien und keine Aufgaben von dem Kläger übernehmen könnten.

 

Tatsache sei, dass die Beklagte es für umsetzbar erachte, dass der Kläger seine Arbeitszeit auf 30 Stunden reduziert. Inwieweit es einen Unterschied machen solle, ob diese 30 Stunden auf vier oder fünf Tage verteilt werden, war für das Gericht nicht erkennbar. Auch bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Tage sei es erforderlich, 7,5 Stunden Arbeitszeit des Klägers je Woche auf die Kolleg:innen zu verteilen.

 

Freie Tage hatte der Kläger auch schon zuvor

 

Der Kläger habe auch bislang schon im Rahmen seiner Vollzeittätigkeit jeden dritten Freitag frei gehabt. Die Verteilung seiner Tätigkeiten auf andere Beschäftigte an einem Freitag sei damit möglich. Inwieweit die Organisation, Abläufe oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt würden, wenn der Kläger nicht nur jeden dritten, sondern jeden Freitag frei habe, vermöge das Gericht nicht zu erkennen.

 

Nicht nachvollziehbar sei des Weiteren, warum eine dauerhafte Verteilung der Arbeitszeit des Klägers auf nur vier Arbeitstage in der Woche für die Beklagte das Risiko von Umsatzverlusten und der Verzögerung von Problemlösungen beim Wareneingang berge, eine Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage dieses Risiko allerdings nicht in sich trage.

 

Der Kläger konnte damit seinen Teilzeitwunsch durchsetzen, zwar nicht mehr rückwirkend, denn dafür ist die Zeit abgelaufen. Ihm bleiben aber noch über 2,5 Jahre des beantragten Gesamtzeitraums.

 

Erfolgreich gekämpft mit dem DGB Rechtsschutz!

 

Rechtliche Grundlagen

§ 8 TzBfG

§ 8 Zeitlich nicht begrenzte Verringerung der Arbeitszeit
(4) Der Arbeitgeber hat der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die Ablehnungsgründe können durch Tarifvertrag festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Ablehnungsgründe vereinbaren.