Es hätte so schön werden können. © Adobe Stock detailblick-foto
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Die 60-jährige Klägerin litt unter einigen gesundheitlichen Beschwerden. Bei ihrem Arbeitgeber, einem Rentenversicherungsträger, war sie schon seit 30 Jahren beschäftigt und konnte immer wieder in Teilzeit arbeiten. Im Unternehmen findet ein Tarifvertrag Anwendung, nach dem flexible Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte vereinbart werden können. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Altersteilzeit im Rahmen einer festgelegten Quote in Anspruch zu nehmen.

 

Der Tarifvertrag über Altersteilzeit

 

Höchstens 2,5 Prozent der Beschäftigten des Arbeitgebers dürfen Altersteilzeit für sich in Anspruch nehmen. Ist diese Quote erreicht, darf der Arbeitgeber ausnahmsweise die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, wenn dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen.

 

Nach dem Tarifvertrag können solche Beschäftigte eine Altersteilzeitvereinbarung abschließen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit wenigstens drei Jahre im Unternehmen versicherungspflichtig beschäftigt waren.

 

Die personelle Gesamtsituation im Unternehmen

 

Diese persönlichen Voraussetzungen hatte die Klägerin erfüllt. Dennoch lehnte der Arbeitgeber ihren Antrag auf ein Altersteilzeitverhältnis ab. Die personelle Situation im Unternehmen lasse das nicht zu. Das gelte für die momentane Gesamtsituation im Unternehmen, aber auch hinsichtlich der künftigen Entwicklung. Durch die Einführung der Grundrente gebe es zusätzlichen Bedarf nach Beratung und damit nach mehr Personal. 

 

Obwohl die reine Betrachtung der Quote für 2020 erstmals wieder Altersteilzeitvereinbarungen zulassen würde, entschied die damalige Geschäftsführerin deshalb, aus betrieblichen Gründen grundsätzlich generell keine Altersteilzeit mehr zu vereinbaren. 

 

Der Beschluss für Beamt*innen

 

Hinsichtlich der bei der Beklagten beschäftigten Beamt*innen gab es einem Beschluss des Vorstandes, wonach Anträgen auf Altersteilzeit nicht mehr entsprochen werden solle. Grund dafür waren die Personalprognose, die Kapazitätsauslastung der Arbeitsstellen und der Abschluss des eingeplanten Personalabbaus. Ein weiterer Stellenabbau gefährde die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der Aufgaben des Rentenversicherungsträgers. Dies stelle einen zwingenden dienstlichen Belang dar, der Altersteilzeit nicht mehr zulasse.

 

In dem Ablehnungsschreiben an die Klägerin hieß es, die Altersteilzeit sei eingeführt worden, um den Stellenabbau im Unternehmen zu erleichtern. Angesichts der Prognosen der letzten Jahre sei dieses Ziel bereits erfüllt. Der Dienstbetrieb erfordere die fortlaufende Besetzung der Stellen in voller Kapazität. Ein weiterer Stellenabbau sei nicht vorgesehen. Aus betrieblichen Gründen werde es daher grundsätzlich keine Altersteilzeit mehr geben. Das gelte auch für 2021.

 

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

 

Die Klägerin war damit nicht einverstanden. Die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Rostock machte die Ansprüche der Klägerin vor dem Arbeitsgericht geltend.

 

In seiner Entscheidung bezog sich das Rostocker Arbeitsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur wortgleichen Tarifnorm des Tarifvertrages zu flexiblen Arbeitszeitregelungen für ältere Beschäftigte der Gemeinden.

 

Danach dürfe der Arbeitgeber ausnahmsweise die Vereinbarung eines Altersteilzeit- Arbeitsverhältnisses ablehnen, wenn dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstünden. Ein entgegenstehender dienstlicher oder betrieblicher Grund liege vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Ablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtige oder unverhältnismäßige Kosten verursache. Es genüge wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe habe, der Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen.

 

Die Belastungen der Altersteilzeit

 

Aufwendungen des Arbeitgebers, die generell mit dem Altersteilzeitverhältnis verbunden seien, stellten keine dienstlichen oder betriebliche Gründe dar. Dazu zählten die finanziellen Lasten, die dem Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis entstünden. Diese Belastung hätten die Tarifvertragsparteien bereits dadurch begrenzt, dass sie eine Höchstgrenze von 2,5 Prozent Beschäftigten im Altersteilzeit-Tarifvertrag festgelegt hätten.

 

Damit dürfe der Arbeitgeber seine Ablehnung nur auf solche dienstlichen oder betrieblichen Gründe stützen, die über die üblichen Belastungen hinausgingen. Es handele sich dabei um organisatorische und personalwirtschaftliche Gründe. Gerechtfertigt sei eine Ablehnung aus dienstlichen Gründen beispielsweise, wenn das Arbeitsvolumen nicht verteilt und eine Nachbesetzung nicht erfolgen könne.

 

Der Ausnahmefall

 

Dieser Ausnahmefall sei hier gegeben. Die Beklagte habe rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe vorgebracht. Sie habe erläutert, warum es ihr in den nächsten Jahren tatsächlich nur schwer möglich sein werde, geeignetes Fachpersonal zu finden und eine Auswahl nach Qualifizierung treffen zu können. Die Personaldecke sei im Auskunfts- und Beratungsdienst schon jetzt sehr knapp. Die Nachbesetzung einer Stelle, die durch die Altersteilzeit der Klägerin zusätzlich frei werde, sei der Beklagten ausweislich ihrer nachvollziehbaren Ausführungen faktisch nicht möglich.

 

Denn mit Einführung der Grundrente habe sich für den gesamten Auskunfts- und Beratungsdienst ein so großer Personal-Mehrbedarf ergeben, dass in den nächsten Jahren jede Arbeitskraft benötigt werde. Dieser Mehrbedarf lasse sich nicht innerhalb von zwei Jahren durch einen Zuwachs an ausgebildeten Fachkräften ausgleichen. Auf diese Besonderheiten habe die Beklagte ihre Entscheidung stützen dürfen.

 

Hier finden Sie das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 24. März 2021 - 5 Ca 327/21 im Volltext

 

 

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 4 TV Flex AZ

§ 4 TV Flex-AZ

(1) Den Beschäftigten wird im Rahmen der Quote nach Absatz 2 die Möglichkeit eröffnet, Altersteilzeit im Sinne des Altersteilzeitgesetzes in Anspruch zu nehmen, wenn die persönlichen Voraussetzungen nach § 5 vorliegen.

(2) Der Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach Absatz 1 ist ausgeschlossen, wenn und solange 2,5 v.H. der Beschäftigten (§ 1) der Verwaltung/des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung im Sinne des Altersteilzeitgesetzes Gebrauch machen. Maßgeblich für die Berechnung der Quote ist die Anzahl der Beschäftigten zum Stichtag 31. Mai des Vorjahres.

(3) Der Arbeitgeber kann ausnahmsweise die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, wenn dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen.