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Ist eine Leistung freiwillig, dann besteht für den Arbeitgeber die einfache Möglichkeit, diese Leistung zu kürzen oder sogar entfallen zu lassen. Gibt es einen arbeits-oder tarifvertraglichen Anspruch auf die Leistung, ist sie nie freiwillig und sie kann nicht einseitig eingestellt werden.

 

Welche Leistungen können freiwillig sein?

 

Echte Sonderzahlungen können freiwillig sein, laufenden Leistungen können nicht wirksam unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. D.h. alles das, was monatlich gezahlt wird, wie z.B. eine Leistungszulage, ist tabu. Auch die Dienstwagengestellung kann nicht freiwillig erfolgen. Es geht also um echte Sonderzahlungen wie z.B. um Weihnachts-und Urlaubsgeld.

Aus Sicht der Arbeitgeber soll eine Klausel zur Freiwilligkeit verhindern, dass ein Anspruch für die Zukunft entsteht und auch, dass eine betriebliche Übung entstehen kann. Der Zweck der Sonderzahlung ist dabei egal, auch die Höhe.

 

Viele Freiwilligkeitsvorbehalte sind unwirksam

 

Bei Neumann gilt kein Tarifvertrag. Sein Arbeitsvertrag enthält eine Klausel, die ihm nicht ganz klar ist.

Ein im Arbeitsvertrag enthaltener sog. Freiwilligkeitsvorbehalt ist eine allgemeine Geschäftsbedingung und darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Alle zusätzlichen Leistungen seien freiwillig und jederzeit widerruflich, so steht es in Neumanns Vertrag. Bei einer solchen Formulierung könnte er die volle Leistung verlangen, da das Bundesarbeitsgericht eine solche für unklar und damit unwirksam hält (BAG 30.7.2008, Az 10 AZR 606/07). Denn entweder ist eine Leistung freiwillig oder sie ist verbindlich. Nur verbindliche Leistungen können widerruflich sein. Aus der doppelten Absicherung ist damit eine unwirksame Beschränkung geworden.

 

Sparsame Formulierung ist ebenfalls unwirksam

 

Eine Formulierung, wonach die Sonderzahlung freiwillig ist, reicht nicht aus. Sie muss enthalten, dass ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung auch bei wiederholter Zahlung nicht entsteht (BAG 18.3.2009, Az 10 AZR 289/08).

Mehrdeutige Klauseln sind unwirksam, auch solche die im Widerspruch zu anderen Klauseln im Arbeitsvertrag stehen (BAG 20.1.2010, Az 10 AZR 914/08).

Die neue Rechtsprechung hat nun eine Klausel als unwirksam erklärt, weil sich daraus nicht ergeben hat, dass Leistungen, die zukünftig vereinbart werden, nicht unter den Vorbehalt fallen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.1.22, Az 9 SA 66/21- hier ist aber die Revision beim BAG unter dem Az 10 AZR 109/22 anhängig).

 

Anlassbezogene Freiwilligkeitserklärung

 

Neumann geht mit seinem Arbeitsvertrag zur Personalabteilung und moniert die Unwirksamkeit der Klausel. Er wird darauf hingewiesen, dass man doch jeweils einen sog. anlassbezogenen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt habe. Auf den Abrechnungen, in der das Weihnachtsgeld enthalten ist, steht, dass dieses Jahr einmalig ein Weihnachtsgeld gezahlt wird. Dies ist eine freiwillige Leistung auf die auch nach wiederholter vorbehaltloser Gewährung kein Anspruch für die Zukunft besteht. Wenn das auf jeder Abrechnung stand, mit der die Sonderzahlung gewährt wurde, wird es eng.

Freiwilligkeitsvorbehalte sind immer dünnes Eis, aber Neumanns Chef hat eine Idee.

 

Inflationsausgleichsprämie als Lösung?

 

Mehrere Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls in der Personalabteilung vorgesprochen und wollen die Streichung nicht hinnehmen. Weihnachtsgeld ist ja voll steuer-und sozialversicherungspflichtig, ca. die Hälfte der Bruttosumme kommt bei Neumann netto an. Die Frau eines Kollegen ist Steuerberaterin und er trägt vor, was sie ihm gesagt hat. Eine freiwillige Leistung könne durch eine andere freiwillige Leistung ersetzt werden. Sie hat ihm auch eine Beispielrechnung mitgegeben. 2.000 € war das Weihnachtsgeld letztes Jahr, nach Abzügen (Sozialversicherung und Steuer) kamen bei ihm 1.000 € netto an. Die Firma kostet es aber wegen deren Anteile an der Sozialversicherung bestimmt 2.400 €. Was wäre denn, wenn die neue Inflationsausgleichsprämie genutzt würde? Die Firma würde im Beispielfall nur 1.000 € zahlen und damit 1.400 € sparen und die Kollegen hätten zwar gewisse Nachteile bei Rente oder Krankengeld, aber im Moment wenigstens das Zubrot.

 

Steuerberater gibt sein ok

 

Es haben sich viele beschwert, einige Arbeitnehmer*innen haben sogar ein Zwischenzeugnis angefordert. Das lässt auf Abwanderungswünsche schließen und bei der Firma die Alarmglocken schrillen. Die Firma berät sich mit ihrem Steuerberater und dieser meint, das könne man hier machen, da ja kein Tarifvertrag gelte und die Prämie nicht schon anderweitig verplant sei.

 

Aushang, Unterschrift, dann Geld

 

Die Firma informiert sofort per Aushang: Es gibt kein Weihnachtsgeld, aber diejenigen, die einen Freiwilligkeitsvorbehalt über die einmalige Zahlung der Inflationsprämie in der Personalabteilung unterschreiben, erhalten diese mit der nächsten Abrechnung.

 

Das sagen wir dazu:

Coronaprämie oder Inflationsausgleichsprämie - wenn diese statt Gehaltserhöhung bezahlt wird oder hier eine freiwillige Leistung ersetzt, hat das ein "Geschmäckle". Es besteht aber auch Verständnis, wenn in einer echten Krise eine für beide Seiten tragbare Lösung gefunden wird.