Wird in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung zur Vergütung ein fester Euro-Betrag als »Tarifentgelt« bezeichnet, ist die Vergütung im Zweifel entsprechend den Tariferhöhungen des einschlägigen Tarifvertrags dynamisiert.

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Auslegung einer einzelvertraglichen Vergütungsabrede.

Der Kläger ist seit 2003 bei der Beklagten, die mit Schreibwaren und Kommunikationsartikeln handelt, in H als Verkäufer beschäftigt. Er arbeitet in Vollzeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Wochenstunden. Seit 2004 erhält der Kläger eine im Arbeitsvertrag als »Tarifentgelt« bezeichnete Vergütung von 1.458,00 Euro brutto monatlich. Der Betrag entsprach dem seinerzeitigen Entgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel (im folgenden: GTV).

Der Kläger machte wegen der Dauer seiner Beschäftigung für den Zeitraum Oktober 2008 bis März 2009 die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und dem nach dem GTV in Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr vorgesehenen Betrag von 2.066,00 Euro brutto monatlich geltend. Er ist der Auffassung, die Vergütungsabrede in seinem Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Bezugnahme auf den einschlägigen Gehaltstarifvertrag.

Das ArbG hatte die Klage abgewiesen. Das LAG Hamburg hat der Klage in Höhe von 2.952,00 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben.

Die Entscheidung:

Das BAG verwarf die Revision der Arbeitgeberin und sah den Anspruch des Klägers als im wesentlichen begründet an. Dieser hat Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung mit dem Betrag, der für die Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr im GTV vorgesehen ist. Das ergibt die Auslegung der Vergütungsabrede der Parteien.

Die für den Streitzeitraum maßgebende Vergütungsabrede ist nicht eindeutig. Die Verknüpfung eines festen Euro-Betrags mit dem Begriff  »Tarifentgelt« lässt mehrere Deutungen zu. Es könnte damit ein fester und statischer Euro-Betrag vereinbart sein. Der Bezeichnung „Tarifentgelt“ käme nur die Funktion eines Hinweises darauf zu, wie der in der Vereinbarung festgehaltene Euro-Betrag gefunden wurde. Es kann aber auch eine dynamische Bezugnahme auf den GTV und dessen Gehaltstabelle gemeint sein.

Die Vergütungsabrede ist wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Arbeitgeberin hat die Abrede nach den Feststellungen des LAG sowohl im Arbeitsvertrag als auch bei späteren Änderungen vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

Auch wenn die Klausel nicht angibt, welches Tarifentgelt der Arbeitnehmer erhalten soll, darf dieser redlicherweise annehmen, es solle das Tarifentgelt des für den Betrieb des Arbeitgebers räumlich und fachlich sowie für den Arbeitnehmer persönlich einschlägigen Tarifvertrags vereinbart sein, und zwar nach der Entgeltgruppe, der der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht.

Dafür, dass im Arbeitsvertrag eine dynamische Vergütung nach Gehaltsgruppe 2a des GTV vereinbart ist, spricht aber, dass die Beklagte mit ihrer Klausel nicht auf irgendein Tarifentgelt, sondern zumindest auf die nach ihren fachlichen Anforderungen (Angestellte mit einfacher Tätigkeit, Beispiel Verkäufer/innen, auch wenn sie kassieren) zutreffende Gehaltsgruppe zurückgegriffen und mit der Klauselformulierung insgesamt den Eindruck erweckt hat, »nach Tarif« zahlen zu wollen.

Beide Auslegungsmöglichkeiten sind rechtlich vertretbar, keine verdient den eindeutigen Vorzug. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten.

Das Monatsgehalt nach Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr GTV betrug im Streitzeitraum 2.066,00 Euro brutto. Zu den von der Beklagten gezahlten 1.458,00 Euro brutto verbleibt eine Differenz von 608,00 Euro brutto monatlich. In dieser Höhe hat die Beklagte den Vergütungsanspruch des Klägers aus § 611 Abs. 1 BGB zu erfüllen.

Folgen für die Praxis:

Die einzelnen Bedingungen eines Arbeitsvertrages unterliegen bekanntermaßen derselben Kontrolle wie „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (AGB). Diese vom Gesetzgeber eigentlich zum Schutz des Verbrauchers gezogenen Grenzen des Zulässigen, wirken sich zu Gunsten des Arbeitnehmers aus.

Nach den AGB-Regeln gehen Zweifel bei Unklarheiten stets zu Lasten des Verwenders, also des Arbeitgebers. Dies führte im entschiedenen Fall dazu, dass der Arbeitnehmer erfolgreich auf Zahlung des Tariflohns klagen konnte. Und zwar obwohl weder Tarifbindung vorlag, noch die Parteien die Anwendung des Tarifvertrages klar vereinbart hatten.

Der Arbeitgeber hatte jedoch unvorsichtigerweise im Arbeitsvertrag etwas von „Tarifentgelt“ geschrieben. Was darunter zu verstehen sei, so das Gericht, sei unklar. Der Arbeitgeber sende aber das Signal, er vergüte „nach Tarif“.
Auch die weitere Formulierung im Arbeitsvertrag, wonach die Vergütung „in Anlehnung an den Tarifvertrag“ erfolge, sei keine Einschränkung.
Der Arbeitnehmer durfte die Klausel so verstehen, als erfolge seine Bezahlung nach den Vorgaben des Gehaltstarifvertrages.
Weitere Unklarheiten gingen zu Lasten des Arbeitgebers. Der Tariflohn musste daher gezahlt werden – und zwar mit allen zukünftigen Tariferhöhungen.

Hier ist sicherlich ein Einzelfall entschieden worden. Es empfiehlt sich jedoch stets bei allen arbeitsvertraglichen Regelungen genauer hinzuschauen. Einige Klauseln sind nach AGB-Recht gänzlich unzulässig, überraschende Klauseln stets unwirksam. Ist eine Bestimmung in beide Richtungen auslegbar, sollte sich in der Regel das Arbeitnehmerinteresse durchsetzen.

Voraussetzung für den Rückgriff auf einen Tarifvertrag ist aber auch, dass es einen solchen überhaupt gibt, der für den Betrieb des Arbeitgebers räumlich und fachlich sowie für den Arbeitnehmer persönlich anwendbar ist.


Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.02.2013, 5 AZR 2/12