Der Kläger hatte beim Ausparken mit dem Lieferwagen ein anderes Fahrzeug touchiert.
© Adobe Stock - Von fotoak80
Der Kläger hatte beim Ausparken mit dem Lieferwagen ein anderes Fahrzeug touchiert. © Adobe Stock - Von fotoak80

Der DGB Rechtsschutz Bochum vertrat den technisch-kaufmännischen Mitarbeiter vor dem örtlichen Arbeitsgericht.

 

Unstreitig hatte der Kläger den Unfall schuldhaft verursacht, als er beim Ausparken mit dem Lieferwagen ein anderes Fahrzeug touchierte. Der Unfall passierte auf dem Parkplatz eines Krankenhauses, wohin der Kläger seinen kranken Sohn gefahren hatte. Es war nicht erlaubt, den Firmenwagen privat zu nutzen.

 

Trotzdem durfte der Arbeitgeber nicht zum Ausgleich des Unfallschadens 6.650 € vom Lohn des Klägers abziehen.

 

Aufrechnung gegen Vergütungsansprüche

 

Der Arbeitgeber konnte hier gegen die bestehenden Vergütungsansprüche nicht erfolgreich mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen.

 

Dabei ließ es das Gericht dahinstehen, ob es sich um einen Unfall auf dem Weg zur Arbeit oder um eine unberechtigte Privatnutzung durch den Kläger handelte.

 

Denn der beklagte Arbeitgeber habe bereits den Schaden nicht ausreichend dargelegt. Der Kläger habe mehrfach die Forderung des Unfallgegners bestritten, doch weder eine Zahlungsaufforderung des Unfallgegners oder der Versicherung noch ein Schadensgutachten wurde vorgelegt.

Der Arbeitgeber habe sich darauf beschränkt, den geltend gemachten Betrag in die Positionen Schaden, Sachverständigenkosten, Rechtsanwaltskosten und eine Kostenpauschale aufzuteilen. Ebenso ergebe sich aus dem Vortrag nicht, ob der Schaden tatsächlich entstanden sei. Fahrzeughalter ist eine andere Gesellschaft. Es sei nicht klar, ob diese den Schaden in Rechnung gestellt hat und ob der Schaden bereits ausgeglichen wurde.

 

Pfändungsfreigrenzen eingehalten?

 

Eine Aufrechnung gegen eine Forderung ist ausgeschlossen, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Für Arbeitseinkommen gibt es besondere Regelungen. Zur Sicherung des Existenzminimums der Arbeitnehmer*innen und unterhaltsberechtigten Familienangehöriger regelt § 850c ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Dieser ist entsprechend den Unterhaltspflichten gestaffelt und nach oben begrenzt. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, gelten weitere Pfändungseinschränkungen.

 

Die Aufrechnung verstoße gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB, so das Gericht. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Arbeitgeber, der gegen Arbeitseinkommen aufrechnet, vorzutragen hat, ob die Pfändungsschutzvorschriften beachtet wurden. Denn die Befugnis des Arbeitgebers, gegen den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers aufzurechnen, sei integraler Teil des Erfüllungsaufwandes, den der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeber dem Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers entgegenhalten kann. Es sei nicht Sache der Gerichte für Arbeitssachen die pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens zu ermitteln. Daran gemessen sei hier nicht ersichtlich, dass die Firma die Pfändungsfreigrenzen eingehalten habe.

 

Die Pfändungsfreigrenzen können Sie beim Bundesministerium der Justiz nachlesen:

§ 850c ZPO Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen

 

Was ist mit der vertraglichen Ausschlussfrist?

 

Im Arbeitsvertrag der Parteien steht diese Klausel:

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden.

 

Die Ansprüche des Klägers könnten danach zumindest zum Teil verfallen sein. Das sind sie aber nicht, sagt das Gericht, denn die Verfallklausel sei unwirksam. Da die Klausel auf der ersten Stufe eine schriftliche Geltendmachung verlange, verstoße sie gegen AGB-Recht, hier § 309 Nr. 13 b BGB. Danach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, durch die Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Textform gebunden werden, wenn es sich wie hier um einen Vertrag handelt, für den nicht durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist.

 

Und die Unwirksamkeit der ersten Stufe führe auch zur Unwirksamkeit der zweiten Stufe der Ausschlussfrist, da es keinen Zeitpunkt mehr gebe, an den der Fristenlauf der zweiten Stute anknüpfen könne. 

Das sagen wir dazu:

Der Arbeitgeber, der im Verfahren nicht anwaltlich vertreten war, scheiterte hier schon daran, den Schaden und die Schadenshöhe hinreichend darzulegen und zu beweisen. Hätte er diese Hürde genommen, wäre zum einen das Problem mit den Pfändungsfreigrenzen geblieben. Und ein weiteres Problem wäre sozusagen hinzugekommen, mit dem sich das Arbeitsgericht hier nicht weiter auseinandersetzen musste. Die Fahrzeuge, die der Arbeitgeber nutzt, werden von einer anderen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Der Arbeitgeber hatte seine Selbstbeteiligung für die gesamte Flotte gegenüber dem Kläger geltend gemacht. Das Gericht ließ dahinstehen, ob der Arbeitgeber grundsätzlich dazu berechtigt sei.

 

Soweit es die Ausschlussfristen aus dem Arbeitsvertrag angeht, ist zu sagen, dass die Vorschrift im AGB-Recht, die die Klausel hier zu Fall gebracht hat, erst seit dem 1. Oktober 2016 gilt. Damit ist sie nur anwendbar auf Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis nach dem 30. September 2016 entstanden ist.

Ob die Unwirksamkeit der Verfallfrist in erster Stufe, also der außergerichtlichen Geltendmachung, dazu führt, dass die Verfallfrist auch in zweiter Stufe (Klage beim Arbeitsgericht) unwirksam ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich gesehen. Das Arbeitsgericht hat dies in seiner Entscheidung bejaht.