Auch auf eine "freiwillige Leistung" kann ein Anspruch bestehen.
Auch auf eine "freiwillige Leistung" kann ein Anspruch bestehen.

Bislang zahlte das Unternehmen immer ein Weihnachtsgeld an seine Mitarbeiter. Im Jahr 2015 dann nicht mehr. Über den DGB Rechtsschutz in Bielefeld klagten einige der Mitarbeiter und bekamen beim Arbeitsgericht Bielefeld Recht.

Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag

Der Anspruch ergibt sich hier aus dem Arbeitsvertrag. Dieser regelt folgendes:

„Die Arbeitgeberin gewährt dem Arbeitnehmer eine freiwillige Weihnachtsgratifikation in Höhe von 75% des Grundlohns.“

Weiter wird die Fälligkeit geregelt, die geminderte Zahlung im ersten Beschäftigungsjahr und der Grund der Zahlung (Belohnung der Betriebstreue und der Arbeitsleistung).

An späterer Stelle im Arbeitsvertrag heißt es dann noch: „Die Zahlung der Gratifikation durch die Arbeitgeberin stellt eine freiwillige Leistung dar, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt. Auch bei wiederholter Zahlung wird kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers - weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft - begründet.“.

Regelung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung

Nun könnte man sicher meinen, damit sei die Sache klar: Freiwillig bedeutet freiwillig. Das dachte die Arbeitgeberin sicher auch, lag damit aber falsch.

Denn so einfach ist das rechtlich nicht. Im Urteil heißt es dazu, die Kammer verkenne nicht, dass der Wortlaut der Regelung isoliert gesehen eindeutig sei. Das große Aber ergibt sich daraus, dass die Regelungen im Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen sind. Diese unterfallen einer besonderen gesetzlichen Kontrolle.
Was sind hier AGB's

Nach § 307 BGB ist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders, hier also den Arbeitnehmer, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Der Arbeitsvertrag ist widersprüchlich und intransparent

Dabei kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Hier ist das Arbeitsgericht der Ansicht, dass die einzelnen Regelungen zur Weihnachtsgratifikation im Widerspruch zueinander stehen und deshalb insgesamt nicht verständlich sind.

Der Widerspruch liege darin, so heißt es im Urteil, dass der Arbeitsvertrag zunächst einen Anspruch klar und deutlich begründet und ihn an anderer Stelle wieder ganz beseitigt. Dass der Anspruch zunächst begründet wird, ergebe sich aus der klaren Regelung des Grundes, der Höhe und der Fälligkeit sowie der genauen Zweckbestimmung der Leistung. Wenn in einem der nachfolgenden Absätze davon wieder abgerückt wird, sei dies überraschend.

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

So und nicht anders ist die Rechtsprechung zu dieser Thematik zu verstehen. Die Kläger haben einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation, dem der Vorbehalt im Arbeitsvertrag nicht entgegensteht.

Unerheblich ist, dass die Zahlung der Weihnachtsgratifikation als „freiwillige Leistung“ bezeichnet wird. Damit bringt der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) - jedenfalls unmissverständlich - nur zum Ausdruck, dass er nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist. Der Hinweis genügt für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Regelung zur Weihnachtsgratifikation im Arbeitsvertrag sehr konkret ausgestaltet ist. Dazu hatte das BAG im Jahr 2008 bereits ausgeführt, dass - wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag in Voraussetzungen und Höhe präzise formuliert werden - es in aller Regel widersprüchlich ist, diese dennoch an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden. Solche widersprüchlichen Klauseln sind nicht klar und verständlich im Sinne von § 307 BGB.

Alle Mitarbeiter erhalten Nachzahlung des Weihnachtsgelds

Als Hintergrund für die Berufungsrücknahme nennt das Unternehmen einen Wechsel in der Geschäftsführung und die Entscheidung, sämtlichen Mitarbeitern als Motivation das Weihnachtsgeld aus 2015 und 2016 nachzuzahlen. Dies ist sehr begrüßenswert. Sicher wird aber auch die Frage von Erfolgsaussichten in dem Verfahren eine Rolle gespielt haben.
Hier gibt es das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.06.2016, Az.: 3 Ca 278/16 im Volltext

Zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird im Urteil Bezug genommen auf diese vom BAG:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2013, 10 AZR 177/12

Zu diesem Urteil lesen Sie mehr in unserem Artikel
Freude zum Weihnachtsfest - Arbeitgeber darf Weihnachtsgeld nicht ohne weiteres streichen

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Weihnachtsgeld trotz Vorbehalt

Rechtliche Grundlagen

§ 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) AGB Kontrolle

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.