Die Zahlung von Lohn darf auch für Beschäftigte in einer Spielhalle kein Glücksspiel sein. Copyright by Adobe Stock/ woverwolf
Die Zahlung von Lohn darf auch für Beschäftigte in einer Spielhalle kein Glücksspiel sein. Copyright by Adobe Stock/ woverwolf

Im März 2020 musste der beklagte Spielstättenbetreiber seine Spielhallen aufgrund einer behördlichen Allgemeinverfügung schließen. Die Spielhallen mussten dann nach der Coronaschutzverordnung NRW geschlossen bleiben. Für März und April 2020 gab es staatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von 15.000 €.
 

Kein Kurzarbeitergeld für künftige Rentnerin

Geklagt hat eine ehemalige Mitarbeiterin, die im April 2020 mit leeren Händen dastand.
Ihr Arbeitsverhältnis endete zum 30. April 2020, da sie ab Mai 2020 in Rente ging.
 
Wenn ein Betrieb auf behördliche Anordnung schließen muss, kommt ein Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer*innen auf Kurzarbeitergeld in Betracht. Ein solcher Anspruch besteht nicht, wenn man das Rentenalter erreicht und eine Altersrente beziehen kann. Das war bei der Klägerin schon im April der Fall. Sie erhielt deshalb kein Kurzarbeitergeld.
 

Wer trägt das Risiko für den Betriebsausfall?

Die 62 Stunden jedoch, die sie in dem Monat laut Dienstplan gearbeitet hätte, vergütete ihr der Arbeitgeber auch nicht. Der Lohnausfall gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko der Beschäftigten. So kam es zur Klage.
 
Das Arbeitsgericht Wuppertal verurteilte den Betreiber der Spielhalle dazu, der Klägerin Lohn für die ausgefallenen Stunden zu zahlen. Da dieser Berufung gegen das Urteil einlegte, hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) in Düsseldorf mit der Sache befasst. Es bestätigt den Lohnanspruch der Klägerin. Die Beklagte habe sich im Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung befunden und als Arbeitgeber das Betriebsrisiko getragen.
 

Lehre vom Betriebsrisiko: Ausnahme zu dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“

Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko dafür, ob er seine Mitarbeiter tatsächlich einsetzen kann. Kommt es in einem Arbeitsverhältnis zu einer Störung, die keine Seite zu vertreten hat, und fällt deshalb Arbeit aus, ist weiterhin Lohn zu zahlen (§ 615 BGB).
 
Unter Betriebsrisiko versteht man juristisch Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken und die Fortführung des Betriebs verhindern. Nach einer Wertung des Gesetzes trage der Arbeitgeber hier das Betriebsrisiko, so das Ergebnis des LAG. Es stellt auf Rechtsprechung zum Betriebsrisiko ab, die auch Fälle höherer Gewalt, wie Naturkatastrophen erfasst. Um ein solches Ereignis handele es sich bei der aktuellen Pandemie.
 

Auch coronabedingte Betriebsschließung gehört zum Betriebsrisiko

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die staatliche Schließung durch die Coronaschutzverordnung bedingt war. Auch eine durch eine Pandemie begründete Betriebsschließung rechne zum Betriebsrisiko im Sinne von § 615 BGB.
 
Eine klare Abgrenzung danach, ob die ganze Branche oder nur Teile davon  - bundesweit, landesweit oder regional  - von einer Schließung betroffen ist, sei nicht möglich, so das LAG. Deshalb sei auch nicht entscheidend, wie weit das behördliche Verbot reiche.

Das sagen wir dazu:

Bei Naturereignissen oder Betriebsausfällen aus sonstigen Gründen, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat, hat die Rechtsprechung die Lehre vom Betriebsrisiko entwickelt. Das LAG hat diese Lehre nun auch auf einen Fall angewandt, in dem ein Betrieb aufgrund eines Infektionsrisikos geschlossen werden musste.

Ob dem so ist, ist weder eindeutig geregelt, noch höchstrichterlich entschieden. Deshalb hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber dann, wenn eine Behörde anordnet, den Betrieb zu schließen und diese Maßnahme durch die Eigenart des Betriebes angelegt ist. So hatten zum Beispiel die Fluggesellschaften das Betriebsrisiko zu tragen, als 2010 in Island der Eyjafjallajökull ausgebrochen war und wegen der Aschewolke Flüge ausfielen. Die Aschewolke gefährdete nur die Betriebe der Fluggesellschaften, so dass den Beschäftigten das Arbeitsentgelt weiterzahlen war.

Das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber nach der Betriebsrisikolehre nicht, wenn alle Betriebe aufgrund einer allgemeinen Gefahrenlage wie etwa einem Erdbeben oder einem Krieg schließen müssen. Bei allen Ausmaßen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat, wird man Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion mit Covid-19 nicht mit einer solchen Gefahrenlage gleichsetzen können. Auch im April 2020 während des ersten Lockdowns waren nicht alle Betriebe geschlossen. Und es ist zuletzt auch eine Eigenart der Betriebe auszumachen, die schließen mussten. Sie liegt hier darin, dass der Kontakt zu anderen Menschen, die das Virus in sich tragen könnten, besonders hoch ist.

Die Schließungen von Betrieben zogen und ziehen sich durch zahlreiche Branchen. Dennoch halten sich Rechtsstreite wie dieser in Grenzen. Als ein Grund ist sicher die staatliche Hilfe auszumachen. Kurzarbeitergeld und Ausgleichszahlungen für die Wirtschaft haben manche Notlage abfedern können. Doch wie dieser Fall zeigt, fallen auch Arbeitnehmer*innen durch das Raster. Minijobber erhalten auch kein Kurzarbeitergeld. Und grade in vielen von Schließung betroffenen Branchen ist die geringfügige Beschäftigung alles andere als selten.

Rechtliche Grundlagen

§ 615 BGB Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.