Bereitschaftszeit ist mit dem Mindestlohn zu vergüten. Für den Rettungsdienst ergibt sich daraus aber kein zusätzlicher Anspruch.
Bereitschaftszeit ist mit dem Mindestlohn zu vergüten. Für den Rettungsdienst ergibt sich daraus aber kein zusätzlicher Anspruch.

Aber dabei kam auch etwas Gutes heraus, denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt:

Bereitschaftszeiten sind mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten

Das Arbeitsgericht Aachen hatte ausdrücklich offengelassen, ob die Bereitschaftszeiten vergütungsrechtlich wie Vollarbeitszeit zu bewerten sind. Im Urteil hatte das Gericht lediglich daraufhin hingewiesen, dass - selbst wenn man dies unterstelle – sich beim Kläger bei der maximalen Arbeitszeit von 48 Stunden noch ein Stundenlohn von über 12 € ergäbe. Insofern musste die Frage nicht beantwortet werden.

Vom BAG ist dazu zu hören, dass Bereitschaftszeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist. In der Pressemitteilung zur Entscheidung vom 29.06.16 heißt es: „Der gesetzliche Mindestlohn ist für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen. Zur vergütungspflichtigen Arbeit rechnen auch Bereitschaftszeiten, während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort - innerhalb oder außerhalb des Betriebs - bereithalten muss, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen“.

Das ist gut, half dem Kläger jedoch bei diesem speziellen Anliegen nicht weiter.

Anspruch auf Mindestlohn ist erfüllt

Denn im konkreten Fall war der Anspruch des Klägers auf Vergütung mit dem Mindestlohn schon erfüllt. Das sah das BAG genauso wie die Vorinstanzen.

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen einer Vier-Tage-Woche in Zwölfstundenschichten durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich beschäftigt. Es fallen regelmäßig Bereitschaftszeiten an.

Bei 48-Wochenstunden ergeben sich maximal 228 Arbeitsstunden, die in einem Monat tatsächlich geleistet werden könnten. 228 Stunden zu 8,50 Euro ergibt eine Bruttovergütung von 1.938,- Euro. Die Vergütung, die der Kläger in den streitigen Monaten (Januar und Februar 2015) erhalten hat, liegt mit 2.680,31 Euro klar darüber.

Was der Kläger wollte, war auch etwas anderes, als insgesamt für alle Stunden nach Mindestlohn bezahlt zu werden. Das Ziel war, zusätzlich zum erhaltenden Bruttolohn die Bereitschaftszeiten vergütet zu bekommen. Und dies nicht mit 8,50 €, sondern mit 15,86 €. Darauf kann man indes nur kommen, wenn die Vergütung, die der Kläger pro Monat bekommen hat, nicht schon die ganze Arbeitszeit, also Vollarbeitszeit und Bereitschaftszeit abgedeckt hätte.

Nach TVöD-V werden Bereitschaftszeiten zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet

Dafür müssen wir uns die Vergütungsregelung genauer ansehen. Durch Vereinbarung im Arbeitsvertrag findet der Tarifvertrag TVöD-V Anwendung. Danach beträgt die Wochenarbeitszeit regelmäßig 39 Stunden. Für Tätigkeiten im Rettungsdienst gibt es eine spezielle Regelung wegen der regelmäßig anfallenden Bereitschaftszeiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Dabei werden Bereitschafszeiten zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert).
Im Arbeitsvertrag war zudem folgendes geregelt: „Bei Beschäftigten im Rettungsdienst fallen regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten an. Aus diesem Grunde wird die wöchentliche Arbeitszeit unter Anwendung der Sonderregelung im Anhang zu § 9 TVöD auf durchschnittlich 48 Stunden festgesetzt."

Mit dem Blick auf die tarifliche Regelung zu den Bereitschaftszeiten als Arbeitszeiten wird auch das Anliegen des Klägers klarer. Das Grundgehalt vergüte nur Vollarbeitszeit von 39 Stunden pro Woche einschließlich der faktorisierten Bereitschaftszeiten. Die darüber hinausgehenden Bereitschaftszeiten von neun Stunden pro Woche würden gar nicht bezahlt.

Tarifliche Vergütungsregelung ist nicht durch den Mindestlohn unwirksam geworden

Der Kläger hat also geltend gemacht, die Beklagte vergüte Bereitschaftszeit nicht mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Durch das Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes sei die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung unwirksam geworden.

Im Ergebnis steht dem Kläger für seine (im Januar und Februar 2015 - nur um diese Monate ging es im Verfahren) geleisteten Bereitschaftszeiten keine - weitere - Vergütung zu.
Das BAG schloss sich wie die Vorinstanzen nicht der Meinung des Klägers an, was die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung angeht. Diese sei nicht wegen des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden.
Das Regelentgelt für den Rettungsdienst nach TVöD-V deckt damit unverändert die Vollarbeitszeit und die Bereitschaftszeiten ab. Auch aus dem Mindestlohngesetz ergibt sich kein darüber hinausgehender Anspruch auf Vergütung der Bereitschaftszeiten.

Anmerkung der Redaktion:

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann nichts entgegengesetzt werden. Denn auch uns vermag sich nicht zu erschließen, warum das Mindestlohngesetz sich auf die Regelungen zu Bereitschaftszeiten im TVöD ausgewirkt haben sollte. Die Regelungen des gesetzlichen Mindestlohns sollen sicherstellen, dass jede Arbeitsstunde mindestens mit 8,50 € vergütet wird. Der Kläger erhält aber für jede geleistete Stunde, auch eingerechnet die Bereitschaftszeiten, mehr als den Mindestlohn. Zugegeben werden die Bereitschaftszeiten nach dem TVöD-V nur zur Hälfte als Arbeitszeit gewertet. Aber dann hätte sich doch allenfalls ergeben können, dass die nicht als Arbeitszeit gewertete Bereitschaftszeit mit 8,50 € zu bezahlen ist. Der Kläger wollte aber die kompletten 9 Stunden vergütetet bekommen und das nicht mit dem Mindestlohn, sondern mit dem Tariflohn von 15,86 €.

Was bleibt ist die erfreuliche Klarstellung, dass Bereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn zu vergüten sind.

DGB begrüßt Klarheit in Bezug auf die Bereitschaftszeiten und den Mindestlohn

Der DGB begrüßt die Klarstellung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Mindestlohn für jede als Arbeitszeit geltende Zeitstunde zu zahlen ist. „Die Entscheidung bedeutet daher einen Schritt hin zu mehr Klarheit beim gesetzlichen Mindestlohn“ sagte Stefan Körzell, vom DGB-Bundesvorstand am Tag der Entscheidung des BAG in Berlin. Damit stehe fest, dass Bereitschaftsdienste zumindest mit dem Mindestlohnsatz von 8,50 Euro je Stunde vergütet werden müssen. Diese Auffassung vertreten die Gewerkschaften seit den Anfängen des Mindestlohngesetzes (Quelle: DGB, Mitteilung vom 29.06.2016)

 

Das vollständige Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Oktober 2015 - 8 Sa 540/15 – kann hier nachgelesen werden.

 

Lesen Sie auch unseren Artikel zum erstinstanzlichen Urteil in dieser Sache.

Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.06.2016 kann hier nachgelesen werden.

Lesen Sie zum Thema auch: Mindestlohn in der Pflege auch bei Bereitschaftsdienst

Rechtliche Grundlagen

Hier auszugsweise die Regelungen aus dem TVöD-V:

"B. Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in Leitstellen

(1) Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in den Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD:
Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbstständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

(2) Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen.

(3) Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im Übrigen unberührt."