Metallindustrie Rheinland-Pfalz – Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer*innen
Metallindustrie Rheinland-Pfalz – Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer*innen

In der Metallindustrie in Rheinland-Pfalz findet der Tarifvertrag über Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer vom 8.12.2005 Anwendung.

Vergleichbare tarifliche Regelungen gibt es auch in anderen Bundesländern und Branchen.

Der hier besprochene Fall betrifft eine besondere Fallkonstellation, die in der Praxis immer wieder auftritt und zu Problemen führen kann.

Vorteile der tariflichen Verdienstsicherung 

Der tarifvertragliche Anspruch auf Verdienstsicherung setzt eine dauerhafte Leistungsminderung voraus, die es den Arbeitnehmer*innen nicht länger ermöglicht entweder

  • die bisherige Tätigkeit auszuüben oder
  • in dieser Tätigkeit die bisherige Leistung zu erbringen.


Die Verdienstsicherung wird nur auf Antrag gewährt, regelmäßig verlangen Arbeitgeber Nachweise in Form von ärztlichen Attesten oder durch eine betriebsärztliche Untersuchung.

Unproblematisch sind die Fälle, in denen die Arbeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht länger ausgeübt werden kann, weil sie z.B. körperlich zu schwer geworden ist. Mit der Umsetzung auf einen leistungsgerechten Arbeitsplatz entfaltet sich der volle Segen der tariflichen Regelung, weil der Arbeitgeber trotz der vielleicht deutlich niedrigeren Eingruppierung des neuen Arbeitsplatzes das bisherige Entgelt nahezu unverändert weiterzahlen muss. In Rheinland-Pfalz beträgt die Entgelteinbuße nur 5 Prozent der vor Eintritt der Leistungsminderung erzielten Entgeltsumme.

Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz

Der über das Büro Pirmasens vor dem Arbeitsgericht in Neunkirchen und dem Landesarbeitsgericht in Saarbrücken geführte Fall gehört der zweiten Alternative in einer besonderen Konstellation an: der leistungsgeminderte Arbeitnehmer hat auf dem bisherigen Arbeitsplatz nahezu unverändert weiter gearbeitet und, da seine Leistungsminderung auf einem Arbeitsunfall beruhte, von der Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente in Höhe einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. erhalten. Auch diese Rente musste der Arbeitnehmer über das Büro Pirmasens erstreiten.

Der Tarifvertrag regelt zur Verdienstsicherung des Arbeitgebers, wenn daneben noch eine Rente geleistet wird:

  • wenn der Beschäftigte aus demselben Anlass, der zum Verdienstausgleich geführt hat, anderweitige Zahlungen erhält, vermindert sich der Geldbetrag des Verdienstausgleichs um diese Zahlungen;
  • dem Arbeitgeber sind diese Zahlungen und deren Veränderung anzuzeigen.

Was muss ich vor der Antragstellung beachten?

Mit der unüberlegten Antragstellung auf Verdienstsicherung kann man daher einiges falsch machen, was zu Ärger mit dem Arbeitgeber und finanziellen Einbußen führen kann. 

Der Arbeitgeber hat bei Beantragung der Verdienstsicherung mit dem Arbeitnehmer vereinbart, dass seine leistungsbedingte Einschränkung pauschal 20 % beträgt. Der Arbeitnehmer war in einem Gruppenprämiensystem tätig. 

Ab Kenntnis von der Zahlung der Verletztenrente hat der Arbeitgeber 20 % vom monatlichen Entgelt einbehalten (jeweils rd. 700,- EUR), die älteren Rückforderungsansprüche hat er beim Arbeitsgericht Neunkirchen eingeklagt. Da der Arbeitnehmer im Saarland wohnt, musste sich die saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit mit dem rheinland-pfälzischen Tarifvertrag befassen. Der Arbeitnehmer wurde von dem DGB Rechtsschutzbüro in Pirmasens vertreten, einschließlich einer Widerklage auf Rückzahlung der älteren und der jeweils aktuell einbehaltenen Entgeltanteile.

  • Tipp 1: Arbeitnehmer*innen müssen bei einer Lohnkürzung sofort tätig werden, nicht zu lange mit dem Arbeitgeber diskutieren! Behält der Arbeitgeber Geld ein, müssen die Rückforderungsansprüche möglichst schnell schriftlich geltend gemacht werden, sonst droht die Verfristung! 


Der Arbeitgeber konnte im gesamten Rechtszug die Höhe seiner Rückforderung gegen den Arbeitnehmer für das Arbeitsgericht nicht nachvollziehbar darlegen. Die unschlüssige Klage des Arbeitgebers wurde vom Arbeitsgericht Neunkirchen abgewiesen, die eingelegte Berufung zum Landesarbeitsgericht hat der Arbeitgeber im Verhandlungstermin auf richterlichen Hinweis zurückgenommen. Da die Klage des Arbeitgebers unschlüssig war, enthält die gerichtliche Entscheidung keine weiteren Ausführungen über ihr zugrunde liegende komplexe rechtliche Problematik.

Wann ist der Antrag auf Verdienstsicherung ohne Arbeitsplatzwechsel sinnvoll?

Das Entgeltrahmenabkommen der Metallindustrie in Rheinland-Pfalz kennt folgende Grundsätze der Entgeltgestaltung:

  • Zeitentgelt mit leistungsbezogener Beurteilung
  • Leistungsentgelt mit Kennzahlenvergleich
  • Leistungsentgelt mit Zielvereinbarung.


Auch der leistungsgeminderter Arbeitnehmer erbringt weiterhin (hier auf dem gleichen Arbeitsplatz) die vertragliche geschuldete Arbeitsleistung, diese kann im Verdienstsicherungsfall vermindert sein. Jede pauschale Regelung zum Grad der Leistungsminderung und damit der Höhe der Verdienstsicherungsleistung birgt bei einem Bezug einer Leistung Dritter, z.B. einer Verletztenrente von der Berufsgenossenschaft, einer Teilerwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung oder Rente eines Unfallschädigers, die Gefahr der Übervorteilung der Arbeitnehmer*innen in sich. 

Warum ist das so? Eine gesetzliche Unfall- oder Teilerwerbsminderungsrente wird aufgrund der gesetzlichen Vorschriften häufig - gerade bei den verdienstgeminderten älteren Arbeitnehmer*innen- in einer Höhe gezahlt, die den leistungsabhängigen Anteil des tariflichen Gesamtentgelts übersteigt. 

Die Unfallrente wird erst ab einer MdE von mindestens 20 % geleistet, in Geld beträgt sie 20 % der Vollrente (die einer MdE 100 % entspricht). In Geld beträgt die Vollrente mit einer MdE von 100 % dabei 2/3 des erzielten Jahresarbeitsverdienstes, eine MdE von 20 % somit 1/5 des Betrages der Vollrente.

Die Höhe einer Teilerwerbsminderungsrente als „halbe“ Vollerwerbsminderungsrente hat bei den älteren Arbeitnehmer*innen wegen des längeren Einzahlungszeitraumes in die Rentenversicherung regelmäßig einen Betrag erreicht, der über dem Anteil des Tarifentgelts liegt, der tatsächlich noch abhängig von der erbrachten Leistung ist.

Im Klageverfahren konnte der Arbeitgeber den behaupteten Rückforderungs- und Kürzungsanspruch nicht darlegen. Er hat es durch die pauschale Regelung mit dem Arbeitnehmer unterlassen, den Wert der ihm trotz Leistungsminderung zugeflossenen Arbeitsleistung zu bestimmen. Leistungsgeminderte Arbeitnehmer*innen dürfen jedoch nicht schlechter gestellt werden als nicht leistungsgeminderte Arbeitnehmer*innen, die eine niedrigen oder keinen Leistungsgrad erzielt haben, weil sonst auf das Tarifgrundentgelt oder nicht leistungsabhängige Entgeltbestandteile zugegriffen wird. Die Verdienstsicherung kann und will nur die Differenz zwischen der vergüteten und der erbrachten Arbeitsleistung absichern, die erbrachte Arbeitsleitung kann gerade nicht durch die Verdienstsicherung ersetzt werden.

Muss Verdienstsicherung ab dem 55. Lebensjahr beantragt werden?

Wer einen Antrag auf Verdienstsicherung stellen möchte und auf dem bisherigen Arbeitsplatz weiterarbeitet, sollte sich vor der Antragstellung überlegen, ob dies finanziell sinnvoll ist. Zu bejahen ist dies, wenn die Leistungsminderung höher und damit der reduzierte leistungsabhängige Vergütungsbestandteil geringer ist als der Absicherungsbetrag aus dem Tarifvertrag Verdienstsicherung.

  • Tipp 2: Vor der Antragstellung der Verdienstsicherung erst den Sachverhalt und die Entgeltsituation prüfen. Entsteht leistungsbedingt tatsächlich ein Entgeltverlust?

Besondere Vorsicht bei anrechenbaren Leistungen wie Renten

Wer aus dem gleichen Grund, aus dem Verdienstsicherung beantragt werden soll, eine Unfall- oder Teilerwerbsminderungsrente oder eine andere Leistung erhält, sollte sich besonders gut überlegen ob die Antragstellung auf Verdienstsicherung finanziell Sinn macht. Bei der Weiterarbeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz und einer sich im Leistungsergebnis nicht oder kaum auswirkenden gesundheitlichen Einschränkung, ist dies in den meisten Fällen finanziell ungünstig, weil die Rente oder Drittleistung auf die Verdienstsicherung anzurechnen ist. 

  • Tipp 3: Wer wegen der Leistungsminderung eine Verletzten- oder Teilerwerbsminderungsrente oder ähnliche Leistung Dritter erhält, muss die finanziellen Auswirkungen der Verdienstsicherung besonders genau prüfen. 


In dem vorgestellten Verfahren war die Beantragung der Verdienstsicherung tatsächlich unter finanziellen Gesichtspunkten nicht notwendig. Die Ansprüche des Arbeitgebers – auch die weiterlaufenden monatlichen Entgeltkürzungen - konnten im Klageverfahren abgewehrt werden. 


Wäre in der hier vorliegenden besonderen Fallkonstellation kein Antrag auf Verdienstsicherung gestellt worden, wäre eine Rentenanrechnung ebenfalls unterblieben und das Entgelt insgesamt nicht gekürzt worden. Arbeitnehmer*innen, die Verdienstabsicherung in Anspruch nehmen wollen und den Arbeitsplatz nicht wechseln, sollen sich deshalb unbedingt über mögliche Folgen beraten lassen.

  • Tipp 4: Wer bereits Verdienstsicherung und eine Rente oder ähnliche Leistung erhält, die der Arbeitgeber vollständig anrechnet, sollte sich über die Zulässigkeit beraten lassen.