Tod nach Aufhebungsvertrag – Kein Abfindungsanspruch der Erben? © Adobe Stock - Von Zerbor
Tod nach Aufhebungsvertrag – Kein Abfindungsanspruch der Erben? © Adobe Stock - Von Zerbor

Die Parteien streiten über einen im Wege der Erbfolge übergegangenen Abfindungsanspruch aus einem Aufhebungsvertrag.

Der Ehemann der Klägerin, Herr K, war ab dem 01. Januar 2009 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Projektleiter tätig. Über ihre Rechtsanwälte verhandelten Herr K. und die Beklagte über einen Aufhebungsvertrag

Mit Mail vom 23. Dezember 2019 übersandte der Vertreter der Beklagten dem Klägervertreter eine neue Fassung eines Vertragsentwurfs, der die vom Klägervertreter zuvor gewünschte Regelung aufgenommen hatte:

 

"Des Weiteren bitte ich um Verständnis, dass in Anbetracht der Erkrankung unseres Auftraggebers mit aufgenommen werden sollte, dass der Abfindungsanspruch bereits jetzt entstanden und vererblich ist"

 

Mit Schreiben vom 16.Januar 2020 versandte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter die von Herrn K. unterzeichneten Exemplare des Aufhebungsvertrages. Am 25.Januar 2020 verstarb Herr K.. Der Geschäftsführer der Beklagten unterschrieb den Aufhebungsvertrag spätestens am 27.Januar 2020; das Original ging dem Klägervertreter am 31.Januar 2020 zu.

Der Aufhebungsvertrag enthält folgende für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Bestimmungen:

 

"1. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren hiermit, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt und auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 30.06.2020 enden wird.

2. Der Arbeitgeber bezahlt an den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 34.500,00 EUR brutto, zur Zahlung fällig am 30.06.2020. Der Anspruch auf die Abfindung ist bereits mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung entstanden und damit vererblich.

3. Bis zum 30.06.2020 wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt, wobei die Parteien nach derzeitigem Stand davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer aufgrund durchgehender Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 01.01. - 30.06.2020 keinen Vergütungsanspruch haben wird. Sollte der Arbeitgeber für diesen Zeitraum wider Erwarten Vergütung (Urlaubsansprüche ausgenommen) bezahlen müssen, so reduziert sich die Abfindung gemäß Ziff. 2 um diejenige Bruttovergütung, die für den Zeitraum 01.01. - 30.06.2020 geschuldet ist. Außen vor bleiben etwaige Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers, die - ohne auf die Abfindung angerechnet zu werden - entweder in Natur gewährt werden oder mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form einer Urlaubsabgeltung zur Auszahlung gebracht werden."

 

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Tod ihres Ehemannes auf die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages keine Auswirkungen habe. 

Nachdem die Beklagte sich weigerte den vereinbarten Abfindungsbetrag zur Auszahlung zu bringen, erhob sie am 12. August 2020 Klage beim Arbeitsgericht Ulm, mit der sie, unter Hinweis auf die Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags ihres Ehegatten, die vereinbarte Abfindung forderte.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2021 erklärte die Beklagte ihren Rücktritt vom streitbefangenen Aufhebungsvertrag.

Klägerin obsiegt

Die Argumentation der Beklagten vermochte die Richter*innen des Ulmer Arbeitsgerichts nicht zu überzeugen. Mit Urteil vom 3. März 2021 gaben sie der Klage statt und verteilten die Beklagte, an die Klägerin 34.500 Euro brutto plus Zinsen seit Rechtsanhängigkeit zu zahlen.

Beklagte legt Berufung ein

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ein.

Landesarbeitsgericht kippt Ulmer Entscheidung

Zu einem anderen Ergebnis als das Arbeitsgericht kamen die Richter*innen der 2. Kammer des LAG Baden-Württemberg. Sie hoben das Urteil des Arbeitsgerichts auf und wiesen die Klage ab.

Die Begründung des LAG ergibt sich aus den Leitsätzen des Urteils, die wie folgt lauten:

 

1. Ein Aufhebungsvertrag, in dem sich der Arbeitnehmer zur Aufgabe des Arbeitsplatzes und der Arbeitgeber als Gegenleistung zur Zahlung einer Abfindung verpflichten, kommt ungeachtet des in der Vertragsabschlussphase eingetretenen Todes des Arbeitnehmers auch dann noch zustande, wenn der Arbeitgeber das Angebot des Arbeitnehmers vor dessen Tod bereits erhalten hat, es aber erst nach dem Tod des Arbeitnehmers annimmt. Das gilt auch dann, wenn nach dem Inhalt des Aufhebungsvertrags das Arbeitsverhältnis erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt hätte enden sollen

2. Allerdings verlieren die Erben des Arbeitnehmers infolge dessen Todes den Anspruch auf die vereinbarte Abfindung, weil der Arbeitnehmer bereits zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrags die von ihm geschuldete Leistung (Aufgabe des Arbeitsplatzes) nicht mehr erbringen konnte und infolgedessen auch der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt.

Revision zugelassen

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Berufungsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Sollte die Klägerin das BAG anrufen, was im Lichte der Ziffer 2, Satz 2, des Aufhebungsvertrags Sinn machen könnte, werden wir darüber berichten.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 15.12.2021, Az: 2 Sa 11/21: