Ein Arbeitnehmer könne nicht so ohne weiteres ablehnen sich zum Ersthelfer ausbilden zu lassen, meint das Gericht. 
copyright: Adobe Stock - benjaminnolte
Ein Arbeitnehmer könne nicht so ohne weiteres ablehnen sich zum Ersthelfer ausbilden zu lassen, meint das Gericht. copyright: Adobe Stock - benjaminnolte

Auf dem Firmengelände sind mehrere Betriebe der gleichen Unternehmensgruppe mit eigenen Bereitschaftsdiensten angesiedelt. Bisher waren die Pförtner Ersthelfer, die aber nach der Umorganisation nicht mehr immer, so z.B. nicht an den Wochenenden vor Ort sind. Neumanns Arbeitgeberin ordnet die neue Rufbereitschaft zwar der Abteilung zu, in der Neumann arbeitet, setzt aber nunmehr voraus, dass nur diejenigen eingeteilt werden, die Ersthelfer sind. Die Ersthelfertätigkeit mit evtl. Notfallrettung traut sich Neumann mit seiner Schwerbehinderung nicht zu. Daher lehnt er das Angebot ab, sich zum Ersthelfer schulen zu lassen. 

Kann die Umorganisation das rechtfertigen?

Neumann meint, dass unter dem Oberbegriff Umorganisation nicht seine langjährige Tätigkeit einfach geändert werden könne. Zumal auch niemand zusätzlich mit ihm Bereitschaft machen müsste, denn in seinen Zeiten der Rufbereitschaft hätten Ersthelfer Dienst. Und finanziell soll vor so einem Verdienstverlust doch der sog. Zukunftstarifvertrag der IG Metall schützen, der hier gilt. 

Seine Arbeitgeberin ist der Auffassung, Neumann habe kein Recht auf die unveränderte Tätigkeit. Und leider meint das angerufenen Arbeitsgericht Aachen das auch.

Zukunftstarifvertrag schützt (nur) vor Herabgruppierung

Die tarifliche Schutzregelung hilft Neumann nicht weiter, weil sie keinen Schutz vor Veränderung der Tätigkeit beinhaltet, sondern nur vor einer Herabgruppierung. Die Eingruppierung als solche ist geschützt. Die Lohngruppe ändert sich bei Neumann nicht. Der TV sichert also nur den Kernbestand des Arbeitsverhältnisses und nicht die Rufbereitschaft.

Neumann fällt unter die Betriebsvereinbarung

Ja, es gibt eine freiwillige Betriebsvereinbarung über die Rufbereitschaft, von der Neumann behauptet, sie sei nie bei ihm angewendet worden, er sei immer anders bezahlt worden. Das Gericht stellt aber klar, dass er dieser unterfällt und dass die Betriebsvereinbarung seiner Firma ein Direktionsrecht gibt zur Einteilung der Arbeitnehmenden für die Rufbereitschaft.

Anweisung ist nicht überzogen

Das Gericht führt weiter aus, dass die Arbeitgeberin ihr Direktionsrecht auf individualarbeitsrechtlicher Linie nicht überzogen hat. Die Arbeitgeberin müsse die Grundsätze der Prävention beachten (§ 26 DGUV). Die DGVU ist das Vorschriften- und Regelwerk der Unfallversicherungsträger. Durch Einhaltung dieser Regelungen sollen Arbeitsunfälle/Berufskrankheiten und auch alle sonstigen arbeitsgesundheitlichen Gefahren vermieden werden. In § 26 ist geregelt, wie viel Ersthelfer im jeweiligen Betrieb vorhanden sein müssen.

Auch keine unzulässige Maßregelung

Gem. § 612a BGB darf ein Arbeitnehmer nicht dafür gemaßregelt werden, dass er seine zulässigen Rechte verfolgt. Neumann hat die Ersthelfertätigkeit/die Weiterbildung dazu abgelehnt. Die Herausnahme aus der Rufbereitschaft erfolgte wegen der Ablehnung. Das macht die Maßnahme, wie im Weiteren erläutert, nicht unzulässig.

Ausbildung zum Ersthelfer kann verlangt werden

Ein Arbeitnehmer könne nicht so ohne weiteres ablehnen sich zum Ersthelfer ausbilden zu lassen. So wie es für den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gibt, habe der Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Treuepflicht. Darunter falle auch die gesetzliche Unterstützungspflicht nach § 15 Abs. 1 DGUV-V1. Persönliche Gründe könnten entgegenstehen, Neumanns einfacher Hinweis auf seine Schwerbehinderung sei dazu nicht konkret genug. 

Daher musste das Gericht nicht entscheiden, was denn als persönlicher Grund ausgereicht hätte. Für manchen geht diese Ansicht vielleicht sehr weit, aber so ganz unbekannt, ist sie unserem Rechtsystem nicht. Jeder, der einen Führerschein macht, muss einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren.

Arbeitsvertrag nicht auf Rufbereitschaft konkretisiert

In Neumanns Arbeitsvertrag steht nichts von Rufbereitschaft. Dennoch meint er, durch die jahrelange Ausübung habe sich der Vertrag doch darauf konkretisiert. Dafür, so das Gericht, wäre eine Vereinbarung nötig, die ausdrücklich aber auch konkludent sein könne. Diese könne hier nicht gesehen werden.

Betriebliche Übung wird verneint

Das Urteil setzt sich mit jedem Aspekt auseinander. Die Einteilung zur Rufbereitschaft sei nicht geeignet, vertragliche Ansprüche auf diese Leistung zu begründen, weil Neumann aus dem Verhalten der Arbeitgeberin nicht habe schließen können, ihm werde die Leistung auch zukünftig gewährt. Es ließe sich kein Verpflichtungswillen für die Zukunft erkennen. Eher würde angesichts der bußgeldbewehrten Vorschrift der DGUV-V1 eine Verpflichtung nicht dem Willen der Firma als Arbeitgeberin entsprechen.

Billiges Ermessen wurde ausgeübt

Billig heißt nicht preiswert, sondern ist hier so zu verstehen, dass eine Abwägung der wechselseitigen Interessen der Parteien zu erfolgen hat. Insbesondere muss die Maßnahme verhältnismäßig sein. Neumanns Interessen sind hier nach dem Gericht nicht schutzwürdiger, da die Arbeitgeberin die Vorgaben der DGUV-V1 umsetzen muss und ein sachliches und berechtigtes Interesse dargelegt hat, warum die Arbeitnehmenden mit der Rufbereitschaft auch Ersthelfer sein müssen. 

Im Ergebnis hat Neumann als kein Recht darauf, die bisherigen Rufbereitschaft fortzuführen und erhält auch die Pauschale nicht mehr.

Das sagen wir dazu:

Der Fall zeigt wieder, Beschäftigte können nicht darauf vertrauen, dass sich nichts ändert. Für Neumann schmerzt dies finanziell sehr. Wenn aber Umstände vertraglich nicht zugesagt sind, und der Arbeitgeber im Korridor seines Direktionsrechts bleibt, kann er Änderungen durchsetzen.