Das Gewerkschaftliche Centrum für Revision und Europäisches Recht vertritt vor dem Bundesarbeitsgericht eine geringfügig Beschäftigte, die ihren Mindestlohn einklagt.
Anwesenheitsprämie 100 DM
Die Arbeitnehmerin arbeitet 40 Stunden im Monat, jeweils Mittwoch und Freitag. Dafür bekam sie nach ihrem Arbeitsvertrag zunächst 6,36 Euro pro Stunde, ab Januar 2015 8,50 Euro. Spätere Erhöhungen des Mindestlohns sollten automatisch berücksichtigt werden.
Außerdem hatte sie aufgrund einer Zusage des Arbeitgebers aus dem Jahr 1996 Anspruch auf eine Anwesenheitsprämie. Diese betrug:
- 100 DM im Monat ohne Krankheitstage
- 25 DM bei 1 - 3 Krankheitstagen
- 0 DM bei mehr als drei Krankheitstagen
Weitere 100 DM Quartalsprämie sollte es geben, wenn in den drei Monaten kein Krankheitstag vorliegt. Diese Regelungen wurden später in eine Betriebsvereinbarung übernommen.
Arbeitgeber kürzt Prämie
Nach dem 01.Januar 2015 verrechnete der Arbeitgeber diese Prämie. Er ermittelte, welcher Zahlungsanspruch auf Grundlage des Mindestlohns besteht, rechnete den Lohn auf Basis des früher vereinbarten Lohns von 6,36 Euro gegen und zog den Differenzbetrag von der Anwesenheitsprämie ab, die er insofern unabhängig von bestehenden Krankheitstagen zahlte.
Die Klägerin erhielt dann einen Gesamtbetrag, bei dem einzelne Beträge gesondert mit „davon Anw.prämie“ ausgewiesen waren. So zum Beispiel im Februar 2015 11,76 Euro, im März 11,65 Euro, im April 23,48 Euro und im Mai 11,60 Euro.
Diese Beträge klagte sie als fehlende Bestandteile der Prämie ein. Das Arbeitsgericht Bremen hatte ihr Recht gegeben, das Landesarbeitsgericht Bremen aber hatte die Klage abgewiesen. Nun muss das Bundesarbeitsgericht entscheiden.
Mindestlohn ist vertraglich vereinbart
Angelika Kapeller vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht, die die Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht vertritt, ist optimistisch, ihr zum Erfolg verhelfen zu können.
Kapeller: Den Lohnanspruch in Höhe von 8,50 EUR hat die Klägerin schon aus dem Arbeitsvertrag. Also erfüllt der Arbeitgeber nur seine vertragliche Pflicht, ohne dafür die Anwesenheitsprämie einsetzen zu können. Diese besteht darüber hinaus und kann nicht einseitig gekürzt werden.
Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beträge tatsächlich als Anwesenheitsprämie gezahlt wurden, so Kapeller, dürfe man sie weder auf den vertraglichen Lohnanspruch noch auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen.
Anwesenheitsprämie nicht anrechenbar
Die Anwesenheitsprämie sei eben keine Vergütung für geleistete Arbeit unter besonderen Umständen. In diesem Fall könnte man sie nämlich auf den Mindestlohn anrechnen.
Die Anwesenheitsprämie sei vielmehr ein Anreiz für Arbeitnehmer, ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten zu reduzieren und dadurch dem Arbeitgeber Entgeltfortzahlungskosten zu ersparen. Sie verfolge damit ein Ziel außerhalb des unmittelbaren Leistungsaustausches.
Das Bundesarbeitsgericht entscheidet über die Sache am 11.10.2017. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens werden wir berichten.
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Rechtliche Grundlagen
§ 1 MiLoG
(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.
(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet. Der Vorrang nach Satz 1 gilt entsprechend für einen auf der Grundlage von § 5 des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag im Sinne von § 4 Absatz 1 Nummer 1 sowie §§ 5 und 6 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes.