Bekommen sie weniger Elterngeld? Copyright by pololia/fotolia.
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Die Klägerin, eine Hotelfachfrau, begehrte ein höheres Elterngeld. Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens einigte sich die Klägerin mit ihrer damaligen Arbeitgeberin darauf, dass ihr Arbeitsverhältnis enden wird. Danach bewarb die Klägerin sich um eine neue Anstellung. Im Rahmen ihrer Bewerbungen arbeitete sie noch während der Kündigungsfrist bei zwei potentiellen Arbeitgebern zur Probe. Zu einer Einstellung der Klägerin kam es jedoch nicht mehr. Nach der Probearbeit der Klägerin stellte die Frauenärztin der Klägerin bei ihr eine Zwillingsschwangerschaft fest. Die Frauenärztin beurteilte die Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für eine Fehl- bzw. Frühgeburt. Es war zu erwarten, dass das Risiko bei körperlicher Belastung zunimmt. Sie verbot daher für die verbleibende Dauer der Schwangerschaft jegliche weitere berufliche Tätigkeit. Das galt auch für solche, die schwangere Frauen üblicherweise ausüben können. Außerdem empfahl sie der Klägerin auch für den privaten Bereich körperliche Schonung und Ruhe. Die Klägerin war bis zur Geburt nicht mehr beruflich tätig. Sie bezog in dieser Zeit Krankengeld von ihrer Krankenkasse.
 

Entscheidung über den Elterngeldantrag der Klägerin

Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf ihren Antrag hin Elterngeld. Sie berechnete den einkommensabhängigen Elterngeldbetrag. Dabei setzte sie für die Zeit seit dem Ausspruch des Beschäftigungsverbotes ein Erwerbseinkommen in Höhe von 0 € an. Sie begründete dies damit, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in keinem Zusammenhang mit der Schwangerschaft gestanden habe. Ursache des Einkommensverlustes der Klägerin sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht das ausgesprochene Beschäftigungsverbot aufgrund der Risikoschwangerschaft. Durch den Ansatz mit 0 € war das errechnete Durchschnittseinkommen der Klägerin im Bemessungszeitraum rund 1.000,00 € niedriger.
 
Die Klägerin wehrte sich gegen die Berechnung der Beklagten. Sie war der Auffassung, dass die Zeit ab Ausspruch des Beschäftigungsverbotes nicht zu berücksichtigen sei, da es sich um einen schwangerschaftsbedingten Einkommensverlust handele. Deshalb sei das Einkommen der letzten zwölf Monate vor Ausspruch des Beschäftigungsverbotes für die Berechnung maßgeblich. Sie berief sich auf das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass Monate mit schwangerschaftsbedingten Erkrankungen nicht zu berücksichtigen sind, soweit die Mutter hierdurch ein geringeres Einkommen erzielt.
 

Widerspruchsverfahren und Klage waren erfolglos

Sowohl im Widerspruchsverfahren als auch vor dem Sozialgericht war die Klägerin erfolglos. Das Sozialgericht wies die Klage mit der Begründung, die Klägerin habe durch ihre Erkrankung aufgrund der Schwangerschaft nicht weniger Geld erworben. Das Arbeitsverhältnis habe vor dem Beschäftigungsverbot geendet. Einen neuen Anspruch auf Arbeitseinkommen habe sie nicht. Der Einkommensverlust im Bemessungszeitraum sei daher nicht auf die Schwangerschaft zurückzuführen.
 

Berufung erfolgreich, Landessozialgericht gibt der Klägerin Recht und verschiebt den Bemessungszeitraum

Gegen die Entscheidung des Sozialgerichts hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen folgte der Klägerin und verpflichtete die Beklagte, das einkommensabhängige Elterngeld neu zu berechnen. Dabei solle sie einen Zeitraum von zwölf Monaten vor Eintritt des Beschäftigungsverbots zugrunde legen.
 

Elterngeldberechnung: Grundsatz

Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz berechnet sich das Elterngeld grundsätzlich anhand des Einkommens der Mutter in den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes.

Elterngeldberechnung: Ausnahme bei schwangerschaftsbedingtem Einkommensverlust

Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz sieht vor, dass bei der Bestimmung des Bemessungszeitraumes Kalendermonate unberücksichtigt bleiben, in denen die berechtigte Person

  • Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat,
  • während der Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld bezogen hat,
  • eine Erkrankung hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war, und hierdurch ein geringeres Einkommen hatte,
  • Wehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, und hierdurch ein geringeres Einkommen hatte.

 

Entscheidung des Landessozialgerichts

Ebenso wie die Klägerin sah das Landessozialgericht bei der Klägerin einen Ausnahmefall. Es teilte die Auffassung der Klägerin, dass für die Berechnung des Einkommens der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit die Monate vor Eintritt des Beschäftigungsverbotes zugrunde zu legen seien. Die Monate des Beschäftigungsverbotes seien außer Betracht zu lassen. Denn die Klägerin litt während dieser Monate an einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung. Deshalb habe sich ihr Einkommen vermindert.
 
Anders als das Sozialgericht war das Landessozialgericht der Auffassung, dass die schwangerschaftsbedingte Erkrankung und nicht die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der ehemaligen Arbeitgeberin zu der Verminderung des Erwerbseinkommens der Klägerin im Bemessungszeitraum geführt habe. Nach Auffassung des Landessozialgerichts stelle nur eine solche Auslegung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes den Schutz der betroffenen Frauen sicher. Dieser Schutz sei vom Gesetz gewollt.  Ziel des Normgebers sei es zu vermeiden, dass sich das besondere gesundheitliche Risiko für schwangere Frauen bei der Berechnung des Elterngeldes nachteilig auswirkt. Der Gesetzgeber wolle nicht nur Frauen in kontinuierlicher Festanstellung, sondern alle Frauen davor bewahren, dass eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung ihren Anspruch auf Elterngeld reduziert.
 
Im Falle der Klägerin kam das Landessozialgericht zu dem Ergebnis, dass die Würdigung des konkreten Sachverhalts und der konkreten Umstände nachdrücklich dafür spreche, dass sie ohne die schwangerschaftsbedingte Erkrankung zeitnah eine neue Festanstellung gefunden hätte. Gesundheitliche Gründe außerhalb der schwangerschaftsbedingten Erkrankung, die einer Ausübung des erlernten Berufs entgegengestanden hätte, konnte das Landessozialgericht nicht feststellen. Der Einkommensverlust der Klägerin war nach Auffassung des Landessozialgerichts daher auf die Erkrankung wegen der Schwangerschaft zurückzuführen.
 
Tatsächlich hatte die Klägerin in den Monaten nach Ausspruch des Beschäftigungsverbotes überhaupt kein Erwerbseinkommen. Denn sie wegen der Komplikationen während der Schwangerschaft auf Anweisung ihrer Gynäkologin keinerlei Erwerbstätigkeit ausgeübt. Bei dieser Ausgangslage sei nach Auffassung des Landessozialgerichts ein durch die Erkrankung bedingtes geringeres Einkommen festzustellen. Dies gelte selbst dann, wenn  die Klägerin ohne die Erkrankung in den betroffenen Monaten lediglich Einkommen aus vorübergehenden Aushilfstätigkeiten erzielt hätte.

Hierauf kam es nach Auffassung des Landessozialgerichts im konkreten Fall jedoch nicht ausschlaggebend an. Es sei mit der erforderlichen Sicherheit ohnehin zu erwarten gewesen, dass die Klägerin ohne die schwangerschaftsbedingte Erkrankung eine neue Festanstellung gefunden hätte. Dafür spreche zum einen, dass sie eine Fachkraft mit langjähriger Berufserfahrung war. Und zum anderen, dass in ihrem Bereich ein großer Arbeitskräftebedarf herrsche. Hierfür sprach für das Landessozialgericht insbesondere auch, dass die Klägerin sich bereits im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung des vorausgegangenen Arbeitsverhältnisses intensiv um eine neue Arbeitsstelle bemüht habe. Sie habe bei Ausspruch des Beschäftigungsverbotes bereits bei zwei Arbeitgebern Probe gearbeitet. Das Landesarbeitsgericht ging daher davon aus, dass die Klägerin ohne das ausgesprochene Beschäftigungsverbot kurzfristig eine neue Arbeitsstelle angetreten hätte. In diesem Fall wäre es nicht zu dem Einkommensverlust gekommen. Ohne Bedeutung war nach Auffassung des Landessozialgerichts, ob die Klägerin die Aufhebung des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses grob verschuldet habe.
 
Das Landessozialgericht verpflichtete die Beklagte daher, die Höhe des Elterngeldes neu zu berechnen. Dabei muss sie nun das Erwerbseinkommens der Klägerin in den letzten zwölf Monaten vor dem Monat des Ausspruchs des Beschäftigungsverbotes zugrunde legen.

Hier gehts zum Urteil des LSG Bremen vom 22.08.2018