Viele Unternehmen haben wegen der Corona-Pandemie bereits ihre Produktion oder Dienstleister heruntergefahren oder sogar komplett eingestellt. Der Gesetzgeber hat Mitte März 2020 ein Gesetz beschlossen, das die Möglichkeiten erweitert, Kurzarbeit als Instrument der Krisenbewältigung zu nutzen.
 
Wir haben darüber berichtet:
„Leichterer Zugang zum Kurzarbeitergeld“

"Update Corona und Kurzarbeit"

 

Die Zahl der Kurzarbeit-Anzeigen ist auf Rekord-Niveau

Das Instrument wird von vielen Unternehmen auch genutzt. Die Anzeigen von Kurarbeit haben ein nie gekanntes Niveau erreicht. Im März 2020 sind bundesweit rund 470.000 Anzeigen auf Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit eingegangen. In der Regel gehen im Monat durchschnittlich weniger als 2.000 Anzeigen ein.
Hinter den nüchternen Zahlen verbergen sich menschliche Schicksale. Wenn plötzlich 40 Prozent weniger Einkommen auf das Konto eingeht, kommt selbst eine relativ wohlhabende Familie schon in die Bredouille. Viele Menschen wissen durch die Lücke im Einkommen aber nicht mehr, wie sie das Geld für Essen, Miete, Strom und Wasser zusammenbekommen sollen.
Das Wirtschafts- und Sozialinstitut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) hat Anfang April 2020 das Ergebnis einer Untersuchung zu „Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise“ vorgelegt. Das WSI hatte die Situation in 15 europäischen Ländern untersucht.

In vielen europäischen Länder wird der Einkommensverlust in der Kurzarbeit fast vollständig ausgeglichen

Irland, Dänemark, die Niederlande und Norwegen zahlen ein Kurzarbeitergeld, dass den Lohnausfall um bis zu 100 Prozent ausgleicht. In Österreich, Großbritannien, Italien und die Schweiz liegt das Kurzarbeitergeld bei 80 Prozent, wobei in Österreich die unteren Lohngruppen einen höheren Aufschlag auf bis zu 90 Prozent erhalten. In Spanien, Belgien und Frankreich wird der Lohnausfall zu 70 Prozent ausgeglichen, während in Portugal zwei Drittel gezahlt werden. Das Kurzarbeitergeld wird je nach Land auf Netto- oder Bruttobasis gezahlt. In Ländern mit einer Kompensation des Bruttoentgelts kann die Nettozahlung sogar noch deutlich höher ausfallen. Was die gesetzliche Höhe des Kurzarbeitergeldes angeht ist das reiche Deutschland Schlusslicht in Europa.

Starke Gewerkschaften zahlen sich aus

In dieser Situation zahlt es sich wieder einmal aus, wenn es starke Gewerkschaften gibt. In etlichen Branchen und Unternehmen hatten die Gewerkschaften bereits vor der Corona-Pandemie Tarifverträge abgeschlossen, die das Kurzarbeitergeld deutlich aufstocken. Zu diesen Branchen gehören laut WSI-Tarifarchiv unter anderem die Automobilindustrie, die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Sachsen, der Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen, das KFZ-Handwerk in Bayern und die chemische Industrie. Entsprechende Regelungen gibt es außerdem bei der Deutschen Bahn AG und der Deutschen Telekom. In diesen Tarifverträgen gibt es Aufstockungen auf bis zu 97 Prozent des Netto-Gehalts.

Die Gewerkschaften haben in der Krise schnell reagiert

In der Corona-Krise haben die Gewerkschaften für Beschäftigte in Kurzarbeit sehr schnell Tarifverträge verhandelt. Aktuell gibt es bereits folgende Vereinbarungen:

  • Die IG Metall hat ein kurzfristiges Krisenpaket für die Metall- und Elektroindustrie vereinbart. Bei Kurzarbeit bekommen die Beschäftigten für die ersten Monate etwa 80 Prozent ihres Lohns.
  • Mit dem Bundesverband der Systemgastronomie hat sich die NGG auf einen "Corona-Schutz-Tarifvertrag" geeinigt. Damit sind die Beschäftigten in den Betrieben, in denen auf Grund des Coronavirus in Kurzarbeit gearbeitet wird, vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Außerdem wird der Lohn der betroffenen Mitarbeiter von den Arbeitgebern auf mindestens 90 Prozent des normalen Nettolohns aufgestockt.
  • In der Filmbranche hat ver.di die Aufstockung auf die vollen Gagen bei Tarifverträgen und ansonsten auf 90 Prozent durchgesetzt. Aktuell verhandelt ver.di die Bedingungen für Kurzarbeit im öffentlichen Dienst.
  • Die EVG hat eine tarifliche Vereinbarung geschaffen, die den Arbeitgeber zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent verpflichtet. Mit der Deutschen Bahn AG hat die EVG vereinbart, dass in Betrieben, für die dieser Tarifvertrag nicht gilt, eine daran orientierte Regelung kurzfristig ergänzt wird. Entsprechende Vereinbarungen will die EVG insgesamt durchsetzen.

Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Alle Gewerkschaften setzen sich dafür ein, dass es möglichst flächendeckend entsprechende Regelungen gibt.

Mitglied einer Gewerkschaft zu sein ist gelebte Solidarität

Nicht nur beim Kurzarbeitergeld zeigt sich wieder einmal, dass die Lage der Beschäftigten dort, wo es Tarifverträge gibt, erheblich besser ist als in den tariflosen Branchen. Die Gewerkschaften haben gerade jetzt in der Krise vieles erreicht, was den Arbeitnehmer*innen das Leben mit Pandemie und Kontaktsperre erleichtert.
Die Bundeskanzlerin hat mehrfach betont, dass in der Corona-Krise unsere Solidarität auf eine harte Probe gestellt wird und den Wunsch geäußert, dass unsere Gesellschaft diese Probe besteht. Die Gewerkschaften und ihre Mitglieder haben solche Proben schon häufiger auch in noch schlimmeren Situationen bestanden  - seit mehr als 120 Jahren.