Der Mandant ist Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses. Seine Arbeitgeberin führt Notfallrettung und Krankentransporte durch. Sie beschäftigt sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistent*innen in Voll- und Teilzeit, denen sie 17 € brutto pro Stunde zahlt.

„nebenamtlicher“ Rettungsassistent kann Wunschtermine angeben

Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistent*innen tätig, die 12 € brutto erhalten. Hierzu gehört der Mandant. Als „nebenamtlicher“ Rettungsassistent wird er nicht zu Diensten eingeteilt, sondern kann Wunschtermine benennen. Ein Anspruch, nur an solchen Terminen zu arbeiten, besteht allerdings nicht. 

Denn die Arbeitgeberin teilt die „nebenamtlichen“ Rettungsassistent*innen in noch zu besetzende freie Dienstschichten ein und fragt kurzfristig an, ob die „Nebenamtlichen“ zusätzliche Dienste übernehmen, wenn „hauptamtliche“ Rettungsassistent*innen ausfallen. Unser Mandant hat einen Arbeitsvertrag, der eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorsieht. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern.

Unser Mandant sah in der geringeren Bezahlung eine unzulässige Benachteiligung als Teilzeitkraft und klagte den Differenzlohn von über 3.000 € brutto für Januar 2020 bis April 2021 ein und hatte damit vor dem Landesarbeitsgericht München Erfolg. Gegen das Urteil ging seine Arbeitgeberin in Revision vor das Bundesarbeitsgericht.

Gleiche Tätigkeit, geringerer Lohn

Thomas Heller vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht hat unseren Mandanten in diesem Verfahren vertreten. Er schätzt die Rechtslage so ein: „Teilzeitbeschäftigte dürfen nicht deshalb schlechter behandelt werden, nur weil sie in geringerem Umfang Arbeit leisten. Jedenfalls solange die Tätigkeit die gleiche ist. Und genau diese Situation haben wir hier."

Dieser Ansicht schloss sich das Bundesarbeitsgericht an: Das Landesarbeitsgericht habe zu Recht festgestellt, dass die geringere Stundenvergütung unseren Mandaten ohne sachlichen Grund benachteiligt. 

Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten seien gleich qualifiziert und übten die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Arbeitgeberin behauptete erhöhte Planungsaufwand könne die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Denn es sei nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist. 

Unterschiedliche Planbarkeit rechtfertigt keine Ungleichbehandlung

Auch wenn man unterstelle, dass die Arbeitgeberin durch den Einsatz der „hauptamtlichen“ Rettungsassistent*innen mehr Planungssicherheit habe, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, sei sie hierbei nicht frei. Sie unterliege den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und den dort geregelten Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. 

Die „nebenamtlichen“ Rettungsassistent*innen bildeten insoweit ihre Einsatzreserve. Unerheblich sei, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Beklagte lasse insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat.

Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertige keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Thomas Heller freut sich über das Ergebnis: „Diese Entscheidung war nur möglich, weil der Kläger mit Unterstützung seiner Gewerkschaft diesen langen Prozess auf sich genommen hat. Das ist umso bemerkenswerter, weil es sich ja „nur“ um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Von der Klarstellung, die das BAG jetzt vorgenommen hat, profitieren nicht nur seine Kolleginnen und Kollegen, sondern alle Teilzeitbeschäftigten in vergleichbaren Konstellationen."

 

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2023 - 5 AZR 108/22

Zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts

Hier geht es zur Berichterstattung in der Tagesschau

Bericht des MDR-Fernsehen inkl. Interview mit Thomas Heller hierzu

Rechtliche Grundlagen

§ 4 Abs. 1 TzBfG

§ 4 Abs. 1 TzBfG

Verbot der Diskriminierung
(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.