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Eine Kündigung darf keine Strafe sein
Copyright: @Adobe Stock – blattwerkstatt Eine Kündigung darf keine Strafe sein

Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht seit 2017. Die Klägerin vermutet, dass ihr Arbeitgeber das Mindestlohngesetz nicht immer richtig umsetzt und wendet sich an den gewerkschaftlichen Rechtsschutz. Dieser macht Lohndifferenzen ab Januar 2019 geltend und setzt für die Nachzahlung eine Frist. Der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers bittet um eine stillschweigende Fristverlängerung bis zum 29.08.2022.

 

Am Ende dieser Frist kommt es aber weder zu einer Zahlung, noch einer Stellungnahme dazu, ob die Forderungen aus Sicht des Arbeitgebers berechtigt sind. Vielmehr kündigt der Arbeitgeber mit Schreiben vom 29.08.2022 das Arbeitsverhältnis.

 

Kündigungsschutzklage gegen diese und eine weitere Kündigung

 

Der DGB Rechtsschutz Hannover erhebt beim örtlichen Arbeitsgericht Klage gegen die Kündigung sowie eine Zahlungsklage wegen der Mindestlohndifferenzen.

 

In einem Gütetermin im November 2022 schließen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts zunächst einen Vergleich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Die Lohnforderungen sollten damit erledigt sein. Dieser Vergleich wird von beiden Seiten widerrufen.

 

Der Arbeitgeber kündigt Ende November erneut und die Klägerin wendet sich auch gegen diese Kündigung. Nachdem sie Differenzen geltend gemacht habe, sei ausgerechnet am Tag des Fristablaufs für die Zahlungsansprüche die Kündigung ausgesprochen worden. Sowohl die erste als auch die zweite Kündigung verstießen gegen das Maßregelungsverbot.

 

Was bedeutet das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB?

 

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

 

So lautet der Gesetzestext zum Maßregelungsverbot, welches ein Sonderfall der Sittenwidrigkeit ist. Arbeitnehmer:innen sollen in ihrer Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber geschützt sein, ob

ein Recht ausgeübt wird oder nicht.

Als „Maßnahmen“ in diesem Sinne kommen auch Kündigungen in Betracht. Zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Beweggrund, also das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht aus, wenn die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Kündigung bietet. Hat sich aber ein möglicherweise vorliegender anderer Grund auf den Kündigungsentschluss nicht kausal ausgewirkt, dann ist es unerheblich, ob die Kündigung auf einen anderen Kündigungssachverhalt hätte gestützt werden können.

 

Was der Arbeitgeber dazu sagt

 

Die Kündigung verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot. Sie sei damit begründet, dass sich die Klägerin in der Vergangenheit wiederholt, teilweise gar nicht oder sehr kurzfristig arbeitsunfähig gemeldet habe. Sie habe auch wiederholt die Arbeit verweigert. Fristablauf und Kündigung seien nur deshalb zusammengefallen, da es im August 2022 eine Prüfung wegen Einhaltung des Mindestlohns gegeben habe, was zu erheblichem Arbeitsanfall geführt habe.

 

Fristablauf und Kündigung nur zufällig zusammengefallen?

 

Das konnte das Arbeitsgericht nicht wirklich glauben. Die Klägerin habe vollkommen nachvollziehbar und in sachlicher Sprache Lohndifferenzen bei ihrem Arbeitgeber eingefordert. Exakt zeitgleich mit dem entsprechenden Fristablauf und damit Abschluss der Prüfung in der Sache folgte das Kündigungsschreiben. Der Vortrag des Arbeitgebers zum Kündigungsgrund sei hingegen völlig unsubstantiiert. Es bliebe gänzlich unklar, wann genau sich die Klägerin nicht oder zu kurzfristig krankgemeldet haben soll. Ebenso bliebe unklar, wann und wo die Klägerin die Arbeit verweigert haben soll. Dies hätte aber mindestens mitgeteilt werden müssen, um zu ermessen, ob der Ausspruch der Kündigung dadurch bedingt gewesen sein könne.

 

Auch die zweite Kündigung verstößt gegen das Maßregelungsverbot

 

Das Gericht begründet dies damit, dass die Geltendmachung der Mindestlohndifferenzen durch die Klägerin andauere. Sie hatte Zahlungsklage und Kündigungsschutzklage erhoben. Ende November 2022 wurde der Vergleich widerrufen und die Klägerin verfolgte die Gehaltsdifferenzen weiter. Andere, zwischenzeitlich eingetretene Umstände für die Kündigung habe der Arbeitgeber nicht vorgetragen.

 

Zwischenzeitlich hat der Arbeitgeber gegen beide Urteile - Zahlung und Kündigung - Berufung eingelegt. Der DGB Rechtsschutz Hannover wird der Klägerin auch in der II. Instanz als starker Rechtsbeistand zur Seite stehen.

 

Rechtliche Grundlagen

§ 612a BGB Maßregelungsverbot

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.