Damit hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut eine Vertragsgestaltung in einem Arbeitsvertrag für unwirksam erklärt, die eine Arbeitnehmerin in unzulässiger Weise eingeschränkt hatte.
Frist zur Geltendmachung 3 Monate, dann 3 Monate für die Klage
Die Klägerin war vom 15. Juli bis zum 15. Dezember 2013 bei dem Beklagten, einem ambulanten Pflegedienst, als Pflegehilfskraft beschäftigt.
Der Arbeitsvertrag enthielt eine Bestimmung, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Arbeitgeber behält Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ein
Vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 war die Klägerin krankgeschrieben. Die Beklagte zweifelte an der Arbeitsunfähigkeit, obwohl die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt hatte, und zahlte die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2014 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und forderte den Beklagten auf, den fehlenden Lohn für November und Dezember 2013 zu zahlen. Sie setzte eine Frist bis zum 25. Januar 2014, die der aber verstreichen ließ.
Am 2. Juni 2014 erhob sie dann Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Der Beklagte wehrte sich mit der Behauptung, die Klägerin habe die Ausschlussfrist nicht gewahrt und der Anspruch bestehe schon deswegen nicht.
Ausschlussfrist unwirksam
Das Bundesarbeitsgericht überzeugte dieses Argument allerdings nicht. Wie auch die Vorinstanzen sprach es der Klägerin ihre Vergütung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zu.
Der Anspruch sei auch nicht aufgrund der Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag entfallen. Die Klausel, nach der die Klägerin den Anspruch innerhalb von drei Monaten nach Geltendmachung hätte einklagen müssen, sei unwirksam, weil das Arbeitnehmerentsendegesetz dies ausschließt.
Ausschlussfristen für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Pflegemindestlohn könnten nach diesem Gesetz ausschließlich in dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelt werden, nicht jedoch in einem Arbeitsvertrag. Der Verstoß gegen das höherrangige Recht in Form eines Gesetzes führt zur Unwirksamkeit der Klausel.
Anmerkung
Ausschlussfristen sind ein echtes Ärgernis für Arbeitnehmer*innen, weil sie berechtigte Ansprüche allein dadurch zerstören, dass der Arbeitnehmer sie nicht rechtzeitig geltend macht. Das Bundesarbeitsgericht hält eine Regelung, wie sie im oben geschilderten Fall getroffen wurde, grundsätzlich für zulässig.
Wenn der Arbeitnehmerin also Geld für den Monat November fehlt und der Lohn zum Monatsende fällig ist, dann muss sie das fehlende Geld spätestens bis zum 28. Februar einfordern. Wenn der Arbeitgeber darauf nicht reagiert, dann muss sie bis zum 14. Juni Klage einreichen (2 Wochen + 3 Monate).
Aber Vorsicht: Wenn der Arbeitgeber den Anspruch schon am 02. März ablehnt, egal ob berechtigt oder unberechtigt, dann endet die Klagefrist schon am 02. Juni.
Günstig für die Klägerin war in diesem Fall, dass die Regelung gegen höherrangiges Recht, nämlich das Arbeitnehmerentsendegesetz verstieß und damit unwirksam war. Ein solches Verbot gibt es auch beim gesetzlichen Mindestlohn: Er darf nicht durch Ausschlussfristen beschränkt werden, entsprechende Klauseln sind ebenfalls unwirksam.
Hier zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 24. August 2016 - 5 AZR 703/15
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Wichtige Fristen für Arbeitnehmer*innen
Im Praxistipp: § 9 Arbeitnehmer-Entsendegesetz - (AEntG) - Verzicht, Verwirkung
Rechtliche Grundlagen
§ 9 Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG
§ 9 Verzicht, Verwirkung
„Ein Verzicht auf den entstandenen Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 8 ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf das Mindestentgelt nach § 8 ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs können ausschließlich in dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach den §§ 4 bis 6 oder dem der Rechtsverordnung nach § 7 zugrunde liegenden Tarifvertrag geregelt werden; die Frist muss mindestens sechs Monate betragen.“