„Spoofing“ nennt man das Verschleiern und/oder Täuschen in Hinblick auf die eigene Identität im elektronischen Datenverkehr.

Was ist „Spoofing“?

Einen klassischen Fall des „Spoofing“ kennt man in folgender Form:
Eine falsche IP-Adresse wird genutzt, um sich unberechtigt Zugang zu einem Server zu ermöglichen.

Wird Spoofing in Zusammenhang mit dem Zugang zu einer Website angewendet, so spricht man auch von „Phishing“. Hierbei verwenden Betrüger gefälschte Internetseiten, etwa von Banken, um Kontodaten von Kunden zu erlangen.

Kassiererin wird Opfer von „Spoofing“

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hatte über folgenden Fall zu entscheiden:

Verklagt wurde eine Kassiererin, die in Teilzeit an einer Tankstelle beschäftigt ist. Im Rahmen ihrer Tätigkeit verkauft sie auch Telefonkarten für Mobiltelefone, sogenannte Prepaid-Karten.

Zu Beginn ihrer Beschäftigung wurde sie ein bis zwei Tage eingearbeitet. Hierbei sprach der Arbeitgeber das ausdrückliche Verbot aus, die Prepaid-Codes telefonisch herauszugeben.

Arbeitnehmerin gibt 124 Prepaid-Condes telefonisch heraus

An einem Abend im September 2015 rief ein Mann die Beklagte während ihrer Tätigkeit in der Tankstelle an.
Der Anrufer erklärte, er sei Mitarbeiter einer Telefongesellschaft. Weiter gab der Mann an, es müsse eine Systemumstellung der Tankstelle erfolgen. Hierzu habe man eine andere Firma beauftragt. Diese andere Firma sei für das gesamte Betriebssystem der Tankstelle zuständig.
Diese besagte Firma würde sich später zeitnah bei ihr melden, so der Mann am Telefon.

Nur zwei Minuten später rief dann tatsächlich ein zweiter Mann in der Tankstelle an.
Dieser zweite Anrufer gab sich als Mitarbeiter der Firma aus, deren Anruf der erste Anrufer zuvor angekündigt hatte.
Der zweite Anrufer behauptete nun, alle vorhandenen 30-Euro-Prepaid-Karten müssten durch neue Karten ersetzt werden.

Daraufhin scannte die Mitarbeiterin an der Kasse alle vorhandenen 124 Prepaid-Karten im Wert von jeweils 30 Euro und druckte den 14-stelligen Code der einzelnen Karten aus.

Diese Prepaid-Codes gab die sie dem zweiten Anrufer sodann telefonisch durch.

Schaden für Arbeitgeber durch betrügerische Anrufer

Die beiden Anrufer waren Betrüger. Es entstand dem Betreiber der Tankstelle ein Schaden in Höhe von 3.720 Euro.

Nach den polizeilichen Ermittlungen wurde bei den Anrufen eine falsche Nummer auf dem Telefondisplay der Tankstelle angezeigt, ein Fall vom sogenannten „Spoofing“.

Die beklagte Arbeitnehmerin sah die angezeigte Telefonnummer und ging von „echten“ Anrufen von Telefonen der Telefongesellschaft aus.

Die Versicherung des Arbeitgebers ersetzte diesem den Schaden. Danach wollte die Versicherung jedoch ihrerseits den Schaden von der Arbeitnehmerin ersetzt haben und verklagte diese.

Gericht verneint Anspruch der klagenden Versicherung

Das LAG Düsseldorf wies die Klage der Versicherung ab.

Die Versicherung hatte den Anspruch nach Auffassung des Gerichts nicht rechtzeitig geltend gemacht. Denn zur rechtzeitigen Geltendmachung hätte sie die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist wahren müssen.

Die arbeitsvertragliche Ausschlusspflicht umfasste die Haftung der Arbeitnehmerin wegen lediglich normaler Fahrlässigkeit. Demnach waren Ansprüche des Arbeitgebers wegen etwaiger Schadensersatzpflicht der beklagten Mitarbeiterin, nicht mehr gegeben.

Anspruch auf Schadensersatz nur bei grober Fahrlässigkeit durchsetzbar

Nicht ausgeschlossen durch die Klausel im Arbeitsvertrag wären jedoch Ansprüche wegen grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz.
Es stellte sich somit die Frage, ob die Beklagte grob fahrlässig gehandelt hatte, als sie die Prepaid-Codes herausgab. Zur Überzeugung des Gerichts war dies nicht der Fall.

Ein Arbeitnehmer handelt grob fahrlässig, wenn er in ganz ungewöhnlich hohem Maße nicht sorgfältig handelt, obwohl dies erforderlich ist. Zudem müsste die Beklagte im vorliegenden Falle sofort bemerkt haben, dass die Anrufer „nicht echt“ sind, aber sodann trotzdem die Codes telefonisch herausgegeben haben.

Die Beklagte war aber einem professionellen Betrug ausgesetzt gewesen. Durch die zwei Anrufe sei sie „strukturell unterlegen gewesen“, so das Gericht.

Arbeitnehmerin durfte Anrufer für echt halten

Bei der Eingabe der 124 Karten in das Kassensystem wurde die Beklagte von diesem gerade nicht gefragt, ob die Eingabe wegen einer telefonischen Kontrollanfrage erfolgte. Dies war aber sonst in solchen Fällen stets üblich.

Nach den beiden Anrufen durfte die Beklagte aufgrund der unterbliebenen Kontrollanfrage durch das System davon ausgehen, dass sie in diesem Moment richtig handelte.

Die Beklagte musste auch in dieser Situation das Verbot der telefonischen Weitergabe der Codes nicht beachten. Sie durfte davon ausgehen, dass eine Ausnahme vom Verbot vorläge.

Aus ihrer Sicht war es somit zu diesem Zeitpunkt richtig, die Codes telefonisch herauszugeben. Andersfalls hätte sie von ihrem Standpunkt aus womöglich die notwendigen Arbeiten am Betriebssystem behindert.

Hintergrund: Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber

Das LAG Düsseldorf betont die Haftungserleichterung für Arbeitnehmer*innen.

Im Arbeitsrecht gelten andere Haftungsmaßstäbe als im normalen Zivilrecht. Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber die ordnungsgemäße Leistung der vereinbarten Arbeit. Unterlaufen dem Arbeitnehmer hierbei Fehler, die dann zu einer Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers führen, gelten besondere arbeitsrechtliche Regeln.

Im Bereich des Arbeitsrechts hat die Rechtsprechung eine Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer etabliert.

Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer

Dem liegt folgender Gedanke zugrunde:
Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko, also das Risiko, am Markt mit seinen Produkten oder Dienstleistungen zu bestehen.

Darüber hinaus trägt er auch das sog. Betriebsrisiko. Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, sein Produkt oder seine Dienstleistung überhaupt herstellen bzw. leisten zu können.
Dieses Risiko kann der Arbeitgeber mannigfaltig abmindern, zum Beispiel in Form von Versicherungsschutz.

Der Arbeitnehmer hingegen schuldet dem Arbeitgeber vor allem seine Arbeitsleistung. Er trägt weder Wirtschafts- noch Betriebsrisiko.

Neben der Pflicht zu Erbringung der Arbeitsleistung ist es aber auch die Pflicht, auf die Betriebsmittel des Arbeitgebers zu achten. Der Arbeitnehmer darf die Betriebsmittel nicht beschädigen oder gar zerstören. Beachtet er in diesem Zusammenhang bei der Ausübung seiner Arbeit nicht die erforderliche Sorgfalt, handelt er fahrlässig.

Kommt es zu einem Schaden, so ist der Arbeitnehmer eigentlich zum Schadensersatz verpflichtet. Aber genau hier greift eine Besonderheit des Arbeitsrechts ein:

Würde der Arbeitgeber die Produkte und Dienstleistungen nicht mit Hilfe seiner Arbeitnehmer herstellen bzw. leisten, müsste er dies selbst, d.h. höchstpersönlich tun. Hierbei würden dem Arbeitgeber sehr wahrscheinlich eigene Fehler unterlaufen. Er würde seine eigenen Betriebsmittel schädigen. Denn nicht jeder Handgriff „sitzt 100%ig“.
Der Arbeitgeber würde somit auch selbst oft zumindest leicht fahrlässig handeln.

Zudem kann schon eine kleine Unachtsamkeit im Arbeitsleben große Schäden verursachen. Solche Schäden können das Gehalt eines Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigen.

Diese nachvollziehbare Gefahren soll der Arbeitgeber nicht dadurch umgehen können, dass er eine andere Person zur Durchführung der Arbeiten verpflichtet und diese dann für Schäden haftet.

Haftung je nach Verschuldensgrad

Daher haftet der Arbeitnehmer bei einem nur leicht fahrlässig verursachten Schaden überhaupt nicht. Solche Schäden kann der Arbeitgeber leicht mit Versicherungsschutz abdecken.

Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt eine Quotelung mit einer nur anteiligen Haftung des Arbeitnehmers in Betracht. Hier muss aber immer der Einzelfall betrachtet werden. So etwa, inwieweit die Arbeit gefahrgeneigt ist.

Bei grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz haftet der Arbeitnehmer jedoch in der Regel voll.

Aber es kann auch bei grober Fahrlässigkeit eine Begrenzung der Haftung in Betracht kommen.
Die Haftung könnte etwa durch Urteil des Gerichts auf drei Bruttomonatsgehälter beschränkt sein. Dies ist aber ebenfalls eine Frage des Einzelfalls.

Landesarbeitsgericht verneint grobe Fahrlässigkeit bei „Spoofing“

Zutreffend verneinte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf eine grobe Fahrlässigkeit der beklagten Kassiererin. Genauso sah es zuvor das Arbeitsgericht Essen als erstinstanzliches Gericht.

Aber Achtung: Die klagende Versicherung wahrte die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist nicht. Jedenfalls deshalb bestand kein Anspruch wegen normaler Fahrlässigkeit.

Wäre der Fall anders gelagert gewesen und hätte die Klägerin die Ausschlussfrist gewahrt, hätte womöglich eine anteilige Haftung der Beklagten im Raum gestanden.

Als Quote wäre dann etwa eine Haftung zu 1/3 oder gar ½ in Frage gekommen.

Praxistipp: Im Zweifel beim Vorgesetzten nachfragen!

Arbeitnehmer sollten in Situationen, in denen sie von eindeutigen Anweisungen des Arbeitgebers abweichen wollen, stets eine Anfrage an den Vorgesetzten richten. So ist man jedenfalls auf der sicheren Seite. Eine Rückversicherung beim Vorgesetzten in Ausnahmesituationen kann einem Arbeitnehmer niemals zum Vorwurf gemacht werden.

Hier geht`s zur Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.08.2017 zum Urteil vom 29.08.2017, 14 Sa 334/17


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Im Zweifel beim Vorgesetzten nachfragen!

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