Nicht immer können Jurist*innen die Rechte ihrer Mandanten durchsetzen. Das gilt selbst dann, wenn ein Anspruch auf Grund vorhandener Vereinbarungen an sich bestehen würde. Manch ein*e Arbeitnehmer*in wartet zu lange mit der Beauftragung von Prozessbevollmächtigten. Diese sehen sich dann in einer Situation, in welcher ihnen eine Verwirkung des Anspruchs entgegen gehalten wird.
Da lässt sich dann oft nichts mehr machen.
Was unter einer Verwirkung zu verstehen ist und welche rechtlichen Voraussetzungen dafür gelten hat das Arbeitsgericht Karlsruhe im Oktober letzten Jahres entschieden.
Betriebsrente als Abfindung oder Monatsrente?
Der Kläger des Verfahrens war bereits im April 2014 bei seinem Arbeitgeber ausgeschieden. Er beantragte damals die Gewährung der ihm zustehenden Betriebsrente. Die ihm übersandten Unterlagen enthielten das Formblatt für den Antrag und weitergehende Informationen zur Auszahlung. Der Kläger konnte zwischen einer Abfindung und einer monatlichen Rente wählen.
Nachfolgend gab es verschiedene Kontakte des Klägers mit dem Rentenservice seines Arbeitgebers. Seinen ursprünglichen Antrag auf komplette Auszahlung seines Guthabens wollte der Kläger zunächst nicht weiter bearbeitet haben. Er beabsichtigte, sich steuerlich beraten zu lassen. Nachfolgend teilte er mit, die vollständige Verrentung des Vorsorgeguthabens zu wünschen.
Dafür musste er eine Antragsfrist einhalten. Der Antrag ging beim Rentenservice fristgemäß ein, wobei sich die Parteien darüber stritten, ob es sich dabei um das Original oder eine Kopie handelte. Für einen ordnungsgemäßen Antrag war nach Auffassung des Arbeitgebers das Original erforderlich.
Klageerhebung erst drei Jahre später
Nachdem dieser aus dessen Sicht nicht vorlag, erhielt der Kläger nach seinem ursprünglichen Antrag geringe monatliche Betriebsrenten und zusätzlich höhere jährliche Zahlungen in Form von Einmalbeträgen. Damit war er nicht einverstanden. Er ersuchte aber erstmals drei Jahre später rechtlichen Rat. 2018 kam es dann zur Klageerhebung beim Arbeitsgericht Karlsruhe.
Der Kläger hatte mit der Durchsetzung seiner Forderung über drei Jahre gewartet. Das hielt das Arbeitsgericht für zu lange. Es sah die Forderung als verwirkt an.
Verwirkung stellt widersprüchliches Verhalten dar
Das Gericht verweist in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofes. Danach bedeute die Verwirkung den Verlust eines Rechts. Dieses Recht dürfe der Gläubiger längere Zeit nicht in Anspruch genommen haben. Der Schuldner müsse sich dadurch darauf verlassen können, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Die Verwirkung stelle einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung dar, so das Arbeitsgericht. Sie solle damit der Rechtsklarheit dienen. Sie habe dabei allerdings nicht den Zweck, Schuldner von ihrer Verpflichtung vorzeitig frei zu machen.
Zu Zeitmoment muss immer auch Umstandsmoment hinzutreten
Deshalb reiche es nicht aus, wenn der Gläubiger einer Leistung diese über längere Zeit hinweg nicht geltend gemacht habe. Zeitablauf alleine rechtfertige die Verwirkung eines Rechts nicht.
Es müsse immer auch ein sogenanntes Umstandsmoment hinzukommen. Dies seinen besondere Umstände im Verhalten des Berechtigten. Diese besonderen Umstände könnten es rechtfertigen, die spätere Rechtsausübung nicht mehr zuzulassen.
Das sei dann der Fall, wenn der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben sei und der Verpflichtete darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Umstände des konkreten Einzelfalles maßgeblich
Ob eine Verwirkung eingetreten sei, sei von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Die Verwirkung könne damit auch erheblich vor der Verjährung eintreten.
Eine Verwirkung setze konkrete Umstände voraus, die den Schuldner in seiner Meinung bestärkten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Feste Kriterien gebe es dafür nicht. Die spätere Geltendmachung eines Rechts müsse angesichts der längeren Untätigkeit als widersprüchlich erscheinen.
Bloße Untätigkeit falle dann ins Gewicht, wenn von dem Berechtigten eine aktive Verfolgung seiner Rechte erwartet werden könne. Dies gelte insbesondere dann, wenn das Recht bereits in Anspruch genommen worden sei und der Berechtigte dann auf einen späteren Widerspruch der Gegenseite untätig geblieben sei.
Vertrauen muss schutzwürdig sein
Das Vertrauen des Schuldners müsse außerdem schutzwürdig sein. Dies sei dann gegeben, wenn der Berechtigte zunächst Maßnahmen der Rechtsverfolgung einleite, diese dann aber nicht weiter verfolge.
Die Verwirkung sei in einem Prozess anders als die Verjährung von Amts wegen zu prüfen. Es komme also nicht darauf an, dass der Schuldner diese geltend mache.
Kläger nahm sein Recht lange Zeit nicht in Anspruch
Hier habe der Kläger sein Recht lange Zeit nicht in Anspruch genommen. Die Klageerhebung war erst drei Jahre nach der ursprünglichen Geltendmachung erfolgt. Das Gericht ging bei dieser Konstellation von der Verwirkung des Anspruchs des Klägers aus.
Die Beklagte habe auf Grund des konkreten Verhaltens des Klägers davon ausgehen können, dass sie nach einem so langen Zeitraum nicht erneut mit der Geltendmachung dieser Ansprüche zu rechnen habe.
Der Kläger habe auch über drei Jahre hinweg Leistungen erhalten, die seinem ursprünglichen Antrag entsprochen hätten. Die Beklagte hatte in dieser Zeit etwa 30.000,- € an den Kläger gezahlt. Dieser habe die Zahlung auch ohne Widerspruch entgegen genommen.
Unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte sei ebenfalls eine Verwirkung anzunehmen. Die steuerliche Situation sei nämlich nicht mehr rückgängig zu machen, wenn die Auszahlungsart der Betriebsrente geändert werde.
Das stelle den erforderlichen Umstandsmoment für eine Verwirkung dar. Der Kläger konnte damit nicht mehr durchsetzen, eine andere Variante der betrieblichen Altersvorsorge zu erhalten.
Auf die Frage, ob der Antrag im Original unterschrieben vorlag kam es nach den Ausführungen des Gerichts dabei nicht mehr an.
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