ereinbart eine Artistengruppe mit einem Zirkusunternehmen, im Rahmen einer Zirkusaufführung eine in einem Video dokumentierte Artistennummer darzubieten, liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor.

Aufführungen „ wie auf Youtube gesehen“

Die Beklagte betreibt einen Zirkus. Die Kläger, eine Artistengruppe, hatte sich verpflichtet, im Rahmen der von der Beklagten veranstalteten Zirkusaufführungen, eine von ihnen zuvor einstudierte „Hochseil- und Todesradnummer … gesehen wie auf dem Video bei Youtube“ darzubieten.


Die Verpflichtung wurde in einem von den Parteien sog. „Vertrag über freie Mitarbeit“ festgehalten. Dieser sah Dieser für die Tätigkeit "Hochseil" und "Todesradnummer" ein Tageshonorar in Höhe von. 550,00 Euro vor. Der Vertrag konnte unter Einhaltung einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden.


Während der Premierenveranstaltung verunglückte einer der Kläger. Als die übrigen Kläger in der Folgezeit erfuhren, dass die Beklagte sie nicht zur Krankenversicherung angemeldet hatte, weigerten sie sich aufzutreten. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, das Rechtsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht zu kündigen.

Bundesarbeitsgericht verneint Arbeitnehmerstatus

Während das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abwies, es liege kein Arbeitsverhältnis vor, gab das Landesarbeitsgericht der Klage statt. Es ging davon aus, die Beklagte habe die Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt und sei deshalb verpflichtet gewesen, sie zur Krankenversicherung anzumelden.


Dem widersprach der neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts. Anders als das Landesarbeitsgericht sah das BAG die Kläger nicht als Arbeitnehmer. Vielmehr erbrachten die Kläger ihre Artistenleistung nach Ansicht der Richter*innen als freie Dienstnehmer.


Der „Vertrag über freie Mitarbeit“ sehe ein für Arbeitsverhältnisse charakteristisches Weisungsrecht nicht vor. Tatsachen, die auf eine von dieser Vereinbarung abweichende Durchführung des Vertrages schließen lassen, habe das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

Persönliche Abhängigkeit als zentrales Kriterium

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist deshalb, nur derjenige, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. 


Die Beantwortung der Frage, welche Art von Rechtsverhältnis vorliegt, erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. In diesem Fall vermochten die Richter eine solche Weisungsabhängigkeit nicht zu erkennen.


Es liege daher liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor, wenn eine Artistengruppe mit einem Zirkusunternehmen vereinbart, im Rahmen einer Zirkusaufführung eine in einem Video dokumentierte Artistennummer darzubieten.

Anmerkung:

Im Ergebnis ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes sicher richtig: Der Zirkusbetreiber hat, soweit ersichtlich, keinen Einfluss auf die Darbietung an sich genommen, sondern diese „wie gesehen gekauft“. Zudem sprechen die Bezeichnung im Vertrag als „freie Mitarbeit“ und die Vereinbarung eines Honorars gegen die Arbeitnehmerstellung.


Zugleich aber wird in dem Fall deutlich, wie prekär eine Umgehung des Arbeitnehmerstatus für die Beteiligten ist: Als Arbeitnehmer hätte der verunglückte Kläger Anspruch auf Lohnfortzahlung gehabt, er hätte Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung oder sogar der Unfallversicherung gehabt. Im schlimmsten Fall auch Anspruch auf eine Erwerbsminderungs- oder Verletztenrente.


All dies entfällt, weil er als freier Mitarbeiter beschäftigt war, die Absicherung der berufsbedingten Risiken trägt er ganz allein. Zudem ist er auch im gesunden Zustand davon abhängig, dass der Zirkus seine Leistung abruft und nicht etwa, mangels Zuschauerinteresse, storniert.

 

Hier zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes zum Urteil vom 11. August 2015 Az:9 AZR 98/14 -