Ein Kunststoff verarbeitender Betrieb der Automobilindustrie im Raum Darmstadt wollte im Rahmen einer betrieblichen Umstrukturierung insgesamt 34 von rund 350 Mitarbeitern entlassen. Im November 2004 vereinbarte die Geschäftsleitung mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich, in dessen Rahmen Maßnahmen zur Prozess- und Materialoptimierung vorgenommen sowie Kosten durch Personalabbau eingespart werden sollten.

Die Geschäftsleitung stellte Sozialauswahllisten der Mitarbeiter auf – mit einer jeweiligen Zuordnung von Sozialpunkten. Aus diesen Listen herausgenommen waren 20 so genannte Leistungsträger, denen gemäß § 1 Absatz 3 Kündigungsschutzgesetz aus dringenden betrieblichen Gründen wegen ihrer besonderen Fähigkeiten nicht gekündigt werden sollte. Der Kläger, ein 43-jähriger Mitarbeiter in der Kunststoffproduktion, und zwei weitere von Kündigung betroffene Kollegen wandten sich über ihre Gewerkschaft an das Darmstädter Büro der DGB Rechtsschutz GmbH. Diese erhob Kündigungsschutzklage – in allen drei Fällen mit Erfolg.

 

Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft

 

„Die Hürde, eine Kündigung mit Interessenausgleich und Namensliste anzufechten, ist vom Gesetzgeber sehr hoch gesetzt“, erläutert Markus Bär, Rechtssekretär im Büro Darmstadt, „es muss eine grobe Fehlerhaftigkeit nachgewiesen werden.“ Steht ein Arbeitnehmer erst einmal auf der Namensliste eines Interessenausgleiches, wird vermutet, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen und eine ordnungsgemäße Sozialauswahl vorgenommen wurde. „Die Beteiligung der Betriebsräte im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitwirkungsrechte stellt sozusagen eine Richtigkeitsgewähr dar“, erklärt Markus Bär. Der Rechtssekretär konnte jedoch zahlreiche Fehler der Geschäftsleitung in der Vorgehensweise wie in der Begründung der Kündigung nachweisen. Selbst die Anhörung des Betriebsrats stellte sich als fehlerhaft heraus.

 

Urteil eindeutig: Berufung chancenlos

 

Schließlich rechnete der Rechtssekretär genau nach und stellte fest, dass die Punktezuteilung auf der Sozialauswahlliste falsch berechnet war. Dem seit 1991 im Betrieb beschäftigten Kunststoffarbeiter standen aufgrund von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit nach dem Punkteschema der beklagten Firma 59 statt der aufgelisteten 55 Punkte zu. Auch die Herausnahme der Leistungsträger aus der Sozialauswahlliste konnte der Arbeitgeber nicht stichhaltig begründen. „Schwammige Charakterisierungen wie Sorgfalt, Fingerspitzengefühl oder Qualitätsbewusstsein“, zählt Markus Bär auf, „sind nicht greifbar und völlig unkonkret.“ So sah der Arbeitsrichter dies auch. Zudem konnte die beklagte Geschäftsleitung des Automobilzulieferers die dringenden betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung nicht darlegen. Rechtssekretär Bär wies detailliert nach, dass die Kündigung, die Sozialauswahl und die Auswahl der Leistungsträger den gesetzlichen Anforderungen in keinem Fall genügten.

Das Urteil war so eindeutig, dass der Anwalt der Firma die Berufung als chancenlos wieder zurückgenommen hat.