Ein Kommentar in sozialen Medien kann schwere Konsequenzen haben. © Adobe Stock: sitthiphong
Ein Kommentar in sozialen Medien kann schwere Konsequenzen haben. © Adobe Stock: sitthiphong

Die Masseurin und medizinische Bademeisterin eines Reha-Zentrums war mit der Situation im Haus ihres Arbeitgebers nicht einverstanden. Das tat sie auf "Facebook" unter anderem mit folgenden Worten kund:

 

„Die ...-Klinik ist einfach hinüber, nicht mehr zeitgemäß"

„Das alte Gebäude macht Arbeitnehmer krank"

„Wir haben in der der ...-klinik einen guten Maler, der prima tarnen und täuschen kann - der Zustand des Hauses entspricht ungefähr der gleichen 70er Jahre Bauzeit  - schlechter Beton halt"

„Renovierung reicht schon lange nicht mehr in diesem Haus"

„Alleine die Sicherheitsstandards sind nicht mehr regelgerecht und auf dem neuesten Level"

„Alleine die in den kleinen Zellen, die sich Zimmer schimpfen, möchte kein Kranker mehr wohnen"

„Die ...-klinik ist nicht mehr haltbar"

„Nach dem Duschen die Armatur abschrauben, machen Sie das zu Hause auch?"

„Die Kardiologie gibt es bald nicht mehr."

 

Die Äußerungen hatten Konsequenzen

 

Dass dem Arbeitgeber diese öffentlichen Ausführungen nicht gefielen, leuchtet ein. Er hörte die Klägerin an und gab ihr die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme. Diese äußerte sich dahingehend, sie habe die Kommentare nicht in böswilliger und abwertender Absicht geschrieben, sondern lediglich die Meinungen und Aussagen eines vorhergehenden Kommentars richtigstellen wollen. Sie entschuldigte sich und erklärte, dass sie sich in keiner Weise mehr in der Öffentlichkeit über den Arbeitgeber äußern werde.

 

Das reichte der Klinikleitung nicht aus. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum Jahresende 2022. Das DGB Rechtsschutzbüro Bayreuth erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht.  Ein wichtiger Grund für die ausgesprochene Kündigung sei nicht gegeben. Darüber hinaus rügten die Jurist*innen, der Arbeitgeber habe bei der Kündigung die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten.

 

Die Beklagte hielt dem entgegen, die Aussagen der Klägerin könnten nicht zuletzt auch durch die vielen negativen Presseberichte zum Standort nicht toleriert werden. Solche unqualifizierten Äußerungen würden den Ruf der Klinik und folglich auch der Beklagten nachhaltig schädigen. Darüber hinaus habe die Klägerin nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Interna nach außen getragen.

 

Das Arbeitsgericht stimmte der Klägerin zu

 

Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht beenden können, so das Gericht.

 

Eine außerordentliche Kündigung sei in zwei Stufen zu prüfen.

 

Der Arbeitgeber habe zunächst darzulegen und nachzuweisen, dass der zur Kündigung führende Sachverhalt an sich geeignet sei, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es müsse aus objektiver Sicht ein wichtiger Grund für die Kündigung gegeben sein.

 

Die maßgeblichen Umstände müssten sich konkret nachteilig auf das zukünftige Arbeitsverhältnis auswirken. Entscheidend sei dabei nicht der Kenntnisstand oder das subjektive Empfinden des Arbeitgebers. Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und der nachfolgenden Interessenabwägung habe der Arbeitgeber einen objektiven Maßstab anzulegen. Subjektive Gründe könnten dabei im Rahmen eines verständigen Ermessens einfließen.

 

Das Gericht orientierte sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

 

Im Anschluss daran finde eine Interessenabwägung statt. Dabei komme es darauf an, inwieweit im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des*der Betroffenen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden könne.

 

Diese Prüfung orientiere sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine außerordentliche Kündigung sei nur zulässig, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls möglichen und angemessenen milderen Mittel erschöpft seien. Eine außerordentliche Kündigung sei damit nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme für den Arbeitgeber darstelle.

 

Grundsätzlich stelle eine ordentliche Kündigung die übliche und grundsätzlich ausreichende Reaktion auf die Verletzung von Vertragspflichten dar. Für eine fristlose Kündigung müsse deutlich werden, dass die konkrete Pflichtverletzung durch erschwerende Umstände verstärkt werde. Dies sei nur bei einem nachhaltigen Verstoß gegen Weisungen oder Interessen des Arbeitgebers der Fall.

 

Grobe Beleidigungen oder Äußerungen, die nach Form und Inhalt eine Ehrverletzung bzw. Rufschädigung für den Arbeitgeber bedeuten, könnten eine verhaltensbedingte Kündigung, unter Umständen sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

 

Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung ist zu beachten

 

In dieserart getätigte Äußerungen fließe das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG mit ein. Dieser Grundrechtsschutz bestehe unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos sei und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertlos oder wertlos gehalten werde.

 

Der Grundrechtsschutz beziehe sich sowohl auf den Inhalt als auch die Form der Äußerung. Polemische oder verletzende Formulierungen entzögen einer Äußerung nicht den Schutz der Meinungsfreiheit.

 

Die Meinungsfreiheit gelte jedoch nicht schrankenlos. Sie sei beschränkt durch allgemeine Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit müsse regelmäßig zurückweichen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde darstelle.

 

Die Angaben des Arbeitgebers reichten nicht

 

Die Beklagte habe im Prozess nicht ausreichend nachgewiesen, dass die Klägerin rechtswidrig Interna nach außen getragen habe. Es sei weder nachvollziehbar, woher die Klägerin ihr Wissen gehabt habe, noch, dass es sich dabei um eine Tatsache handelte, die nicht nach außen gegeben werden durfte.

 

Auch die weiteren, auf Facebook getätigten Äußerungen stünden zu der ausgesprochenen fristlosen Kündigung in keinem Verhältnis. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass diese Äußerungen falsch seien. Wahre Tatsachenbehauptungen könnten jedoch nur in Ausnahmesituationen einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen.

 

Soweit es um Wertungen und Meinungen der Klägerin gehe, griffen die Grundsätze der Meinungsfreiheit. Die Klägerin habe sich zwar provokant und teilweise polemisch geäußert und damit auch den von der Beklagten ausgemachten negativen Ruf des Klinikums gefördert. Diese Äußerungen seien jedoch vom Arbeitgeber hinzunehmen.

 

Das Arbeitsgericht bezweifelte bereits, dass sich bei den von der Klägerin getätigten Äußerungen um eine Pflichtverletzung gehandelt hat. Insbesondere nachdem die Klägerin sich entschuldigt und erklärt habe, sie werde sich in der Öffentlichkeit über den Arbeitgeber nicht mehr äußern, reiche deren Verhalten für eine fristlose Kündigung nicht aus.

 

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB hatte die Beklagte nicht eingehalten

 

Die Beklagte hätte im Übrigen bereits frühzeitig über E-Mail Kenntnis von den Äußerungen der Klägerin auf Facebook erhalten. Die komplette Konversation ergebe sich aus darin enthaltenen Screenshots. Mit Eingang dieser E-Mail hätten der Beklagten damit zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnisse vom Kündigungssachverhalt vorgelegen.

 

Einer weiteren Anhörung der Klägerin habe es daher nicht mehr bedurft. Die im Prozess von der Beklagten geäußerten „Missverständnisse“, die zur Notwendigkeit einer weiteren Anhörung geführt haben sollen, ließen sich auch im Verhandlungstermin aus Sicht des Arbeitsgerichts nicht aufklären. Auch der Prozessvertreter der Beklagten im Gerichtstermin sah sich offensichtlich nicht in der Lage, hierzu nähere Angaben zu machen.

 

Weil aufgrund der ausreichenden Aufklärung des Sachverhaltes kein Anlass für weitere Ermittlungen bestanden habe, sei die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB deshalb mit Kenntnis der E-Mail in Gang gesetzt worden.

 

Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war diese Frist bereits abgelaufen. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage daher auch aus diesem Grund statt.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth.

Rechtliche Grundlagen

§ 626 Abs. 2 BGB; Art. 5 Abs. 1 GG

§ 626 Abs. 2 BGB
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Art. 5 Abs. 1 GG
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.