Beleidigungen gegen den Chef und Arbeitskollegen rechtfertigen nicht immer eine Kündigung. © Adobe Stock: satura
Beleidigungen gegen den Chef und Arbeitskollegen rechtfertigen nicht immer eine Kündigung. © Adobe Stock: satura

Die 1957 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 01. Februar 2003 bei der Beklagten als Ökonomin beschäftigt.

 

Nachdem sie ein Kündigungsschutzverfahren vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) im November 2016 gewonnen hatte, kehrte sie zu ihrem Arbeitsplatz zurück. Ihr wurden Archivarbeiten übertragen, die sie in einem verschimmelten Kellerraum zu erbringen hatte, der einen Mäusebefall und nur eine Temperatur von 11 °C aufwies. Später erhielt sie ein Büro, musste aber über einen Hof schwere Akten transportieren, um die Archivierungsarbeiten ausführen zu können.

 

Im November 2019 erhielt sie eine fristlose Kündigung, weil sie ihren Chef und Arbeitskollegen während eines Telefonats mit einer ehemaligen Arbeitskollegin beleidigt hatte. Unter anderem sagte sie, dass der Flur stinke, nachdem der Chef ihn betreten habe. Die Kollegen betitelte sie als "fett" und "blöd".

 

Gegen die fristlose Kündigung erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Nordhausen.

 

Erstinstanzlich erfolgreich

 

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Nach Auffassung des Gerichts hätte die Kündigung einer vorherigen Abmahnung bedurft. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim LAG Thüringen ein.

 

LAG bestätigt Entscheidung des Arbeitsgerichts

 

Die fristlose Kündigung, so das Berufungsgericht, sei mangels vorheriger Abmahnung unverhältnismäßig und daher unwirksam. Zu beachten sei, dass die Klägerin menschenunwürdig in einem kalten, verdreckten und gesundheitsgefährdenden Keller beschäftigt war. Dies sei zwar keine Rechtfertigung für Beleidigungen, stelle aber eine Zumutung dar. Entsprechend erhöht sei das Maß an Zumutbarem, welches die Beklagte hinzunehmen habe. Zudem könne in einem solchen Fall der Blick auf die Bedeutung der Äußerung verstellt sein.

 

 

Beleidigung der Arbeitskollegen begründet keine Kündigung

 

Die Kündigung ist nach Ansicht des LAG auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin auch ihre Arbeitskollegen beleidigt hat. Zu ihrem Gunsten sei zu berücksichtigen, dass durch die geschilderten Arbeitsbedingungen

verständlicherweise die Unzufriedenheit im Arbeitsverhältnis extrem groß war und dass dies zu einer emotional außergewöhnlichen Situation führte.

 

 

 

Hier finden Sie das vollständige Urteil des LAG Thüringen vom 29.06.2022.