Der Kläger arbeitete im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung zehn Stunden wöchentlich als Fahrzeugreiniger. © Adobe Stock: Dusko
Der Kläger arbeitete im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung zehn Stunden wöchentlich als Fahrzeugreiniger. © Adobe Stock: Dusko

Mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden war der Kläger bei einer Leiharbeitsfirma im Bereich der Fahrzeugpflege beschäftigt. Sein Arbeitgeber hatte ihn an ein Unternehmen ausgeliehen, für welches er als Fahrer und Kfz-Pfleger arbeitete. Der letzte Überlassungsvertrag umfasste den Zeitraum von Juni 2019 bis März 2020. Über diesen Zeitpunkt hinaus schlossen Verleiher und Entleiher einen weiteren Überlassungsvertrag nicht ab.

 

Keine 10-Stunden-Kräfte gewünscht

 

Bereits im Februar 2020 setzte die beklagte Leiharbeitsfirma den Kläger nicht mehr ein. Er erhielt zunächst volle Lohnfortzahlung. Der Vertragspartner der Beklagten hatte keine weiteren 10-Stunden-Kräfte mehr entliehen.

 

Die Beklagte nahm das zum Anlass, das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.August 2022 zu kündigen.

 

In der vom Rechtschutzbüro Hannover erhobenen Kündigungsschutzklage verwies der Kläger auf seinen Arbeitsvertrag, womit eine Überlassung in der gesamten Bundesrepublik Deutschland vereinbart war. Seiner Ansicht nach verstieß die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot aus § 612 a BGB.

 

Der Kläger meinte, die Kündigung stehe im Zusammenhang mit seinem Versuch aus dem Jahr 2020, bei der Beklagten einen Betriebsrat zu installieren.

 

Überlassungsvertrag nicht verlängert

 

Die Beklagte hielt dem entgegen, der Entleiher habe kein Interesse an einem ergänzenden Überlassungsvertrag mit der Beklagten über die Person des Klägers mehr gehabt. Die Anstrengungen, einen weiteren Vertragsabschluss zu veranlassen, seien gescheitert. Die Beklagte verfüge über keine anderen Einsatzmöglichkeiten für den Kläger. Auch der Versuch, den Kläger bei einer Firma in Hamburg unterzubringen, sei erfolglos geblieben.

 

Dem Arbeitsgericht Hannover reichten diese Argumente nicht. Die Kündigung sei nicht durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt, heißt es im Urteil.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine sogenannte „Druckkündigung“ als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Eine Druckkündigung liege vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung einer bestimmten Person verlangten.

 

„Echte“ und „unechte“ Druckkündigung sind zu unterscheiden

 

Sei das Verlangen des Dritten durch ein Verhalten oder einen personenbedingten Grund des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin bedingt, liege es im Ermessen des Arbeitgebers, eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung zu erklären. Dies stelle eine „unechte Druckkündigung“ dar. Der vom Dritten erzeugte Druck führe nicht primär zur Kündigung, sondern der personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgrund.

 

Fehle es an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung, komme eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Form einer „echten Druckkündigung“ in Betracht. An die Zulässigkeit der echten Druckkündigung stelle das Bundesarbeitsgericht strenge Anforderungen.

 

Die Kündigung ist das einzig in Betracht kommende Mittel

 

Der Arbeitgeber habe sich zunächst schützend vor den*die betreffende*n Arbeitnehmer*in zu stellen. Nur, wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden könne, und dem Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Schäden drohten, sei die Kündigung sozial gerechtfertigt.

 

Dabei müsse die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um die Schäden abzuwenden. Von Bedeutung sei dabei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbar Weise herbeigeführt habe. Typische Fälle einer echten Druckkündigung stellten Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen sowie die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer*innen dar.

 

Die Äußerungen reichten nicht aus

 

Nach den Einlassungen der Beklagten im Prozess könne das Gericht nicht entscheiden, ob im Fall des Klägers eine echte oder unechte Druckkündigung gegeben sei. Die Beklagte habe dazu nicht ausreichend vorgetragen. Sie sei jedoch darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, welche die Kündigung sozial rechtfertigen könnten.

 

Dem Gericht seien die Gründe nicht klar, welche die Kündigung sozial rechtfertigen könnten. Die Beklagte habe nur vorgetragen, ihr Vertragspartner hätte es abgelehnt, einen neuen Überlassungsvertrag über die Arbeitsleistungen des Klägers abzuschließen. Welche Umstände sich verändert hätten, aufgrund derer der Kläger nicht hätte weiterbeschäftigt werden können, bliebe offen.

 

Fehlverhalten oder Arbeitszeit?

 

Gleiches gelte hinsichtlich der Hintergründe für den angeblich nicht mehr durchführbaren Einsatz des Klägers. Sei es ein Fehlverhalten gewesen oder der Umstand, dass er sich mit einer Arbeitszeit von 10 Stunden im Monat am Markt nicht mehr vermitteln lasse?

 

Allein auf die Vertragsfreiheit könne sich die Beklagte zur Begründung der fehlenden Einsatzmöglichkeit des Klägers nicht berufen. Sie hätte sich zunächst schützend vor den Kläger stellen und dazu auch Angaben im Prozess machen müssen.

 

Ob und mit was der Vertragspartner der Beklagten bei einem weiteren Einsatz des Klägers gedroht habe, ob es der Beklagten nicht möglich gewesen sei, die Drohung abzuwenden, und inwiefern der Beklagten schwere wirtschaftliche Schäden gedroht hätten, lasse sich nicht nachvollziehen. Dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel gewesen sei, um etwaige Schäden abzuwenden habe die Beklagte ebenso wenig dargelegt.

 

Damit war alles geklärt

 

Ob die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB verstoße, bedürfe keiner Erklärung, weil die Kündigung schon aus den genannten Gründen sozial nicht gerechtfertigt sei.

 

Der Kläger habe damit einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Hannover.

 

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 612a BGB

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.