Copyright: @Adobe Stock – Spectral-Design
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Neumann, eher klein als groß und um die 60 Jahre alt, arbeitete auf einer drei Meter hohen Leiter, als zwei Kollegen unter ihm mit Druckluft saubermachten. Dreck und Staub wirbelten hoch und nahmen Neumann Sicht und Atem. Mehrfach rief er lautstark, sie sollten aufhören.

 

 

Ignorant macht weiter

Während der eine Kollege die Druckluftarbeit sofort einstellte, pustete der zweite munter einfach weiter den Dreck durch die Gegend. Er drehte dem laut protestierenden Neumann den Rücken zu. Mindestens viermal hat Neumann gerufen, dann reicht es ihm. Er eilte die Leiter herunter und verpasste dem Kollegen einen Tritt in den Hintern. Anschließend wurde noch kurz aber laut die unterschiedliche Auffassung diskutiert, wer von beiden spinne.

 

 

Neumann ist einsichtig

Der Ignorant hat sich beim Vorgesetzten beschwert, es gab ein innerbetriebliches Gespräch in dem Neumann sofort sein Fehlverhalten eingeräumt hat. Es half nichts, der Arbeitgeber sprach die Kündigung aus.

 

Tätlichkeit als Kündigungsgrund


Bei einer Tätlichkeit liegt eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht vor. Ein körperlicher Angriff ist grundsätzlich geeignet als wichtiger Grund ein Arbeitsverhältnis fristlos oder zumindest ordentlich zu beenden. Regelmäßig ist dafür auch keine Abmahnung erforderlich, weil der Verstoß so schwer wiegt.

 

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu beachten


Eine Kündigung darf immer nur das letzte Mittel sein, so dass auch wenn ein Kündigungsgrund besteht, die Gesamtsituation betrachtet werden muss. Es muss immer eine Interessenabwägung vorgenommen werden.

 

Vieles spricht für Neumann

 

Er war über 30 Jahre beschäftigt, weder sein Verhalten noch seine Arbeitsleistung wurde jemals abgemahnt. Auch seine sofortige Einsicht des Fehlverhaltens schon im ersten Gespräch zeigte, dass eine Wiederholung nicht zu befürchten war. Schließlich kam noch die Provokation hinzu, und dass es sich um ein vergleichsweise leichten Angriff handelte. Also, dass der Angriff sich z.B. nicht gegen den Kopf gerichtet hat. Da der Tritt auch nicht mit viel Energie ausgeführt wurde, war eine Verletzung des Kollegen nicht zu erwarten. Der Ignorant blieb auch unverletzt.

 

Arbeitsgericht gibt der Klage statt

 

Das Arbeitsgericht Aachen hat deshalb die Interessenabwägung hier zugunsten des Klägers getroffen. Der getretene Kollege hatte eine Abmahnung kassiert, das wäre bei Neumann auch eine angemessene Sanktion gewesen, denn dadurch zeige der Arbeitgeber deutlich, dass ein solches Verhalten nicht toleriert wird. Und bei Neumann könne man davon ausgehen, dass er es sich wirklich eine Warnung sein lassen werde.

Das sagen wir dazu:

Das war ganz schön eng für Neumann. Tätlichkeiten sind kein Kavaliersdelikt und kosten normalerweise den Arbeitsplatz.