Durch eine Quarantäne an die Wohnung gefesselt und vom Chef als Schwänzer bezeichnet. Copyright by Adobe Stock/fotonomada
Durch eine Quarantäne an die Wohnung gefesselt und vom Chef als Schwänzer bezeichnet. Copyright by Adobe Stock/fotonomada

334872178Das Arbeitsgericht Köln urteilte über eine nicht alltägliche Kündigung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Geklagt hat ein Monteur, der sich als Kontaktperson zu einem positiv Getesteten im Herbst 2020 in häusliche Quarantäne begeben musste. Das Gesundheitsamt hatte die Quarantäne telefonisch angeordnet. Darüber informierte der Kläger seinen Arbeitgeber.
 

Arbeitgeber stellt die telefonisch angeordnete Quarantäne in Frage

Der Chef des kleinen Dachdeckerbetriebs bezweifelte jedoch die Quarantäneanordnung. Er vermutete vielmehr, sein Mitarbeiter wolle sich nur vor der Arbeit drücken, und verlangte eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes.
 
Der Monteur forderte beim Gesundheitsamt telefonisch etwas Schriftliches ein, was in Aussicht gestellt, aber noch nicht erteilt wurde. Sein Chef wartete ein paar Tage und kündigte dann das Arbeitsverhältnis. Der gekündigte Arbeitnehmer klagte beim Arbeitsgericht Köln.
 

Kündigungsschutz im Kleinbetrieb

Das Kündigungsschutzgesetz gilt erst, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate besteht, und wenn ein Unternehmen regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer*innen beschäftigt. Unterhalb dieser Grenze spricht man von einem Kleinbetrieb. Im Falle einer Kündigung und Klage dagegen überprüft das Arbeitsgericht nicht, ob die Kündigung durch einen betriebsbedingten, verhaltensbedingten oder personenbedingten Grund sozial gerechtfertigt ist.
 
Die Beschäftigten in einem Kleinbetrieb sind aber nicht völlig schutzlos. Der Schutz fällt nur deutlich geringer aus. Bei einer Kündigung ist ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme einzuhalten. Willkürliche Kündigungen und Kündigungen, die auf sachfremden Motiven beruhen, verstoßen gegen das Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden. Deshalb sind solche Kündigungen auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes unzulässig.
Die Arbeitsrichter prüften deshalb, ob die Kündigung daran gemessen rechtswirksam ist.
 

Streitige Kündigung ist eine auf sachfremden Motiven beruhende, willkürliche Kündigung

Die Richter*innen beim Arbeitsgerichts Köln urteilten zu Gunsten des Klägers. Dieser habe sich nur an die behördliche Quarantäneanordnung gehalten, was auch ohne Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht als Grund für eine Kündigung herhalten könne.
Der Arbeitgeber hatte den Kläger ausdrücklich aufgefordert, entgegen der Quarantäneanweisung im Betrieb zu erscheinen. Diese Drucksituation, entweder gegen die behördliche Quarantäne zu verstoßen oder aber seinen Arbeitsplatz zu verlieren, zog das Gericht in seine Bewertung mit ein.
 
Außerdem habe der Arbeitgeber den Eindruck erweckt, den Kläger aus einem Gefühl der Stärke und Überlegenheit im Zusammenhang mit der Kündigung noch zusätzlich erniedrigen und demütigen zu wollen, heißt es im Urteil.
 
LINKS:
Das vollständige Urteil ist in der Datenbank der NRW Justiz nachzulesen

Das sagen wir dazu:

Viele Nerven liegen coronabedingt blank, ob nun auf Seite der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer. Das ist allerdings auch schon alles, was man dem Chef des Dachdeckerbetriebs hier zugutehalten kann. Schaut man sich die WhatsApp-Korrespondenz zwischen ihm und den Gekündigten an, zeigt sich, dass eher ein grundsätzliches Problem des Chefs mit Vertrauen und Wertschätzung bezüglich seiner Mitarbeiter besteht.  Das entging auch den Kölner Richter*innen nicht.

 „Vertrauen kommt zu Fuß und geht zu Pferd“

So lautet ein niederländisches Sprichwort. Wenn Vertrauen aber in einem solchem Tempo davon galoppiert, wird es nicht nur schwer, sondern eher gar nicht gewonnen worden sein. Der Monteur hatte seinen Chef auf dem Laufenden gehalten, ihm gesagt, dass er täglich mit dem Gesundheitsamt telefoniere und das auf jeden Fall eine Bescheinigung kommen werde. Die Überlastung der Gesundheitsämter war auch kein Geheimnis. Doch offenbar war der Arbeitgeber nicht gewillt, seinem Monteur Glauben zu schenken, wenn dieser beteuerte, lieber nicht zuhause hocken zu müssen. Äußerungen des Arbeitgebers wie „War extra heute beim Anwalt wegen euch Schwänzern“, „Brauche keine Krankmacher“ oder „Nachdem du meinst, du könntest mich abzocken mit deinem Dauerkrank?“ sprechen eine klare Sprache.

Auch wenn der Kläger Recht bekommen hat, ist sehr fraglich, ob das Arbeitsverhältnis vernünftig fortgesetzt werden kann. Nichtsdestotrotz ist es gut, dass das Arbeitsgericht hier klar Worte gefunden hat.
Im Urteil heißt es wörtlich:
Es wäre geradezu paradox, wenn dem Arbeitnehmer in dieser Konstellation noch    zusätzlich ein „Sonderopfer“ abverlangt würde, dass dieser aufgrund der Quarantäne auch noch seinen Arbeitsplatz verliert, wohingegen der Arbeitgeber privilegiert würde, dass er sich bei einer Quarantäne einfach sofort vom Arbeitnehmer trennen und diesen durch einen anderen, sofort einsatzfähigen (und insbesondere nicht unter Quarantäne stehenden) Arbeitnehmer ersetzen könnte.