Sie hatte alles so gut geplant, doch gab es Ärger. © Adobe Stock: InsideCreativeHouse
Sie hatte alles so gut geplant, doch gab es Ärger. © Adobe Stock: InsideCreativeHouse

Wenn Beschäftigte ihren Job wechseln möchten und das ideale Stellenangebot gefunden haben, muss es oft schnell gehen. Oftmals soll die neue Stelle schon angetreten werden, während noch die eigene Kündigungsfrist läuft. Das ist besonders ärgerlich, wenn Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitgeber eine verlängerte Kündigungsfrist vereinbart haben. Für den Fall, dass die Beschäftigten der Arbeit einfach fernbleiben und bereits ihre neue Stelle antreten, nutzen Arbeitgeber Vertragsstrafen in ihren Arbeitsverträgen. Wer vorzeitig und rechtswidrig das Arbeitsverhältnis beendet, muss zahlen – beispielsweise ein volles Monatsgehalt. Eine solche Klausel ist jedoch unwirksam, wenn die Höhe der Strafe lediglich pauschal vereinbart wird und sich nicht an der individuellen Kündigungsfrist orientiert, entschied das Arbeitsgericht Würzburg.

 

Vertragsstrafe soll Beschäftigte zur Einhaltung von Kündigungsfristen anhalten

 

Geklagt hatte ein Mann, der von seiner letzten Lohnabrechnung zum Ende seines Arbeitsverhältnisses unangenehm überrascht wurde. Von seinem Grundlohn in Höhe von 2600 Euro brutto wurden 2014 Euro brutto als „Vertragsstrafe“ einbehalten. Zu Unrecht, wie sich im Nachhinein herausstellte. Dabei hatte der Kläger tatsächlich gegen seinen Arbeitsvertrag verstoßen. In diesem wurde eine Kündigungsfrist sowohl für ihn als auch für seinen Arbeitgeber von drei Monaten zum Monatsende vereinbart. Dennoch kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit einer Frist von nur einem Monat zum Monatsende. Genau für diesen Fall hatte der Arbeitgeber vorgesorgt, indem er in den Arbeitsvertrag eine Klausel unterbrachte, die eine Vertragsstrafe enthielt. So hieß es im Wortlaut:

 

„Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Bruttolohn zu zahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig, insbesondere ohne Einhaltung der Frist, beendet, aufgrund eines schuldhaften Vertragsverstoßes berechtigt fristlos entlassen wird oder gegen die Verschwiegenheitspflicht und das Konkurrenzverbot verstößt. Der Arbeitgeber behält sich in diesen Fällen vor, einen weitergehenden Schaden gegenüber dem Arbeitnehmer geltend zu machen.“

 

Der Kläger hatte ohne Einhaltung der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis beendet, sodass die Voraussetzungen grundsätzlich vorlagen. Dennoch schob das Arbeitsgericht Würzburg dem Einbehalt des Lohns als „Vertragsstrafe“ einen Riegel vor.

 

Pauschale Höhe einer Vertragsstrafe führt zu Unwirksamkeit der Klausel

Vereinbarungen zu Vertragsstrafen seien dann unwirksam, wenn sie eine „Übersicherung“ darstellen, also die vereinbarte Strafe zu hoch ist. Dann würden sie Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist der Vertragsschluss. Unangemessen hoch sei eine Vertragsstrafe nach Ansicht des Gerichts für die vertragswidrige vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses dann, wenn die Vertragsstrafe höher sei als das Arbeitsentgelt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schulden würde.

 

Heißt praktisch: eine Vertragsstrafe in Höhe eines vollen Monatsgehalts ist unwirksam, wenn ein Beschäftigter sich beispielsweise in einer vereinbarten Probezeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen vom Vertrag lösen könnte. Da die Kündigungsfristen während einer Probezeit und im Anschluss daran regelmäßig unterschiedlich lang sind, sei zur wirksamen Vereinbarung einer Vertragsstrafe eine Differenzierung notwendig. Eine solche hatte der Arbeitgeber im Falle des Klägers vor dem Arbeitsgericht Würzburg jedoch nicht vorgenommen. Damit war die Klausel insgesamt unwirksam und der Kläger hatte keine Vertragsstrafe zu zahlen, sodass der Arbeitgeber ihm den einbehaltenen Lohn auszahlen musste.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg.

Das sagen wir dazu:

Auf den ersten Blick könnte dieser Fall den Eindruck erwecken, dass das vorzeitige und eigenständige „Beenden“ eines Arbeitsverhältnisses folgenlos bleibt. Verlockend ist da der Gedanke, dem bisherigen Arbeitsplatz einfach fernzubleiben und die neue Stelle schon früher anzutreten. Doch dieses Verhalten ist riskant und birgt Risiken. Es sind einige Punkte zu beachten:

 

1.     Vertrag ist Vertrag

Durch das eigenmächtige Fernbleiben wird das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht einfach beendet. Dies geschieht erst, wenn die Kündigung auch wirksam wird - und das wird sie nur zum Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist. Das Arbeitsverhältnis wird bei vorzeitigem Fernbleiben zwar tatsächlich nicht mehr gelebt, vertraglich besteht das Verhältnis jedoch fort. Heißt: Arbeitnehmer sind weiterhin zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet.

 

2.     Schadensersatz wegen Vertragsbruchs

Erbringt ein Arbeitnehmer entgegen der vertraglichen Vereinbarung seine Arbeitsleistung nicht, so ist dies eine Pflichtverletzung des noch bestehenden Arbeitsvertrages. Dadurch hat der Arbeitgeber grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen den vorzeitig fernbleibenden Arbeitnehmer. Geltend machen könnte der Arbeitgeber den entgangenen Gewinn, Kosten für eine Ersatzkraft, Kosten für Mehrarbeit der verbleibenden Arbeitnehmer oder sonstige Schäden. Dies gelingt in der Praxis jedoch nicht oft, da der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass und in welcher Höhe ihm infolge des vorzeitigen Fernbleibens Schäden entstanden sind. Ebenso müsste er darlegen und beweisen, dass die Schäden auch gerade auf diesem Arbeitsausfall des konkreten Arbeitnehmers beruhen.

 

3.     Entschädigungszahlung durch Gerichtsurteil

Aufgrund des noch bestehenden Arbeitsvertrages kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer auf Erbringung der Arbeitsleistung verklagen. Gleichzeitig kann schon vorsorglich beantragt werden, dass der Arbeitnehmer zur Zahlung einer im Ermessen des Gerichts stehenden Entschädigung verurteilt wird, wenn er der Verurteilung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung nicht innerhalb einer bestimmten Frist nachkommt.

 

Übrigens: Die Verurteilung zu einer Entschädigungszahlung ist das einzige Druckmittel, um auf die Erbringung der Arbeitsleistung hinzuwirken. Die Zivilprozessordnung regelt, dass die Verurteilung zur Leistung der Arbeit nicht durch eine Vollstreckung durchgesetzt werden kann.

 

4.     Einstweilige Verfügung wegen Verstoßes gegen Wettbewerbsverbot

Heuert ein Arbeitnehmer bei einem Konkurrenten des bisherigen Arbeitgebers an, so kann dies einen Verstoß gegen die allgemeine Treuepflicht des Arbeitnehmers, konkret gegen das Wettbewerbsverbot, darstellen. Der Arbeitgeber kann mit einer einstweiligen Verfügung dem Arbeitnehmer untersagen lassen, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beim neuen Arbeitgeber zu arbeiten.