Um Ludwigshafen gibt es oft viele große Verkehrsstaus. Die Juristen*innen des DGB Rechtsschutzbüros in Ludwigshafen vertraten beim Arbeitsgericht einen Arbeitnehmer, der täglich auf dem Weg zur Arbeit unter diesen Staus litt.
Mehrere Abmahnungen hatte der der Kläger schon
Er war bereits mehrfach aus unterschiedlichen Gründen zu spät gekommen und hatte dafür Abmahnungen erhalten. Im Betrieb seiner Arbeitgeberin gab es ein Mitarbeiterhandbuch. Danach war der Kläger verpflichtet, seinem Vorgesetzten unverzüglich mitzuteilen, sollten unerwartete und unkontrollierbare Umstände dafür sorgen, dass er zu spät komme. Verspätungen jeglicher Art könnten zu disziplinarischen Schritten führen.
Nach seiner dritten Abmahnung kam der Kläger erneut zu spät. Er gab an, er habe 2 Stunden im Stau gestanden und sei deshalb eine Stunde zu spät zur Arbeit erschienen, obwohl er bereits für die Fahrt einen Puffer von 20 Minuten eingerechnet habe. Mit einer solchen Verspätung habe er nicht rechnen können. Dennoch entschloss sich die Arbeitgeberin zur Kündigung.
Die Arbeitgeberin wollte die Verspätungen nicht mehr hinnehmen
Die Arbeitgeberin verwies darauf, dass der Kläger bereits mehrfach zu spät gekommen sei. Er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten beharrlich in einem Maße verletzt, das ein Arbeitgeber nicht mehr hinnehmen müsse. Da er schon sehr oft zu spät gekommen sei, sei anzunehmen, dass sich das auch in Zukunft nicht ändere. Die schwierige Verkehrssituation auf seinem Arbeitsweg kenne der Kläger, so dass er bei weitem mehr Fahrzeit hätte einplanen müssen.
Das Arbeitsgericht sah das anders. Das Verhalten des Klägers habe die Arbeitgeberin zwar grundsätzlich schon dazu berechtigen können, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Allerdings ergebe die Abwägung der Interessen der beiden Parteien ausnahmsweise, dass im vorliegenden Fall die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei.
Der Kläger verletzte seine Arbeitspflicht bei Verspätungen
Wer zu spät im Betrieb erscheine und deshalb auch schon Abmahnungen erhalten habe, verletze seine Arbeitspflicht. Auch das Kündigungsschutzgesetz lasse hier eine fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu. Maßgeblich sei aber, ob den Kläger ein Verschulden an seinen Verspätungen treffe. Arbeitnehmer seien verpflichtet, Vorsorge dafür zu treffen, dass eine Verspätung sich nicht wiederhole.
Den Kläger treffe hier wegen des Verkehrsstaus keine Schuld. Nachweislich habe es an diesem Tag einen sehr großen Stau auf dem Autobahnabschnitt gegeben, den der Kläger für seine Fahrt nutzen musste. Diesen großen Stau habe der Kläger so nicht erwarten können. Dies ergebe sich aus allgemeinen Verkehrsinformationen sowie Zeitungsartikeln vom betreffenden Tag.
Der Kläger hatte für die Fahrt 20 Minuten Puffer eingeplant
Die Autobahn sei an dieser Stelle zwar durchaus häufig von Staus betroffen, der Kläger habe jedoch deshalb schon einen Puffer von 20 Minuten eingeplant. Hätte er diesen Puffer nicht eingeplant, wäre er am betreffenden Tage noch später angekommen.
Auch wenn der Kläger schon Abmahnungen erhalten habe, sei er nicht verpflichtet, das Auto wegen drohender Staus zu meiden und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Auch hier bestehe schließlich das Risiko, einen Anschluss zu verpassen. Das gelte umso mehr, als der Kläger im abgelegenen ländlichen Bereich wohne und eine schlechte Anbindung an Bus und Bahn habe.
Der Kläger hatte keine Pflicht mehr als 50 Prozent seiner Fahrzeit als Puffer einzuplanen
Der Kläger habe auch keine Pflicht gehabt, mehr als 20 Minuten Puffer für seinen Arbeitsweg einzuplanen. Die Fahrstrecke lege der Kläger normalerweise in 30 Minuten zurück. Er sei aber nicht verpflichtet, mehr als 50 Prozent dieser Fahrstrecke als zusätzlichen Puffer einzubauen, um in seltenen, nicht vorhersehbaren Fällen pünktlich zur Arbeit zu erscheinen.
Die Arbeitgeberin könne dem Kläger auch nicht vorwerfen, sich am Vortag nicht ausreichend über mögliche Staus erkundigt zu haben. Eine solche Verpflichtung könne ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer nicht auferlegen. Es betreffe nämlich den privaten Bereich wie der Arbeitnehmer den Weg zum Arbeitsplatz zurücklege. Er sei dabei keineswegs verpflichtet, nach möglichen Störungen auf seinem Arbeitsweg regelrecht zu suchen.
Der Kläger gewinnt den Kündigungsschutzprozess
Der Kläger habe sich damit ordnungsgemäß verhalten. Eine Schuld an der Verspätung trage er deshalb nicht. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam. Für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses und bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren müsse die Arbeitgeberin in daher auch weiter beschäftigen.
Das sagen wir dazu:
Es gibt eine bunte Vielfalt von Entscheidungen unterschiedlichster Arbeitsgerichte zu verhaltensbedingten Kündigungen wegen ständigen Zuspätkommens. Jeden hypothetisch denkbaren Einzelfall haben die Gerichte dabei zweifelsfrei noch nicht entschieden. Aber auch der hiesige Fall zeigt, dass trotz eines Verstoßes gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten eine Kündigung unwirksam sein kann.
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