Der fehlende Postbeleg brachte zunächst die erhoffte Wendung. © Adobe Stock: blende11.photo
Der fehlende Postbeleg brachte zunächst die erhoffte Wendung. © Adobe Stock: blende11.photo

Der bei einer niedersächsischen Firma tätige Produktionsarbeiter trat am 25. Juli seinen genehmigten Jahresurlaub an. Gemeinsam mit seinen Eltern reiste er in die Türkei. Er kam mit seinem Vater am 26. August zurück. Auf seinen Briefkasten konnte während seiner gesamten Anwesenheit niemand zugreifen.

 

Dort landete dann ein Kündigungsschreiben mit Datum vom 21. Der Betroffene gab an, den Brief erst am Tag nach seiner Rückkehr, am 27. August, gefunden zu haben. Vertreten durch das DGB Rechtsschutzbüro Hannover erhob er innerhalb von zwei Wochen nach seiner Ankunft in Deutschland Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und machte deren nachträgliche Zulassung geltend.

 

Für die Kündigungsschutzklage gilt eine Dreiwochenfrist

 

Kündigungsschutzklagen sind innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht einzureichen. Wird diese Frist versäumt ist die Klage nur dann nachträglich zuzulassen, wenn der*die Gekündigte an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert war. So bestimmt es § 5 Kündigungsschutzgesetz.

 

Das Arbeitsgericht Hannover war davon überzeugt, dass der Kläger an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert war. Es ging davon aus, dass er sich während seines Urlaubes außer Landes befand, obwohl die Beklagte das bestritt.

 

Die Beklagte durfte nicht einfach nur bestreiten

 

Dieses Bestreiten sei als unsubstantiiert anzusehen, so das Gericht. Substantiiertes Bestreiten heiße, eine Gegendarstellung zu geben. Habe die Beklagte keine Möglichkeit mehr, sich anhand von Unterlagen oder durch Befragung eines Dritten zu informieren, könne sie sich auf einfaches Bestreiten beschränken oder sich mit Nichtwissen erklären.

 

Fehle dem Arbeitgeber tatsächliches Wissen zu Einzelheiten, sei es nicht unbillig, von ihm zu verlangen, sich dazu näher zu äußern, wenn der*die Arbeitnehmer*in hinsichtlich dieser Tatsachen Details schon vorgetragen habe.

 

Der Kläger konnte Details der Reise nachweisen

 

So liege es hier. Der Kläger habe als Beleg dafür, dass er mit seinem Auto in der Türkei war, eine Kreditkartenabrechnung mit einer Liste der Transaktionen vom 25.08.2022, dem Tag der Abreise aus der Türkei, eingereicht. Diese habe die Beklagten nicht bestritten, sodass die Liste als zugestanden gelte.

 

Der Beklagten hätte es in diesem Fall oblegen, gegebenenfalls durch Befragung weitere Personen Anhaltspunkte darzulegen, die dagegen sprächen, dass der Kläger die Urlaubsreise wie behauptet durchgeführt hatte. Das sei jedoch nicht geschehen.

 

Der Kläger hatte seine Sorgfaltspflichten gewahrt

 

Der Kläger sei auch trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen, die Kündigungsschutzklage rechtzeitig innerhalb der Frist Kündigungsschutzgesetzes zu erheben.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten spreche der Umstand, dass der Kläger niemanden damit beauftragt hatte, während der urlaubsbedingten Abwesenheit seinen Briefkasten zu leeren, nicht dagegen. Der Kläger sei nur vorübergehend ortsabwesend gewesen. Dazu zähle eine urlaubsbedingte Abwesenheit von bis zu sechs Wochen.

 

Innerhalb dieses Zeitrahmens sei der Aufwand für besondere Vorkehrungen, um Zustellungen rechtzeitig zur Kenntnis nehmen zu können, nicht zumutbar. Habe der Kläger jedoch keine besonderen Vorkehrungen treffen müssen, so sei ihm deren Unterlassen auch nicht vorwerfbar.

 

Die Beklagte hätte den Zugang der Kündigung nachweisen müssen

 

Das Gericht war im Übrigen auch nicht davon überzeugt, dass der Kläger bereits am 25.07.2022 Kenntnis von der Kündigung erhalten hatte oder zumindest hätte erhalten müssen, da ihm zu diesem Zeitpunkt die Kündigung bereits zugestellt worden sein sollte. Das habe die Beklagte zwar behauptet, genau das habe sie aber nicht bewiesen.

 

Zwar reiche es zur Wahrung der Drei-Wochen-Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht aus, dass die Klage unmittelbar nach der Rückkehr von der Reise erhoben werde, wenn – wie im Fall des Klägers - die Kündigung schon kurz vor Antritt einer Auslandreise zugestellt worden sei.

 

Im Zeichen der modernen Kommunikationsmittel sei es Arbeitnehmer*innen zumutbar, aus dem Ausland innerhalb der gesetzlichen Frist bei einem Arbeitsgericht Klage zu erheben oder zumindest eine Person vor Ort mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen.

 

Vorliegend habe die Beklagte den Zugang der Kündigung jedoch nicht bewiesen, weil – wie sie behauptete – der Brief in den Briefkasten des Klägers geworfen worden sei und er ihn deshalb schon hätte zur Kenntnis nehmen müssen.

 

Bei Postzustellung per Einschreiben gilt der Anscheinsbeweis

 

Ein Einwurf-Einschreiben könne den Anscheinsbeweis liefern, dass ein Brief zugegangen sei. Beim Einwurf-Einschreiben erfolge die Ablieferung durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten oder das Postfach des Empfängers. Unmittelbar vor dem Einwurf ziehe der*die Postangestellte das so genannte „Peel-off-Label" (Abziehetikett), das zur Identifizierung der Sendung diene, von dieser ab und klebe es auf den so vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg.

 

Auf diesem Beleg bestätige der*die Postangestellte nach dem Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe die Zustellung. Auch beim Einwurf-Einschreiben erhalte der Absender auf Wunsch eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs. Werde dieses Verfahren eingehalten, sei der Schluss gerechtfertigt, dass die eingelieferte Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers gelangt sei.

 

Für den Absender spreche daher beim Einwurf-Einschreiben die Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs der erste Anschein dafür, dass die Sendung mit Einwurf in den Briefkasten zugegangen sei.

 

Dieses Verfahren war nicht nachgewiesen

 

Zwar habe die Beklagte eine Sendungsnummer und einen Ausdruck des Sendungsstatus vorgelegt, wonach eine dazugehörige Sendung vom 25. Juli zugestellt worden sei. Offen bleibe aber, um welche Sendung es sich dabei handelte. Es fehle auch an dem Einlieferungsbeleg und dem Doppel des Auslieferungsbeleges. Beides habe die Beklagte im Verfahren nicht vorgelegt.

 

Der Kläger habe im Übrigen sein Prozessbevollmächtigten rechtszeitig aufgesucht. § 5 Abs. 2 KSchG verlangt, dass der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage innerhalb von zwei Wochen nachdem das Hindernis behoben ist, beim Arbeitsgericht gestellt werden muss. Diese Frist habe der Kläger eingehalten.

 

Die Kündigungsschutzklage ließ das Gericht damit nachträglich zu

 

Das half dem Mann allerdings letztlich doch nicht, denn das Arbeitsgericht hielt die Kündigungsschutzbestimmungen nicht für anwendbar, weil der Kläger die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes von sechs Monaten nicht erfüllt hatte.

 

Er habe früher zwar schon einmal bei der Beklagten gearbeitet. Zum jetzigen Arbeitsverhältnis habe es jedoch keinen sachlichen Zusammenhang gegeben und die Unterbrechung habe zwei Jahre gedauert. Das sei zu lange.

 

Auch eine frühere Konzernbeschäftigung wollte das Arbeitsgericht nicht anerkennen. Der Kläger sei bei einem völlig anderen Arbeitgeber im Konzern beschäftigt gewesen. Dort habe er selbst gekündigt und auch hier sei er erst nach mehr als drei Monaten Unterbrechung von der Beklagten eingestellt worden.

 

Was bleibt, ist eine interessante Entscheidung zur nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage. Das Ziel, den Arbeitsplatz zu erhalten, verfehlte der Kläger aber.

Rechtliche Grundlagen

§ 5 KSchG

§ 5 Zulassung verspäteter Klagen
(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.
(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muss ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.
(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.
(4) Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann.
(5) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nicht entschieden oder wird ein solcher Antrag erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt, entscheidet hierüber die Kammer des Landesarbeitsgerichts. Absatz 4 gilt entsprechend.