In diesem Fall reichte es für den Arbeitgeber nicht, einfach mit den Schultern zu zucken.
© Adobe Stock - Von aijiro
In diesem Fall reichte es für den Arbeitgeber nicht, einfach mit den Schultern zu zucken. © Adobe Stock - Von aijiro

Am 11. April 2022 unterzeichneten Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Aufhebungsvereinbarung.  Eine Abfindung regelt der Vertrag nicht. Er enthält eine Regelung, wonach mit der Erfüllung des Vertrages keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen die andere Partei mehr bestehen.

 

Der Kläger unterzeichnete die vom Geschäftsführer bereits unterschriebenen Exemplare der Aufhebungsvereinbarung, ohne sich die zweite – nicht aufgedeckte Seite – des Vertrages anzusehen. Er vertraute dabei auf eine zuvor mündlich vereinbarte Zahlung einer Abfindung von 9.000 €.

 

Diese Zahlung blieb aber aus. Auch nach Geltendmachung durch die Gewerkschaft lehnte der Arbeitgeber eine Zahlung ab.

 

DGB Rechtsschutz Oldenburg klagte die Abfindung beim Arbeitsgericht ein

 

Ob die Parteien mündlich eine Abfindung vereinbart haben, war im Verfahren streitig.

 

Unstreitig gab es drei Tage vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer des Unternehmens. In diesem zeigte der Kläger einen seitens der Gewerkschaft entworfenen Aufhebungsvertrag, der eine Abfindung von rund 13.000 € enthielt.

 

Laut dem Kläger gab es ein Gegenangebot von 7.000 €, welches er als zu gering empfand. Der Geschäftsführer habe dann 9.000 € akzeptiert und erklärt, der Aufhebungsvertrag könne am 11. April in seinem Büro unterschrieben werden.

 

Laut Arbeitgeber gab es keine mündliche Absprache über eine Abfindung

 

Den Mailverkehr mit der Gewerkschaft habe der Kläger zwar im Gespräch gezeigt, dieser sei aber nicht lesbar gewesen.

 

Zudem hätte dem Kläger schon beim Überfliegen der Überschriften auffallen müssen, dass im Aufhebungsvertrag keine Abfindungszahlung geregelt ist.

 

Außerdem berief sich das beklagte Unternehmen auch auf die Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag. Von dem Passus „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" seien auch Abfindungsansprüche erfasst.

 

Arbeitsgericht macht dem Arbeitgeber „einen Strich durch die Rechnung“

 

Das beklagte Unternehmen bestritt den Vortrag des Klägers zur Vereinbarung einer Abfindung mit Nichtwissen. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen allerdings nur bei Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

 

Die Erklärung des Arbeitgebers sei unzulässig, so das Arbeitsgericht, da die gesetzlichen Anforderungen eines Bestreitens mit Nichtwissen nicht erfüllt seien.

Der Geschäftsführer könne sich nicht zulässigerweise darauf berufen, dass er keine Kenntnis davon habe, ob er dem Kläger alternativ eine Abfindung in Höhe von 7.000 € angeboten habe, und, ob der Kläger hierauf mit einem Gegenangebot in Höhe von 9.000 € reagiert habe, welches er dann angenommen habe. Denn die Frage, ob er ein Gegenangebot unterbreitet hat bzw. ein hiervon abweichendes Gegenangebot des Klägers angenommen hat, würde die „eigene Handlungen der Partei" im Sinne der Zivilprozessordnung betreffen. Und die Unterbreitung eines höheren Gegenangebots durch den Kläger sei ein Umstand der „Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung".

 

Prozessual sei Folge des unzulässigen Bestreitens mit Nichtwissen, dass das Gericht den Vortrag des Klägers zum Zustandekommen der vereinbarten Abfindung von 9.000 € als unstreitig zu bewerten habe.

 

Deshalb sei am 8. April ein Anspruch des Klägers auf eine Abfindungszahlung in Höhe von 9.000 € entstanden.

 

Abfindungsanspruch scheitert nicht an der Ausgleichsklausel

 

Dass eine Abfindung ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis ist, stehe dem Abfindungsanspruch als solchen nicht entgegen, so das Gericht. Denn die Ausgleichsklausel beinhalte ihrem Wortlaut nach, dass erst „mit der Erfüllung dieses Vertrages keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" mehr bestehen sollten. Vertragsbestandteil des Aufhebungsvertrages sei jedoch auch die einigen Tage zuvor mündlich vereinbarte Abfindung.

Die Ausgleichsklausel greife ihrem Wortlaut nach erst dann, wenn der Aufhebungsvertrag vollständig erfüllt sei.

 

Das Arbeitsgericht verurteilt deshalb den Arbeitgeber, an den Kläger 9.000 € brutto zu zahlen.

Die Arbeitgeberseite hat Berufung beim Landesarbeitsgericht Hannover eingelegt, das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig. 

Das sagen wir dazu:

Robert Witt vom DGB Rechtsschutz Oldenburg freut sich in diesem Fall besonders über die Entscheidung, die zugunsten des Klägers ausging. Sein Mandant ist, wie dieser selbst sagt, sehr gutgläubig und naiv. Außerdem sind seine Fähigkeiten im Lesen und Schreiben unterdurchschnittlich und er hat Defizite im Textverständnis. Das war dem Geschäftsführer des beklagten Unternehmers, aktiv in der Oldenburger Querdenker-Szene, aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit dem Kläger auch bekannt. Man kann also getrost davon ausgehen, dass der Kläger hier hinters Licht geführt werden sollte.

 

Im Gütetermin war die erste Einschätzung des Gerichts noch wenig erfolgversprechend. Robert Witt konnte aber ganz genau schildern, wie es zu dem Aufhebungsvertrag kam und wie die Gespräche davor gelaufen waren. Deshalb konnte sich das beklagte Unternehmen hier nicht einfach damit herausreden, man wisse von all dem nichts.