Der Arbeitgeber kann die Beratung vor einer Massenentlassungsanzeige mit der Anhörung des Betriebsrats zu den geplanten Kündigungen verbinden. Dies aber ist nur zulässig, wenn der Betriebsrat zustimmt und für ihn klar erkennbar ist, in welchem der Beteiligungsverfahren er gerade mit dem Arbeitgeber verhandelt.

Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf zugrunde?


Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Der Kläger war bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt, seit dieses im Jahr 2009 den insolventen Betrieb übernommen hatte, bei dem der Kläger als Maschinenarbeiter angestellt war. Bei dem neuen Arbeitgeber des Klägers mit zuletzt 38 Arbeitnehmern bestand ein Betriebsrat. Am 20.08.2010 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2010, nachdem er zuvor am 09.08.2010 eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet hatte. In Folge stellte der Arbeitgeber seine Produktion ein und die verbleibenden Mitarbeiter von der Arbeit frei.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und machte geltend, der Betriebsrat sei vor der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört und die Massenentlassung der Arbeitsagentur nicht ordnungsgemäß angezeigt worden. Der beklagte Arbeitgeber machte vor dem Arbeitsgericht geltend, er habe dem Betriebsrat am 02.08.2010 in der Betriebsratssitzung ein Schreiben über die Kündigung des Auftrags des einzigen Auftraggebers des Betriebs übergeben. Er habe dem Betriebsrat die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer vorgelegt. Der Betriebsrat sei daher zur Kündigung und zur geplanten Massenentlassung gehört worden.

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Es führte im Wesentlichen aus, die Kündigung sei unwirksam, weil die Massenentlassungsanzeige nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Der Arbeitgeber habe den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) rechtzeitig über die geplante Entlassung zu unterrichten und die Stellungnahme des Betriebsrats der Anzeige an die Arbeitsagentur beizufügen. Eine Stellungnahme des Betriebsrats zu den geplanten Kündigungen nach § 102 BetrVG könne die Stellungnahme nach § 17 Abs. 3 KSchG nicht ersetzen.

Wie hat das Landearbeitsgericht Düsseldorf entschieden?


Das LAG Düsseldorf wies die Berufung des Arbeitgebers zurück und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Wie das Arbeitsgericht war das LAG der Auffassung, der Arbeitgeber habe vor Ausspruch der Kündigung keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG erstattet. Die Kündigung war daher unwirksam.

Zur Begründung führte das LAG aus, der Arbeitgeber müsse nach § 17 Abs. 2 KSchG ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchführen, bevor er der Arbeitsagentur eine geplante Massenentlassung anzeigt. Dafür genügt es nach Ansicht des LAG jedoch nicht, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat am 02.08.2010 mündlich und schriftlich über die beabsichtigte Stilllegung des Betriebes informiert und ihm gleichzeitig die Anhörungsbögen zur Kündigung der Mitarbeiter übergeben hatte.

Denn das Konsultationsverfahren § 17 Abs. 2 KSchG hat eine andere Zielrichtung als das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG. Die Konsultation dient nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG der Beratung der Betriebspartner, um Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Der Betriebsrat soll in das laufende Verfahren und vor der Entscheidung, ob und ggf. wie viele Kündigungen ausgesprochen werden, einbezogen werden. Im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG geht es dagegen um die bereits vom Arbeitgeber beschlossene Kündigung des einzelnen Arbeitnehmers.

Zwar könne die Beratung mit der Anhörung des Betriebsrats zu den geplanten Kündigungen nach § 102 BetrVG verbunden werden. Dies ist aber nur wirksam möglich, wenn der Betriebsrat zustimmt und für ihn klar erkennbar ist, in welchem Beteiligungsverfahren er gerade verhandelt. Denn nur wenn der Betriebsrat weiß, in welchem Beteiligungsverfahren sich die Betriebspartner befinden, kann er überhaupt die ihm nach den jeweiligen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Danach war nach dem Vorbringen des Arbeitgebers allerdings nicht auszugehen. Auch dass die Agentur für Arbeit die angezeigte Massenentlassung nicht beanstandet hat, ist nach Ansicht des LAG Düsseldorf unerheblich.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Diese ist eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZR 65/12.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Im Falle von Betriebsschließungen und Massenentlassungen muss eine komplizierte Abstimmung verschiedener Gremien und Maßnahmen erfolgen. Deren Ablauf ist durch das Gesetz vorgegeben. Weil Arbeitgeber in dieser Situation häufig unter starkem Zeitdruck stehen, sind sie bestrebt, die notwendigen Prozeduren abzukürzen, zumal die Handelnden Personen auf Arbeitnehmerseite oft die gleichen sind. Das LAG hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass es sich bei den erforderlichen Schritten nicht um einen reinen Formalismus handelt, sondern herausgestellt, mit welchen Inhalten und unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat im Falle der Massenentlassung und der anschließenden Kündigung zu beteiligen ist. Dabei hat es zwar die Verbindung des Konsultationsverfahrens für die Massenentlassung und die Anhörung für die einzelnen Kündigungen für möglich erachtet. Mit seinem Hinweis darauf, dass klar bleiben muss, welche Schritte zu welchem Verfahren gehören, hat es aber klar gemacht, dass beide Verfahren nicht miteinander vermischt werden dürfen. Daraus, dass über eine Kündigung erst beraten werden kann, wenn die unternehmerische Maßnahme feststeht folgt, dass erst die Konsultation zur Betriebsschließung oder Massenentlassung erfolgen muss. Anschließend kann eine Anhörung nach § 102 BetrVG erfolgen. Verbindung bedeutet deshalb, dass eine deutliches zeitliches Nacheinander der Anhörungen gewährt ist, auch wenn sie unmittelbar aufeinander folgen.

Das Urteil des LAG Düsseldorf vom 08.11.2011, 17 Sa 312/11