Die Krankmeldung per Email kam beim Arbeitgeber nicht so gut an. © Adobe Stock: burdun
Die Krankmeldung per Email kam beim Arbeitgeber nicht so gut an. © Adobe Stock: burdun

Etwas mehr als zwei Jahre arbeitete die Klägerin als Mitarbeiterin im Empfang, als sie die verhaltensbedingte Kündigung ihres Arbeitgebers erhielt. Daniel Günther vom DGB Rechtsschutzbüro Ingolstadt vertrat die Frau vor dem Arbeitsgericht.

 

Der Chef warf ihr vor, dass sie sich im Fall einer Arbeitsunfähigkeit nicht an die Regeln zur Vorlage der Bescheinigung halte.

           

 

Ein Fahrradunfall führte ins Krankenhaus

 

Am 24. März hatte die Klägerin einen Fahrradunfall erlitten und wurde nachfolgend bis zum 30. März stationär im Krankenhaus behandelt. Am Tag nach ihrer Entlassung schrieb der Hausarzt sie für den 25. März bis zum 23. April arbeitsunfähig. Am 1. April informierte die Klägerin ihren Vorgesetzten über die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit.

 

Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, eine Abmahnung auszusprechen. Die Klägerin habe die Informationen über Ihre Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich ab Kenntnis mitgeteilt und auch keine genaue Information über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit abgegeben.

 

Drei weitere Abmahnungen folgten

 

Weil die Frau angeblich auch Arbeitsanweisungen im Zusammenhang mit der Pflege einer Excel-Tabelle nicht befolgt hatte, kam es zu drei weiteren Abmahnungen Anfang August.

 

Am 10. August meldete sich die Klägerin noch einmal krank. Die Fehlzeit dauerte bis zum 17. September an. Weil es auch hier zu Unstimmigkeiten mit der Meldung der Arbeitsunfähigkeit kam, sprach der Arbeitgeber nach vorheriger Anhörung des Betriebsrates die Kündigung aus. Den Betriebsrat informierte er jedoch nur über das Fehlverhalten der Klägerin im Zusammenhang mit den Krankmeldungen.

 

Die Klägerin soll es nicht so genau genommen haben

 

Die Klägerin habe sich trotz ausgesprochener Abmahnungen nicht an die Vorgaben zur Anzeige und zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit gehalten, schrieb der Arbeitgeber im Prozess. Anlässlich ihrer Arbeitsunfähigkeit vom April 2021 habe sie weder ihren Vorgesetzten unverzüglich über ihre Arbeitsunfähigkeit informiert noch über deren Dauer.

 

Ähnlich sei es Ende August gewesen. Am 30. August habe sie von ihrer weiteren Arbeitsunfähigkeit über den 6. September hinaus Kenntnis gehabt. Die Beklagte habe diese Information jedoch erst am 2. September per E-Mail erhalten, aber nicht gerichtet an den Vorgesetzten, sondern an die Lohnbuchhaltung. Immer wieder verstoße die Klägerin gegen die geltenden Vorschriften.

 

Die Klägerin war gut vertreten

 

Dem widersprach der Prozessbevollmächtigte. Die Abmahnung vom April sei unverhältnismäßig. Aufgrund des erlittenen Fahrradunfall habe sich die Klägerin bis zum 30. März unter starken Schmerzen im Krankenhaus aufgehalten. Coronabedingt habe keine Möglichkeit bestanden, Besuch zu empfangen und die Beklagte zu informieren. Der Hausarzt habe die AU-Bescheinigung erst am 31. März rückwirkend zum 25. März ausgestellt. Das habe sie der Beklagten am nächsten Tag per E-Mail mitgeteilt. Die AU-Bescheinigung selbst sei der Beklagten eine Stunde später zugegangen, sodass spätestens dann die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bekannt gewesen sei.

 

Die Vorwürfe betreffend der Meldung im September konnte Daniel Günther ebenfalls nicht nachvollziehen. Die Beklagte habe nicht sieben, sondern „nur“ vier Tage vor Arbeitsaufnahme Kenntnis von weiteren Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erlangt.

 

Das Gericht folgt der Rechtsauffassung der Klägerin

 

Die Kammer Ingolstadt des Arbeitsgerichts München erachtete die Kündigung für unverhältnismäßig und deshalb sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte werfe der Klägerin vor, die Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht „unverzüglich“ - wie es das Gesetz vorschreibe -  gemeldet zu haben.

 

Die Beklagte stütze sich zur Begründung der Kündigung auch auf die Abmahnungen, die sie wegen Verstößen gegen Anweisungen zur Pflege einer Excel-Tabelle ausgesprochen hatte. Diese Abmahnungen könnten jedoch nicht berücksichtigt werden, denn der Betriebsrat sei dazu nicht ausreichend unterrichtet worden.

 

In der Betriebsratsanhörung seien keine Ausführungen zu den Pflichtverstößen im Zusammenhang mit der Pflege der Excel-Tabelle enthalten. Eine unvollständige Anhörung des Betriebsrates verwehre es dem Arbeitgeber, sich im Kündigungsschutzprozess auf Gründe zu berufen, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts an den Betriebsrat hinausgingen.

 

Die Klägerin legte die AU-Bescheinigung zu spät vor

 

Im Übrigen müsse die Vorlage der Bescheinigung über die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit unverzüglich erfolgen. "Unverzüglich" bedeute "ohne schuldhaftes Zögern". Es sei nicht ersichtlich, warum die Klägerin die AU-Bescheinigung nicht schon am 30. oder 31. August vorgelegt hatte, sondern damit bis zum 2. September abwartete. Die Krankschreibung selbst habe der Arzt bereits am 30. August vorgenommen.

 

Die Klägerin habe damit gegen ihre vertraglichen Nebenpflichten verstoßen. Dieser Verstoß habe jedoch ein geringes Gewicht. Die hierauf gestützte Kündigung halte das Gericht für unverhältnismäßig.

 

Vor Ausspruch der Kündigung hätte es einer negativen Prognose hinsichtlich künftiger gleichartiger Vertragspflichtverletzungen bedurft. Selbst wenn die Abmahnung vom April in diesem Zusammenhang einschlägig wäre, hätte es einer weiteren, einschlägigen Abmahnung bedurft, um diese Negativprognose sicherzustellen.

 

Zwei Verstöße reichen dem Gericht nicht aus

 

In Fällen weiterer krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung im Jahr 2021 habe die Klägerin überwiegend die vertraglichen und gesetzlichen Anzeige- und Nachweispflichten beachtet. Sofern dies in zwei Fällen nicht geschehen sein möge, sei nicht ersichtlich, dass die jeweilige kurzfristige Verzögerung für die Beklagte im Rahmen ihrer betrieblichen Organisation besonderes Gewicht gehabt hätte.

 

Im Hinblick auf das bisherige weitgehend vertragskonforme Verhalten der Klägerin sei auch nicht damit zu rechnen, dass diese sich künftig beharrlich und generell ihren vertraglichen Anzeige- und Nachweispflichten widersetzen werde. Eine tiefgreifende Vertragsstörung liege nicht vor. Daher erweise sich die Kündigung als unverhältnismäßig und deshalb sozial ungerechtfertigt.

 

Die Kündigung sei nach dem Kündigungsschutzgesetz unwirksam. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt im Volltext.

 

Rechtliche Grundlagen

§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz

§ 5 Anzeige- und Nachweispflichten

(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.