Kurz vor Ende des dritten Ausbildungsjahres sollte der junge Mann seinen Hut nehmen, doch das Arbeitsgericht entschied zu seinen Gunsten. © Adobe Stock: DDRockstar
Kurz vor Ende des dritten Ausbildungsjahres sollte der junge Mann seinen Hut nehmen, doch das Arbeitsgericht entschied zu seinen Gunsten. © Adobe Stock: DDRockstar

Das dritte Jahr des Ausbildungsverhältnisses hatte bereits begonnen, als der Arbeitgeber dem Auszubildenden zum Tiefbaufacharbeiter mit dem Schwerpunkt Rohrleitungsbauarbeiten kündigte. Zu diesem Zeitpunkt war der junge Mann nach einem Wechsel des Ausbildungsbetriebes erst wenige Monate beschäftigt und befand sich noch in der Probezeit.

 

Der Betriebsrat ließ sich nicht umstimmen

 

Der Betriebsrat hatte zuvor die Zustimmung zur Kündigung verweigert, denn der junge Mann war Wahlbewerber zur Jugend- und Auszubildendenvertretung und genoss besonderen Kündigungsschutz. Zur Beilegung der Streitigkeiten hatte sich vor der IHK eine Schlichtungsverhandlung angeschlossen. Der Schlichtungsausschuss stellte dabei fest, dass die Kündigung das Ausbildungsverhältnis nicht rechtswirksam auflöste. Der Chef erkannte den Spruch des Schlichtungsausschusses nicht an und beharrte auf der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses.

 

Der Betroffene entschloss sich, seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Wege eines Eilverfahrens beim Arbeitsgericht Berlin durchsetzen. Dabei unterstützen ihn die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Berlin. Das Gericht gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung statt.

 

Der Verfügungskläger habe einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung als Auszubildender, da die Kündigung offensichtlich unwirksam sei.

 

Die Interessenlage verschiebt sich nicht

 

Nach Ausspruch einer Kündigung überwiege zwar regelmäßig das schutzwerte Interesse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung gegenüber dem Interesse Betroffener an einem Beschäftigungsanspruch für die Prozessdauer.

 

Sei eine Kündigung jedoch offensichtlich unwirksam, komme es nicht zu einer Verschiebung der Interessenlage gegenüber der Zeit des unangefochtenen Bestands des Arbeitsverhältnisses. Nichts anderes gelte im Ausbildungsverhältnis, da Auszubildende ein besonderes Interesse an der Vermittlung praktischer Fähigkeiten hätten, die sie zum erfolgreichen Abschluss der Gesellenprüfung benötigten.

 

Der besondere Kündigungsschutz gab den Ausschlag

 

Der Verfügungskläger sei zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Wahlbewerber zur Jugend- und Auszubildendenvertretung gewesen. Er genieße gemäß § 15 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz besonderen Kündigungsschutz. Ihm dürfe daher nur mit Zustimmung des Betriebsrates gekündigt werden.

 

Den Nachweis des Wahlbewerbers habe der Verfügungskläger durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Im Übrigen sei er unstreitig nachfolgend auch tatsächlich zum Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt worden.

 

Durchgreifende Bedenken gegen den bestehenden Sonderkündigungsschutz habe die Verfügungsbeklagte nicht vorgetragen. Zwar habe sie die Verletzung von Wahlvorschriften geltend gemacht. Das reiche jedoch nicht aus. Die Wahl zur Jugend- und Auszubildendenvertretung müsse nichtig sein, denn nur dann hätte der Verfügungskläger im Vorfeld keinen besonderen Kündigungsschutz erworben.

 

Eine nichtige Wahl komme nur bei groben und darüber hinaus offensichtlichen Verstößen in Betracht. Derartige Verstöße vermöge das Gericht nicht zu erkennen.

 

Die Zustimmung des Betriebsrates fehlte

 

Deshalb wäre die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Verfügungsklägers erforderlich gewesen. Der Betriebsrat habe jedoch ausdrücklich nicht zugestimmt. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren habe die Beklagte nicht eingeleitet. Die Kündigung sei deshalb unwirksam.

 

Im Übrigen befinde der Kläger im dritten Ausbildungsjahr. Die Abschlussprüfung stehe unmittelbar bevor. Er sei damit darauf angewiesen, dass die Verfügungsbeklagte ihm zum erfolgreichen Bestehen der Gesellenprüfung die erforderlichen praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten tatsächlich vermittele. Ein Abwarten bis zu einer Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess gefährde das erfolgreiche Bestehen der Abschlussprüfung.

 

Deshalb müsse die Beklagte den Kläger vorläufig als Auszubildenden entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen weiter beschäftigen.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Berlin.

Rechtliche Grundlagen

§ 15 Abs. 2 KSchG

3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, das Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.